Eine fast einjährige Verzögerung als schlechtes Zeichen sehen oder doch eher als Chance, ein Game zu optimieren? Den Titel zunächst wieder vergessen und sich beim Release dann positiv überraschen lassen oder doch lieber eine von Vorfreude geprägte Erwartungshaltung aufbauen, die dann unmöglich erfüllt werden kann? Schon im Vorfeld haben die Evolution Studios mit ihrem PS4 exklusiven Rennspiel „Driveclub“, das zunächst als Launchtitel der Konsole für Dezember 2013 vorgesehen war, für einigen Wirbel und Gesprächsstoff unter Gamern gesorgt. Im Grunde erwartet auf Grund der langen Entwicklungszeit, nun jeder ein (nahezu) perfektes Spiel.
Dass dies eine eher unfaire Ausgangslage für den Titel ist, ist ziemlich offensichtlich. Was dann aber zu verwunderten Gesichtern führen kann, hat mit diesen Emotionen nichts zu tun, sondern kann mit Hilfe von nüchternen Fakten beschrieben werden. Zunächst mal zu fehlenden Features, die meiner Meinung nach zu einem Arcade-Racer gehören, der es mit physikalischen Gesetzen nicht so genau nimmt und der sich als spaßige Alternative zu den eher realistischen Gran Turismo Teilen platzieren möchte. Der Schwierigkeitsgrad ist nämlich nicht verstellbar, es gibt keine Fahrhilfe-Optionen, keine Möglichkeit zurück zu spulen, auch eine angegebene Ideallinie mit Bremspunkten sucht man vergeblich.
Dann wäre da die nervige künstliche Intelligenz der Computer-Gegner, die scheinbar mit der sogenannten Gummiband-Methode vorgehen. Kommt man mit seinem Fahrzeug zum Beispiel bei einem Überholmanöver von der Straße ab, sorgt das Hängenbleiben an einer Streckenbegrenzung für eine ungewollte Drehung. Die Konkurrenten rasen vorbei, das Rennen scheint gelaufen. Kurze Zeit später ist der Abstand jedoch wieder so gering, dass ein Platz unter den ersten fünf eine sicher Sache ist. Haben die gewartet, weil sie so nett sind? Eine feine Sache für Anfänger, doch wer eine echte Herausforderung sucht, der möchte eher nicht so billig davon kommen.
Im weiteren Verlauf steigt dann der Schwierigkeitsgrad und die andere Seite des KI-Problems wird sichtbar. Angekommen bei den Driftbewerben – neben den Standard-Rennen und den Time Trials einer der drei Rennmodi – sorgen die Gegner dann wieder für mögliche Frustmomente, da sie sich in nahezu unverwüstlicher Weise an die Ideallinie halten, menschliche Spieler so auf die Seite rammen oder erst gar keine Chance geben, wieder Anschluss zu finden. Im weiteren Verlauf fällt auch auf, dass sich selbst nach einer fehlerlosen Fahrt, der Abstand zu den anderen Autos nie wirklich vergrößert, die Kerle kleben förmlich an der eigenen Heckscheibe.
Wer seinen daraus resultierenden möglichen Wutausbrüchen dann durch zu heftige Rammstöße freien Lauf lässt, der wird mit einem dreisekündigen Leistungsverlust in Form einer ordentlichen Abbremsung bestraft. Aus einem allzu starken Abkürzen von Kurven durch effiziente „Hochgeschwindigkeits-Schneide-Manöver“ bei 250km/h, wird so schnell ein verlangsamter 70km/h Spaß, denn auch das ist nicht erlaubt und wird geahndet. Und wer sich aus welchem Grund auch immer außerhalb der Strecke befindet, der bekommt einen 2-Sekunden-Timer zu sehen, der den Spieler auffordert, schnell wieder auf den Asphalt zurück zu kehren. Was passiert sonst? Hat da wer Zeitstrafe gesagt?
Der Karrieremodus ist geradlinig, dabei fällt die Aufgabenvielfalt auf, wobei aktuelle Ziele immer schön sichtbar am linken Bildrand eingeblendet werden. Das Erfahrungspunktemodell weiß zu überzeugen, wobei neue Herausforderungen durch vorherige Erfolge freigeschaltet werden, was des öfteren einige Neustarts erfordert, bis die Ideallinie dem Spieler in Fleisch und Blut übergegangen ist, da nur so ein Sieg möglich wird. In den meisten Fällen stehen für bestimmte Events fünf bis sechs Fahrzeuge zur Verfügung, wobei ein paar von ihnen vorläufig wegen mangelnder Erfahrung noch nicht auswählbar sind. Circa 50 Autos, von Limousinen, über Sportwagen bis hin zu offenen Rennautos, können so durch Fahrkönnen für diverse Rennen erspielt werden.
Auch wenn es nicht ganz das Zeug zum Referenztitel hat, grafisch kann „Driveclub“ dann doch überzeugen, da es mit einer 1080p-Auflösung und konstanten 30 Bildern pro Sekunde läuft. Die Umgebungen bei den Panorama-Rennstrecken sind wunderschön, ebenso erfreuen Sprinkleranlagen am Streckenrand oder vom Wind verblasene Taschentücher, das detailverliebte Auge. Nett sind auch die Spiegelungen, die durch die sechs wählbaren Innen- und Außenperspektiven bei den Autos zu Stande kommen. Die Online-Features, mit all den Clubs und dem spartanisch wirkenden sozialen Interaktionssystem, haben derzeit noch mit massiven Serverproblemen von Sony zu kämpfen, bieten jedoch auf Grund der unberechenbaren menschlichen Gegner den größten Spaß, den man derzeit bei diesem Spiel haben kann.
Insgesamt daher kein schlechtes Spiel, aber auch keines, dass durch seine starke Persönlichkeit aus der Masse ähnlich gelagerter Rennspiele herausstechen kann. Da Tuning oder Leistungs-Upgrades nicht vorhanden sind und der Fuhrpark für Sammler bei weitem nicht groß genug ist, ist das Game am Besten entweder für Zwischendurch-Spieler geeignet, so als kleiner Spaß in einer Arbeitspause, oder für Online-Freunde, die sich durch die Dynamik ihres Clubs mitreißen lassen. In jedem Fall für PS4 Besitzer und Rennspiel-Fans, auch mangels einer Alternative, klar einen Blick wert. Mal sehen, was zukünftige (Gratis)Downloads noch so alles an nicht nur optischen Verbesserungen (Wettereffekte!) bringen werden.
„Driveclub“ bekommt von mir 7,5/10 den Spielspaß in entscheidenden Momenten etwas ausbremsende Empfehlungspunkte.
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