Der Mann der niemals lebte – Body of Lies (Filmkritik)

Moral, Loyalität und Integrität sind schon lange keine Werte des Westens mehr. Nun soll der junge Feldagent Roger Ferris (Leonardo DiCaprio) im Irak und in Jordanien den Al-Qaida-Führer Al-Saleem (Alon Abutbul) zur Strecke bringen. Seine Befehle erhält er von dem konservativen Hardliner und Bürohengst par exellence Ed Hoffman (Russell Crowe), der die Operation via Satellit aus seinem Wohnzimmer dirigiert. Bis Ferris aus Liebe zu der schönen Araberin Aisha (Golshifteh Farahani) auf eigene Faust handelt und sich und Aisha in größere Probleme bringt, als er sich in seinen schlimmsten Alpträumen ausgemalt hatte.

body of lies

Die Verfilmung des Bestsellers von David Ignatius, gestaltete Ridley Scott nach altem und gewohnt guten Rezept. Ein Blick auf die Welt wie sie ist – ohne schönreden, sondern mit teilweise beißendem Zynismus. Er zeigt uns eine realistische Darstellung, wie der Krieg gegen die Terroristen in der Wirklichkeit abläuft – wie die Jagd nach Wind. Doch politisch angehauchtes Kino hat es seit jeher schwer, ein Massenpublikum anzusprechen. Diese harte Lektion musste hier auch Ridley Scott lernen. Der Filmemacher überzeugt qualitativ mit seinem exzellent inszenierten Polit-Actionthriller, scheiterte in den USA aber an den Kinokassen trotz der grandiosen Besetzung.

Scotts Filme sehen immer exzellent aus. Das ist freilich kein Geheimnis und trifft auf jeden Fall auch auf „Der Mann, der niemals lebte“ zu. Nach einem sehr actionlastigen Beginn drosselt Scott im Mittelteil die Geschwindigkeit, um Ferris‘ Arbeit und die angestrebte Infiltration so detailgetreu wie möglich zu zeigen. Gerade die Folterszenen sind nichts für zarte Gemüter. Technische Gimmicks wie die fiebernden Bilder der Überwachungssatelliten, die Ferris‘ Aktionen bis in die CIA-Zentrale nach Langley tragen, sind bei Scott in den richtigen Händen, auch wenn diese Motive für das Genre nichts wirklich Neues mehr sind. Die Geschichte selbst bleibt dabei fiktiv, orientiert sich aber an der Realität und zeigt, wie sehr die USA trotz aller Bemühungen doch oft im Dunkeln tappen, weil sie fremde Kulturen einfach nicht verstehen können bzw. wollen.

Man weiß, sie sind da – aber sie sind ihren Verfolgern immer ein Stück weit voraus und so ungreifbar. Da werden Informationen so lange manipuliert, bis keiner – ob Gut oder Böse – noch weiß was echt und/oder nicht echt ist. Scott holte sich mit seinen beiden Hauptdarstellern einige der obersten Riege von Hollywood an Board. DiCaprio hat sich schon längst von seinem Bubi/Weichei-Image, dass ihm dank „Titanic“ aufs Auge gedrückt wurde, gelöst und fühlt sich inzwischen in so ziemlich jedem Genre zu Hause, sei es der einsamen Kämpfer in „The Departed“, oder ein größenwahnsinniger Broker in „The Wolf of Wall Street„, oder ein sadistischer Plantagen-Besitzer in „Django Unchained

Crowe (Robin Hood) hinkt da mit seiner Leistung deutlich der von DiCaprio hinterher. Denn ihm wird nicht wirklich Gelegenheit dazu gegeben, sein Talent zu zeigen. In den meisten Szenen ist er am Telefon zu sehen, wie er von den USA aus die Einsätze plant und begleitet. Ähnlich wie in Insider hat sich Crowe für die Rolle des zynischen CIA-Offiziers einiges an Gewicht angefuttert, eventuell hat er sich die Rolle ja genau deswegen ausgesucht. Er ist völlig rücksichtslos, wenn es darum geht, Menschenleben auszulöschen. Außerdem pfeift er auf Verbündete, wenn sie seinem eigenen Erfolg nicht förderlich sind. Ein absolutes Arschloch eben.

Für mich eine Neuentdeckung beim ersten Mal sehen war Mark Strong (Stardust), ein Engländer mit italienischem Vater und einer österreichischen Mutter, der als das Oberhaupt des jordanischen Geheimdienstes die Strippen zieht und dabei solche Würde und Charisma an den Tag legt, dass man schlicht weg begeistert ist.

Der zweite Co-Star Golshifteh Farahani (Half Moon) führt zum zweiten Schwachpunkt des Films. Die Iranerin wird als Love Interest von DiCaprio in die Geschichte eingebunden, was dessen Charakterzeichnung aber leider nicht gut tut. Dass Ferris, für den es jeden Tag um Leben oder Tod geht, ohne Rücksicht auf Konsequenzen versucht, eine Affäre mit einer Araberin zu beginnen, ist schlicht unglaubwürdig.

Am Ende gibt der Islamistenführer eine düstere – weil wahre – Prognose für die Zukunft ab:
„Es wird auf der Welt immer genug Armut und Verzweiflung geben, um Märtyrer zu erschaffen.“

Dieser Film bekommt von mir 7,5/10 politisch ambitionierten Punkten.


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