Tales From The Borderlands (Game-Review)

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Rhys hat gute Laune. Wie könnte er auch anders? Der Hyperion-Mitarbeiter steht kurz vor einer Beförderung und das Leben ist gut. Auch sein Kumpel Vaughn ist fröhlich, immerhin hat er gemeinsam mit Rhys hart daran gearbeitet. Aber dann kommt alles anders. Ryhs wird nicht befördert, sondern degradiert und das kann er nicht auf sich sitzen lassen. Also gibt es nur eines: Rache. Die besteht darin einen Deal seines Vorgesetzten zu vereiteln, ihm einen Vault-Key abknöpfen und damit großes Geld machen.

Und hier kommen Fiona und ihre Schwester ins Spiel, denn die beiden sind die VerkäuferInnen des Vault-Key. Das Dumme an der Sache ist nur, dass der Vault-Key, nun, etwas brüchig ist, und durch viele ungute Zwischenfälle geht der Deal den Bach runter und alle gemeinsam werden von Hyperion, Banditen und vielen anderen Leuten gejagt.

Aber Rhys wäre nicht Ryhs, wenn er keinen (irren, unrealistischen und leicht arroganten) Plan hätte. Und Fiona wäre nicht Fiona, wenn sie nicht ebenfalls einen (irren, unrealistischen und leicht arroganten) Plan hätte. Der allerdings nicht ganz zu dem von Ryhs passt.

Aber so spielt das Leben auf Pandora – ob man will oder nicht. Wenn der Feind meines Feindes mein Feind ist, dann ist der Freund meines Freundes mein Onkel. Oder so. Oder auch gar nicht. Oder vielleicht ist es auch völlig egal, dann im Grunde geht es ja ohnehin nur darum irgendwie zu überleben …

Vorhang auf für die gesamte Staffel von Telltales „Tales From The Borderlands“. Ich war skeptisch. Obwohl ich großer Fan von Borderlands, Borderlands 2, dem Pre-Sequel und allen DLCs (ja, die sind super) bin, ist es doch eher ungewöhnlich aus dem Ego-Shooter mit Rollenspiel-Anteilen, der sehr viel darauf baut, dass sich die Sammelsucht bei den Spieler/innen ausbreitet, ein Comic-Adventure zu machen, das zu 80% auf Dialog-Optionen und zu 20% aus Quick-Time-Events besteht und mit Sammeln genau NICHTS zu tun hat.

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Zugegeben, dass ich großer Fan von TellTale bin ist wohl unumstritten. Ihre Spiele sind zwar weniger Spiele als interaktive Geschichten (die zwar einen Hauch von Mitspracherecht vermitteln, diese aber dann wenig bis selten ausspielen), aber dank der großartigen Charaktere und der immer sehr gelungenen Inszenierung hatte ich bis dato immer meinen Spaß. Ob es sich nun um „The Walking Dead – Staffel 1„, „The Walking Dead – Staffel 2“ oder „The Wolf Among Us“ handelt … ich wurde immer super unterhalten. Auch wenn mir die „echten“ Adventures der Truppe (zB alle drei Sam & Max Staffeln, vor allem Staffel drei) weit mehr Spaß gemacht haben, weil da noch mehr Spiel drin war.

„Sam & Max“ sind auch gleich ein gutes Stichwort, denn der Anarcho-Humor der beiden „freischaffenden Polizisten“ schlägt in die gleiche Kerbe wie der Humor der Borderlands-Reihe. Unvergessen die großartige Tiny Tina (der Welt tödlichste 13jährige) oder Marcus, der Waffenhändler (No Refunds!) oder Torque, der Waffenhersteller (Explosions!) und weitere tolle und schräge Typen. Das ist auch genau der Punkt, an welchem TellTale Games in Zusammenarbeit mit Gearbox (Hersteller von Borderlands) ansetzt. Der Humor und die schräge Welt.

Das erste Mal in der TellTale-Geschichte spielt man nämlich zwei Charaktere und die beiden könnten charakterlich unterschiedlicher nicht sein – denken sie zumindest, denn im Grunde genommen sind sie sich sehr ähnlich, auch wenn sie das nie zugeben würden, denn sie mögen sich auch nicht besonders, sind aber leider aufeinander angewiesen. Spielerisch macht der Wechsel zwischen den beiden keinen Unterschied – einzig, dass Ryhs ein Robo-Auge hat und Dinge scannen kann, während Fiona Geld in ihrem Inventar ablegen und dieses hin und wieder benutzen (oder auch nicht) kann. Beides Dinge, die sich hin und wieder auf die Story auswirken.

Diese beginnt als „Sting“ (also ein abgedrehter Deal, tatsächlich aber Betrug), wird aber schnell zu einem Wettlauf gegen die Zeit, weil sich viele Parteien von den beiden betrogen fühlen und es eigentlich immer wieder jemanden gibt, der den beiden und allen ihren Partnern und PartnerInnen ans Leder will. Das führt von einer witzigen und schrägen Action-Sequenz zur nächsten und es gibt eigentlich keine Sekunde in welcher nicht gerade irgendetwas Schräges passiert oder irgendjemand irgendjemand anderem eine verbale Breitseite entgegenschleudert.

Telltale hat hier wahrlich ganze Arbeit geleistet. Sobald nach zehn Minunten die Handlung auf Pandora verlegt wird, geht die Post ab und bleibt eigentlich – mit gelegentlichen Verschaufpausen – die ganze Zeit über in Fahrt. Selbst in den ruhigen Momenten (sprich actionlosen) gibt es immer irgendetwas Witziges, seien es die Scans, die Ryhs mit seinem Roboterauge durchführen kann (und die genau wie die Erklärungstexte in Borderlands von Sarkasmus und Ironie triefen), bis hin zu Kommentaren der anderen Charaktere. Wer hätte gedacht, dass ein Loader-Bot mein Lieblingscharakter in einem Borderlands-Spiel werden kann – die sind in der Shooterreihe zum größten Teil charakterloses Kanonenfutter. Wer die Shooter-Reihe kennt, wird die Bots nie wieder mit gleichen Augen sehen.

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Ich gehe jetzt nicht weiter auf die einzelnen Episoden ein, muss aber anmerken, dass – anders als bei anderen Spiele-Staffeln dieses Herstellers – „Tales From The Borderlands“ mich die ganze Zeit über bei der Stange gehalten hat und nie(!) langweilig wurde oder gestreckt wirkte. Auch die ganzen Zusammenhänge und Zwischenfälle während der Episoden wirken nie an den Haaren herbeigezogen (auch wenn manche tatsächlich sehr, sehr skurril sind), sondern passen einfach in diese irre Welt. Allein die „Landung“ von Ryhs und Vaughn auf Pandora und deren erster Kontakt mit den Einwohnern ist schon mal grandios geworden. Neueinsteiger, die mit „Borderlands“ nichts am Hut haben, aber schrägen Humor mögen: Ihr könnt bedenkenlos zugreifen. Auch wenn es viele Cameo-Auftritte bekannter Charaktere gibt, so sind diese immer so inszeniert, dass man auch als Nicht-Eingeweihter versteht, was Sache ist.

Auch klassische „Die haben aber jetzt nicht wirklich diesen Charakter sterben lassen, oder?“-Momente kommen vor und ich gebe zu, dass ich gegen Ende doch halbwegs gerührt war. Allerdings werden all diese dramatischen und emotionalen Dinge von den DrehbuchschreiberInnen wunderbar abgefangen, weil wieder irgendjemand eine doofe Wortmeldung in den Raum wirft, die aber auch immer perfekt zur Szene passt (zum Beispiel wird gegen Ende eine Person von einem Artefakt geheilt und dazu in die Höhe gehoben. Als die Heilung vollendet ist klatscht sie zu Boden und verletzt sich dadurch wieder, was diese Person zur verärgerten Frage „Why would it heal me at first and then do THAT!?“ veranlasst).

Zum Gelingen dieser Art von Humor müssen natürlich die SynchronsprecherInnen der Figuren ihres dazu beitragen und die sind bei „Tales From The Borderlands“ (wie überhaupt bei allen Telltale Spielen) perfekt gecastet. Keine einzige Person ist irgendwie unpassend besetzt oder betont irgendetwas falsch. Wirklich, wirklich grandiose Arbeit.

Einziger kleiner Wermutstropfen, mit dem man bei Telltale-Spielen aber leben muss, ist, dass die Entscheidungen im Spiel nur wenig Auswirkungen haben und sich in diesem Fall nur dadurch äußern, dass man ab einem gewissen Punkt auswählen kann, mit welchen Personen man weiterspielt. Das verändert das WIE der Handlung (wie bei allen Telltale-Spielen) aber nicht das WAS. Im Gegenzug zu manchen KritikerInnen gefiel mir auch, dass die wichtigen Entscheidungen, wer ab diesem Punkt dabei sein kann und wer nicht, in den vorigen Episoden keine Warnhinweise oder irgendwelche Andeutungen enthalten, sondern ich am Ende vor dem Bildschirm saß und mir dachte: Okay, wenn ich DAS gewusst hätte. Aber ganz ehrlich: Ich fand es super, denn so entscheidet man tatsächlich nach Sympathie und Emotion und nicht nach taktischem Kalkül, denn „Tales From The Borderlands“ ist vor allem eines: Eine geballte Ladung Emotion, Irrsinn, Action und – Pandora.

Wer auf abgedrehten Humor, sympathische Verlierer, Trickbetrüger und große Emotionen, schräge Vögel, sowie abartige Bestien steht (und als Bonus die wohl besten Intro-Vorspänne (Musik, Inszenierung) von Episodenspielen sehen möchte) kommt um „Tales From The Borderlands“ wohl nicht herum. Der Comic-Look der Vorlage wird dazu auch noch super eingefangen und sieht – Ehrenwort – großartig aus.

Einziges Manko: Das Schicksal eines Charakters (wird gefangen genommen und taucht dann am Ende plötzlich wieder auf) ist insofern nicht völlig klar, weil dieser Teil der Handlung (das Verhör dieser Person) durch das Spiel „The Pre-Sequel“ erzählt wird. Schade. Da ich das Pre-Sequel erst danach begonnen habe, hat mich deren plötzliches und unerklärtes erneutes Auftauchen (oder ich habe es überlesen) ein wenig irritiert. Das hätte man besser hinbekommen können.

„Tales From The Borderlands“ bekommt von mir 9 von 10 möglichen, den Humor und die Welt von Pandora zu 100% perfekt in ein anderes Genre übertragende, Punkte.

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