The Witch (Filmkritik)

Im Jahre des Herrn 1630 wird eine Familie in New England aus dem Dorf ins Exil geschickt. Der Vater William (Ralph Ineson) ist zu fromm und hält den Menschen vor, sie würden die falschen Gospeln verbreiten. Allein mit seiner Frau und den fünf Kindern versuchen sie durch Anbau und Tierhaltung am Waldrand zurecht zu kommen.

Leider wohnt im Wald eine Hexe. Glauben sie zumindest. Denn als Thomasin (Anya Taylor-Joy) auf ihr Baby-Geschwisterchen aufpasst, reicht eine Sekunde Unachtsamkeit und das Baby ist weg. Das Kleinkind ist nirgends zu finden und die Kinder werden angehalten sich vom Wald fernzuhalten. Niemand glaubt wirklich an eine Hexe, aber immer mehr ungewöhnliche Dinge passieren und schon fängt die Familie an sich gegenseitig mit Argusaugen zu beobachten.

Außerdem stirbt das Korn und um das Überleben der Familie zu sichern geht William immer mehr Risiken ein, was zu Lügen und Betrug innerhalb der kleinen Gemeinschaft führt und alsbald mischen sich Anspannung, Angst und Aberglaube zu einer tödlichen Kombination …

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Robert Eggers. Der Mann, der das Drehbuch zu „The Witch – ein neuenglisches Volksmärchen“ geschrieben und auch Regie geführt hat. Ein düsterer Film. Ein verdammt düsterer Film. Auch wenn er in Farbe gedreht wurde, so wirkt er stimmungsmäßig über weite Strecken wie ein Schwarz-Weiß-Film. Farblos, leer, hoffnungslos. Wie das Schicksal der Familie. Starker Tobak. Verdammt starker Tobak.

In den ersten Minuten des Films sieht man wie sich eine Hexe mit einem Messer über ein Baby beugt und kurz darauf schmiert sie sich mit dessen Innereien ein. Verdammt. Starker. Tobak. Ich war kurz davor abzuschalten, denn Gewalt gegen Babies … das geht für mich gar nicht, nicht mal im Film. Der Film hatte mich zu diesem Zeitpunkt aber bereits so weit in seinem Bann, dass ich dennoch weiter zugesehen habe. Mit Vorbehalt. Und ich mochte ihn nicht. Ich fand ihn streckenweise langatmig. Zu gestreckt. Außerdem extrem unangenehm. Und trotzdem bin ich drangeblieben, weil er eine verdammt starke morbide Faszination auslöst. Was widerum für den Film spricht, denn ich glaube, genau das war die Absicht. Einen wirklich unangenehmen, nahe gehenden Film zu drehen.

Das ist definitiv gelungen.

Viele Dialoge wurden aus alten Dokumenten übernommen und sind 1:1 aus dieser Epoche. Das merkt man, denn streckenweise ist es anstrengend zuzuhören. Dabei zuzusehen ist faszinierend. Der Vater, der langsam seine Nerven verliert. Die Mutter, welche Thomasin als Feindbild – die eigene Tochter! – auserkoren hat. Zwei kleine Geschwister, die beide vielleicht vom Teufel besessen sind oder auch nicht und ihre Schwester hineinreiten wollen. Oder Thomasin ist wirklich eine Hexe und will ihre kleinen Geschwister um die Ecke bringen.

Es ist schwer zu sagen, welche Person man wirklich mag, weil sie alle tatsächlich irre sind und die Paranoia so hochkocht, dass irgendwann alle gegen alle vorgehen und irgendwann wird jede/r des Daseins als Hexe beschuldigt. Was William dazu bringt seine Nerven endgültig wegzuwerfen und er alles nur noch schlimmer macht, denn – Tatsache: Er hat die Lage schon lange nicht mehr im Griff, versucht dies aber wo es geht zu verheimlichen und streut so nur noch mehr Misstrauen. Die Thematik der Hexe, der fanatische Katholizismus und das trostlose Setting um 1630 passen perfekt zusammen.

Am Ende ist dann wieder alles ganz anders, denn – und das ist kein Spoiler, weil es im Trailer ist – es gibt eine Hexe. Die scheint auch teilweise die Tiere am Hof zu beeinflussen. Oder umgekehrt. Immerhin schafft es der Film eine absolut schaurige, schlimme, düstere und bedeutungsschwangere Atmosphäre aufzubauen. Sogar der Anblick eines Kaninchens ist da schon extrem gruselig.

Das absolute Highlight ist dann aber dennoch das Finale. Das sind ein paar richtige Schläge in die Magengrube drin und eine der letzten Szenen – ein Zwiegespräch bei welchem nur das Gesicht von Thomasin im Bild ist – das ist zu 100 Prozent Gänsehaut. Absolut großartig und unglaublich intensiv. Flüstern, das unter die Haut geht. Eine Mimik, die dennoch mehr sagt als alle Worte. Und ein Buch, welches der Anfang oder das Ende sein kann.

Ich behaupte nicht, dass „The Witch“ ein guter Film ist. Ich kann auch nicht sagen, er hätte mir besonders gut gefallen. In erster Linie fand ich ihn anfangs einfach nur abstossend (aus dem oben erwähnten Grund). Aber – und das ist ein großes Aber: Ich war so gefesselt, dass ich ihn mir bis zum Ende angesehen habe. Am hellichten Tage. Ich konnte nicht aufhören. Mein Herzklopfen hat mich wohl verraten, denn gerade dieses eine letzte Gespräch … puh, sag ich nur. Puh. Anya Taylor-Joy spielt hervorragend, genauso wie Ralph Ineson – allein die Stimme dieses Mannes: Wow. Einfach Wow.

Ein langsamer, intensiver, durchdringender und zutiefst unangenehmer Film. Der damit genau das erreicht, was er (vermutlich) erreichen will und absolut unter die Haut geht. Ich kann es nur wiederholen: Ein wirklich unangenehmer Film. Die vielen Verweise auf Jesus, auf den Herrn, den Retter und die vielen religiösen Monologe werden wohl viele abschrecken oder verstören und das Ende … hm, das ist sicher auch nicht jedermanns/jederfraus Sache. Dennoch:

„The Witch: Ein Volksmärchen aus Neuengland“ bekommt von mir 8 von 10 möglichen, langsame, subtile und grausame, Punkte.

PS: Die beste Beschreibung der Stimmung steht im Trailer: „Es fühlt sich an, als würde man etwas sehen, was man nicht sehen sollte.“

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