Blade Runner 2049 (Filmkritik)

K (Ryan Gosling) ist Blade Runner. Das bedeutet, er sucht Replikanten, die er in den „Ruhestand schickt“. Replikanten sind künstlich erschaffene Wesen, die absolut menschenähnlich sind (also mehr oder weniger Cyborgs). Diese Mensch-Maschinen sind mittlerweile in der 8. Generation erhältlich und haben einen Lebenszyklus wie jede andere Lebensform.

Bei einem Routineauftrag entdeckt K allerdings eine Unstimmigkeit und kommt bei weiteren Nachforschungen einem Wunder auf die Spur, welches ihn in die Schussbahn von Niander Wallace (Jared Leto) und Luv (Sylvia Hoeks), seiner Assistentin, bringt. Denn die beiden suchen die Antwort auf eine Frage, deren Lösung K auf der Spur zu sein scheint …

Blade Runner. Der Film, den alle anderen Sci-Fi-Filme seitdem kopieren wollen. Blade Runner. Einer der wenigen Filme, die ich persönlich weit besser finde als das Buch auf welchem er basiert (ich habe alle Bücher von Dick gern, aber „Do Androids Dream Of Electric Sheep?“ ist jetzt nicht unter meinen Top 10). Ein Film, der als Vorlage in Bezug auf Optik und Atmosphäre die Blaupause ist für so gut wie jeden Sci-Fi-Film der danach kam und der seriös wirken wollte.

Und da macht man eine Fortsetzung? Die kann nur verlieren. Ich gebe zu – ich war befangen, denn die Trailer ließen mich kalt und die Poster fand ich eher so lala. Da war nicht viel zu verlieren. Dann allerdings habe ich entdeckt, dass Denis Villeneuve die Regie übernommen hat und meine Skepsis war weg. Der Mann, der den langsamen, atmosphärischen, genialen „Arrival“ gemacht hatte, DER hat den neuen Blade Runner gemacht? Na gut. Dann sollte man ihm doch eine Chance geben, denn dessen Regiestil und Blade Runner scheinen füreinander gemacht zu sein.

Und dann war ich im Kino. Und habe den Film gesehen. Und … bin mir uneins. Nämlich so richtig.

Eines mal gleich vorweg: „Blade Runner 2049“ blutet Atomsphäre aus jedem einzelnen Bild. Die Stimmung kommt wirklich gut rüber und der Stil und der Look vom Original wurden super übernommen. Die Schauspieler*innen sind durch die Bank klasse besetzt und sogar die kleinen Nebenrollen überzeugen. Manche (die Replikanten) sind natürlich weniger emotional als die Menschen (oder?) und trotzdem sind alle wirklich super. Wirklich beeindruckt war ich von Dave Bautista, der ja tatsächlich spielen kann. Und Ana De Armas (mir bis dato unbekannt gewesen) erwärmt das Herz in jeder Sekunde, in welcher sie auf der Leinwand ist.

Wirklich großartig fand ich auch den Schnitt und die langen, atmosphärischen Einstellungen, die mir als Zuseher wirklich die Zeit gegeben haben jeden Pixel auf der Leinwand förmlich aufzusaugen. So sollte Kino sein – so komponiert, dass man genug Zeit hat, jedes Bild zu bestaunen und der Schnitt (sogar in 3D) so gemacht, dass das Ansehen absolut angenehm für die Augen ist. Die Kameraführung (inklusive Bildkomposition inklusive Farbgestaltung) sind wirklich wundervoll gelungen – Riesenkompliment. So macht man 3D-Filme, die man sich auch ansehen kann ohne Kopfweh zu kriegen.

Wenn das alles so toll ist, warum bin ich mir dann uneins?

Nun, zum einen passt die Story, um es milde zu formulieren, auf einen Bierdeckel. Da steht das Schicksal der Welt auf dem Spiel, denn wenn das „Wunder“ bekannt wird, dann wird es Krieg geben. Warum ich das weiß? Weil es mir gesagt wird. Habe ich jemals das Gefühl, es könnte stimmen? Nein. Nie.

Was hat Niander Wallace (Jared Leto) anderes zu tun, als – wie in Matrix:Reloaded der Architekt – hohle, wohlklingende Phrasen in die Welt zu dreschen? Nix. Ist er für die Story wichtig? Nein, eigentlich nicht. Nämlich gar nicht. Der ist einfach da, weil man statt Tyrell jemanden brauchte, der die Lücke eines Bösen füllt. Wenn es überhaupt einen „Bösen“ gibt in dem Film.

Die Musik versucht sich an den Vangelis-Themen des Erstwerks zu orientieren, aber – zumindest bei uns im Kino – wurden mir die Synthies dermaßen um die Ohren gehauen, dass ich streckenweise nicht das Gefühl hatte einen Film zu sehen, der von Musik unterlegt ist, sondern ein Konzert zu hören, das zufällig auch Bilder hat. Ganz, ganz schräg. Noch dazu wird Vangelis nicht im Ansatz erreicht. Zu viel Pathos und aufs Auge gedrückte Emotion, viel zu wenig subtil. Dazu kommt noch, dass der Look zwar gut eingefangen wurde, aber die beklemmende, dreckige Dystopie des Erstwerks – nun, die ist nicht da. Viel zu viele Aufnahmen von weiten Flächen, von monochromen, himmelhoch gebauten Bauwerken, aber da ist kein Leben drin. Die paar Szenen in Menschenmengen (Mengen … naja) vermitteln die Trostlosigkeit der Welt nicht wirklich. Vielleicht ist diese Welt auch nicht trostlos. Keine Ahnung.

Dazu kommt noch die Abgeschiedenheit von K. War Deckard im ersten Teil vielleicht allein und einsam, so war er es in einer Menschenmenge, was sein Dasein noch viel trauriger machte, denn trotz aller „Einzelgänger“-Mentalität wollte er doch dazu gehören. Er konnte nur nicht. Nicht in dieser abartigen Welt. K will nicht mal dazugehören. Die Welt interessiert ihn eigentlich nicht. Nämlich überhaupt nicht. So grundsätzlich gar nicht. Er ist da, um seinen Job zu tun. Punkt. Dass dieser Job das „in den Ruhestand befördern“ von Replikanten betrifft ist halt nun mal so. Da gibt es keine Emotion dazu. Er ist genau genommen (den Grund dafür erfährt man sehr bald im Film) nur auf sich selbst fokussiert. Das ändert sich zwar später im Film, aber diese Wandlung ist dermaßen subtil (und von außen aufs Auge gedrückt), dass es eigentlich wie ein Auftrag wirkt und nicht wie eine freie Entscheidung. Und Aufträge ausführen … nun, dass K das kann, sehen wir am Anfang des Films. Einzige Ausnahme: Seine Verbindung zu Joi. Diese Beziehung stellt auch mehr oder weniger den Mittelpunkt des Films dar und seine zentrale Frage, die für mich jedoch sehr unbefriedigend gelöst wurde (und Ja, die Metaphern „Joy“ und „Love“ habe ich verstanden und auch was mit denen passierte, habe ich „philosophisch“ verstanden … das meine ich mit plakativ weiter oben).

Der Film ist zu lang. Ich gebe zu, er war nie langweilig, aber für das, dass er keine Story zu erzählen hat, dauert er einfach zu lange. Es gibt zu viele Füllszenen, die das erste Mal ansehen super sind, weil man immerzu denkt, da würde was Wichtiges passieren, aber letzten Endes erkennt man: Mindestens ein Drittel des Films hätte man schneiden können, ohne irgendwas (Atmosphäre oder Handlung) zu verlieren.

Die Geschichte verliert sich in Logiklöchern (fangt nicht an Motivationen zu hinterfragen, da geht ihr streckenweise leer aus – glaubt einfach was die Leute im Film erzählen) und lässt (fast) alle philosophischen Andeutungen und Überlegungen des ersten Teils außen vor. Es ist eine (sehr simple) Detektivgeschichte im Blade Runner-Universum, gespränkelt mit Metaphern. Nicht mehr und nicht weniger.

Und deshalb bin ich hin und her gerissen und mit mir uneins.

Denn wenn wo „Blade Runner“ draufsteht, dann erwarte ich, dass Blade Runner drin ist. Dem ist hier gefühlt nicht so.

Ich weiß, dass vielen der erste „Blade Runner“ primär als Film in punkto Atmosphäre, Optik und Musik als Kultfilm in Erinnerung geblieben ist. Sicher. Ich fand ihn auch schön.

Aber ich liebe ihn, wegen der Fragen, die er aufwirft: Was ist Leben? Ab wann? Wo beginnt es? Wo hört es auf? Wer bestimmt die Grenze? Warum darf A Leben genannt werden, aber B nicht?

Ich liebe ihn wegen der Charaktere. Wegen deren Willen zu leben. Wegen deren Wunsch zu leben. Deren Sehnsucht zu leben. Alle Replikanten die Deckard jagt haben mehr Willen und mehr Sehnsucht nach dem Leben als Deckard selbst. Diese Ironie zieht sich durch den ganzen Film und erst als am Ende (ist es ein Spoiler, wenn der Film so alt ist?) sein Leben gerettet wird – von der Person, die er jagte – weil der „Roboter“ das Leben mehr zu lieben weiß als der Mensch, da versteht er plötzlich (eine Sache, die James Cameron übrigens erkannt und super in Terminator 2 übernommen hat).

Und das alles fehlt mir im neuen Teil oder wenn es da ist, dann wird es mit dem Dampfhammer aufs Auge gedrückt. Die Optik? Super. Die Atmosphäre? Großartig. Die Schauspieler? Toll. Die Story? Naja. Die Fragen, die er aufwirft? Äh … nein. Großteils Nein.

Es gibt ein paar Momente, die auf Großartiges hindeuten. So die Beziehung von K zu seiner Künstlichen Intelligenz Joi. Die Tatsache, dass sie ihm den Namen „Joe“ gibt und später erfährt man dann, warum eigentlich. Das, was ihr passiert und durch wen und wie. Und auch die „Gegenspieler/in“ und was ihr passiert (Namen sind in Blade Runner 2049 IMMER Metaphern – so ist „K“ speziell … also „Special K“, was eine Kurzform von Ketamin ist – welches für die Schmerzbehandlung (Weltschmerz, anyone?) genutzt wird). Und die Erkenntnis, dass man doch nur ist, was man ist, auch wenn man sich einreden will, etwas anderes zu sein.

Kurz gefasst: Es gibt diesen Blade Runner Film, den ich sehen wollte. Es gibt diesen großartigen Film mit all den Dingen, die ich sehen wollte: Und er steckt irgendwo vergraben in diesem Film, den ich im Kino gesehen habe – er geht nur leider gurgelnd unter in der Menge an Optik und Filmmusik und füllendem Beiwerk, welches ich nicht gebraucht hätte.

Und ehrlich: Ich werde mir die 2 Stunden und 43 Minunten nicht nochmals im Kino ansehen, nur um mir die (bestenfalls) eineinhalb Stunden rauszupicken, die ich hätte sehen wollen. Vermutlich irgendwann mal auf Blu-Ray oder DVD. Zumindest wenn ich den „alten“ Film mal satt habe (wird vermutlich nie passieren), der für mich immer noch unerreicht bleibt (und ich meine die leidige Kinofassung mit dem Voice Over – das Harrison Ford es nicht machen wollte und so gelangweilt klingt passt ironischerweise für mich perfekt zur Story des Films).

Vielleicht – und das wäre neu und würde ich großartig finden – gibt es auf eine Blu-Ray ja mal einen Final Cut, der eine Stunde kürzer ist und mir genau den Film liefert, den ich wollte. Bis dahin ist „Blade Runner 2049“ kein schlechter Film, auch wenn ich gestehen muss, dass auch die letzten 30 Minuten für mich absolut entbehrlich waren (die vorletzten fünf mit K ausgenommen).

„Blade Runner 2049“ bekommt von mir 7,5 von 10 möglichen, auf audiovisueller Spur absolut großartig unterhaltende, sich aber in Storylücken verlierende und existentielle Fragen weitgehend zukleisternde, Punkte.

PS: Es gibt drei Kurzfilme, welche die Zeit zwischen „Blade Runner“ und „Blade Runner 2049“ behandeln. Der Animationsfilm ist großartig. Der zweite (Nexus Dawn) ist sinnfrei und soll nur erklären wieso Replikanten wieder erlaubt sind, macht das in meinen Augen aber auf sehr stumpfe Art und Weise. Der dritte Kurzfilm hätte in den Kinofilm hineingeschnitten gehört, finde ich.

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3 thoughts on “Blade Runner 2049 (Filmkritik)

    • Ja, das man den Film auch so sehen kann, war mir klar. Die Kombination aus „Blade Runner“ und „Villeneuve“ war aber ziemlich so zu erwarten (abgesehen von der Story).

      Auch sind die Trailer sehr irreführend. Da wirkt es wie ein Actionfilm, aber das ist er absolut nicht. Und wie gesagt – auch ich finde, man hätte ihn locker um ein Drittel kürzen können.

      Als die größte Kacke würde ich ihn nicht bezeichnen (hätte ich ja sonst gemacht), aber witzigerweise ist das fast wortwörtlich die Reaktion, die mein älterer Bruder damals für den ersten „Blade Runner“ übrig hatte.

      Weil es mich interessiert: Aufgrund deines Kommentars gehe ich davon aus, dass du den ersten Film nicht kennst und nicht wusstest, was dich erwartet … oder liege ich da falsch?

  1. Da ich den ersten Teil nicht gesehen habe, kann ich bei Vergleichen nicht mitreden.

    Aber nichts desto trotz finde ich ihn viel zu langatmig. Als erstes fällt mir die Sexszene ein, die vielleicht 30 Sekunden lang optisch interessant ist, aber dann ins verwirrende abgleitet und einfach fade ist.

    Dass sich wer was gedacht hat bei Namen, oder der Symbolik finde ich zwar cool, aber der Otto-Normal-Kinogeher schaltet wohl sein Hirn nicht ein um so was zu hinterfragen, was wohl mit ein Grund dafür ist, dass „Blade Runner 2049“ am Box Office nicht besonders gut abgeschnitten hat. Man sollte sich halt immer fragen für wen man den Film macht und wenn er für die breite Masse genießbar sein soll, muss man die Sache anders angehen. „Blade Runner“ selbst ist ja auch nicht unbedingt ein Blockbuster gewesen, sondern hat sich nach und nach eine Fangemeinde „erarbeitet“, aber offensichtlich ist diese nicht groß genug, um eine Fortsetzung zu rechtfertigen. Davon abgesehen, dass auch wahrscheinlich keiner dieser Fans wirklich eine Fortsetzung wollte, bzw unbedingt brauchte.

    Der Sound war tatsächlich sehr aufdringlich. Ich mag es nicht, wenn mir die Filmmusik eine Stimmung „aufzwingt“.

    Schauspielerisch waren eigentlich durchwegs alle top.

    Schauwerte hat der Film dank der Regie von Villeneuve reichlich, aber damit die Hälfte des Filmes zu füllen, ist meiner Meinung nach nicht sinnvoll.

    Ebenso wie du, bin ich mir hier mit mir selbst uneins, da der Film so unausgewogen ist.

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