Die Hölle (Filmkritik)

Özge (Violetta Schurawlow) ist Taxifahrerin und hat offensichtlich ein kein allzu tolles Leben. Das mag daran liegen, dass ihre Konfliktlösungskompetenz nur zwei Dinge beinhaltet (schweigen und zuschlagen), aber auch daran, dass ihr Umfeld nicht sehr förderlich ist. Eine Schwester, die herumvögelt obwohl sie verheiratet ist, einen Mui Thai-Trainer der ihr Ex ist und eine Familie, die sie grundsätzlich nicht mag, denn in ihrer Vergangenheit gab es ein paar „Vorkommnisse“ mit ihrem Papa.

Als Özge eines Tages in der Nachbarwohnung einen Mord beobachtet, sieht der Killer sie, aber sie ihn nicht. Die Polizei, allen voran ein gewisser Steiner (Tobias Moretti), ist auch keine große Hilfe. Aber als alle Stricke reißen, muss sich Özge nun doch an ihn wenden, denn die Sache wird rasch persönlich …

Dumme Nuss. Das waren die ersten Worte, welche mir zum Charakter von Özge eingefallen sind. Das waren auch die ersten Worte, welche ein Pärchen, das neben uns das Kino verließ nach dem Film laut gesagt hat. Rundherum zustimmendes Gemurmel. Wir waren danach noch was Trinken und die Leute am Nebentisch kamen offenbar auch aus dem gleichen Film wie wir, denn die Diskussion war heiß – allerdings drehte sie sich nicht darum, ob der Film gut oder schlecht war, sondern darum, welcher Teil des Films der unlogischte und dümmste war. Kein guter Start für eine Filmkritik, oder?

Sagen wir es mal positiv: Wenn es das erklärte Ziel von Stefan Ruzowitzky war, einen Film zu machen, welcher alle Klischees amerikanischer Durchschnittsthriller abdeckt, dann hat er das perfekt geschafft und ich ziehe meinen Hut vor ihm. Wenn er einen Film machen wollte, der wirklich gut ist, dann … naja, das war „Die Hölle“ jetzt eher nicht so unbedingt. Da hilft auch der Hype, der in manchen Zeitschriften gefahren wird, nicht viel.

Denn eigentlich kann man „Die Hölle“ in etwa so beschreiben: „Sieben“ von David Fincher in Wien mit Muslimen ohne Brad Pitt und Morgan Freeman, dafür mit Wiener Slang und mit viel mehr Wackelkamera. Das war es dann grob. Das Beste am Film ist der Charakter von Tobias Moretti, der anfangs ein wenig schrägt wirkt und absolut nicht auf Diversität gepolt ist. Seine Fragen zum Thema „Türken“ und ähnliches sind fast ein wenig provokant und teilweise sogar fast rassistisch – bis man dann entdeckt, wie er die Aussagen eigentlich meint und er im Grunde absolut kein Problem mit irgendwelchen Ethnien hat – er mag nur Idioten nicht. Sympathisch. Letzten Endes sehr sympathisch.

Was man über die Figur von Özge nicht behaupten kann: Die ist einfach eine dumme Nuss, die alles mit den Fäusten regelt (ja, es wird „subtil“ angedeutet, sie wäre als Kind missbraucht worden) oder einfach den Mund hält. Zwei Reaktionen, die sie nun wirklich in keiner(!) Situation großartig weiterbringen. Immerhin ist sie loyal zu ihrer Familie – was den von Robert Palfrader gespielten Schwager zu der großartigen Aussage hinreißt: „Warum sollte ich dich feuern weil du für deine Schwester lügst? Ich hätte dich gefeuert, wenn du es nicht getan hättest“ – zumindest zu ihrer Schwester. Alle anderen können sie mal. Highlight neben Moretti ist übrigens dessen „seniler Vater“ (Friedrich von Thun), um den er sich kümmert und den er pflegt.

Das Hauptproblem ist und bleibt das Drehbuch, denn dieses schwächelt an wichtigen Stellen. Manche Entscheidungen von der Dame sind einfach absolut nicht nachvollziehbar und tatsächlich nur(!) durch Dummheit zu erklären. Beispiel?

  • Sie flüchtet vor einen Killer, der ihren Namen kennt und weiß wie sie aussieht UND der Polizei – dann geht sie mit Hund und Kind im Park spazieren?
  • dann spricht sie (wie überraschend …) ein Polizist an und sie schlägt ihm ins Gesicht?
  • Sex mit Steiner? Warum? Weil er mit dem Kind freundlich umgeht? Echt jetzt?

Dieser Film hat mich emotional extrem berührt – insofern als ich mich danach tatsächlich absolut über diese Frechheit von Drehbuch ärgern musste.

Weitere Beispiele gefällig?

Die Polizei hält dem Verdächtigen ein Videotelefon vor die Nase, damit dieser ja sehen kann, dass die Person am anderen Ende der Leitung die Zeugin ist. Der Flüchtende flieht natürlich die Hauptstraße entlang und dort fährt just genau zu diesem Moment die Özge mit dem Auto vorbei und sieht ihn. Özge verfolgt ihn in der Straßenbahn und schlägt ihn nieder, die anderen Gäste halten sie aber auf – wie wäre es, wenn sie mal rufen würde, dass der Kerl ein Killer ist und sie DEN festhalten sollen – die Leute in Wien sind ja keine Idioten. Oder nach der Schlägerei, was macht sie? Sie fährt entspannt wieder heim als wäre nix gewesen.

Also ernsthaft – „Die Hölle“ war wirklich die Hölle zum Ansehen. Von völlig unnötiger Brutalität am Anfang, die keinerlei storytechnischen Auftrag hat und nur um ihrer selbst Willen existiert, begonnen, bis hin zu einem sinnfreien Drehbuch war das echt ein Reinfall. Technisch und Co sicher super, aber das macht halt noch keinen guten Film, sondern eine Technik-Demo.

„Die Hölle“ bekommt von mir 3,5 von 10 möglichen, tatsächlich die Hölle darstellende, Punkte (Leute, die einfach einen hirnlosen Actionfilm sehen wollen und die oben erwähnte Mägenl nicht ärgern, schlagen 3 Punkte drauf).

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