Betrachten wir die Sache realistisch, dann haben Star-Lord und seine Crew aus Außenseitern tatsächlich ein Problem. Genau genommen sogar mehrere. Die Lösung scheint leicht, simpel und vielleicht ein klein wenig gefährlich. Man reist in die verbotene Zone, fängt dort ein Monster ein und verkauft es an Lady Hellbender, denn die sammelt seltene und gemeine Viecher. Was nicht nach Plan läuft: Irgendein komisches Wesen wird während ihrem Beutezug freigesetzt, aber hey – was kümmert das die Rasselbande. Man hat ja andere Sorgen.
Und die vervielfachen sich rasch. Zum einen wird die Truppe vom Nova-Corps aufgeschnappt, da sie sich eben in einer verbotenen Zone rumgetrieben haben. Zum anderen ist die Kommandantin des Schiffs eine ehemalig verflossene von Star-Lord, neben der er im letzten Krieg gegen die Chitauri gekämpft hat. Und sie hat eine Tochter, die in etwa so alt ist, wie … wie … oh. Nun, vielleicht ist er auch … Vater?
Aber diese Frage muss warten, denn ein weiterer Typ wurde in der verbotenen Zone aufgeschnappt und just als Star-Lord und Co abgeführt werden, geht aus unerklärlichen Gründen, dessen Raumschiff in die Luft und es wird heikel.
Zuerst sieht es so aus, als würde man mit einem blauen Auge davonkommen und „nur“ eine Strafe zahlen müssen, in einer Höhe, die … man sich niemals leisten kann. Als wär das nicht Problem genug, stellen die Guardians bald darauf fest, dass das „Ding“, welches sie in der verbotenen Zone freigesetzt haben, vielleicht doch nicht ganz so harmlos war, wie sie dachten, denn nach und nach greift ein Virus im Universum um sich, der alle befällt und sie zu Jüngern eines neuen Kults macht. Und dieser macht keine Gefangenen … oder besser: Doch. Macht er. Und zwar alle im Universum.
Wie bei so vielen anderen tauchten die „Guardians Of The Galaxy“ erst auf meinem (Bild)Schirm (im wortwörtlichen Sinn) auf, als die der erste Film von James Gunn in die Kinos kam und ich war begeistert, was das für schräge Figuren, Situationen und überhaupt was das für ein schräges Universum ist. Und ja, ich habe mich ein wenig in den Klug*******r Rocket und seinen besten Freund Groot verguckt (wer nicht?). Der Rest der Crew war da, war nett, aber das Zugpferd für mich waren diese beiden und ihre Dynamik miteinander.
Natürlich habe ich dann gehört, dass es ein Telltale-Spiel zu den Guardians gibt (nie gespielt) und auch das neue Solo-Adventure-Action-Game habe ich mitbekommen, aber irgendwie hat mich das lange nicht interessiert. Dann habe ich es unlängst in einem Sale gesehen und dachte mir, naja, so schlecht wird es schon nicht sein.
Und tja, was soll ich sagen? Nein, so schlecht ist es nicht. Ganz im Gegenteil. Es ist eines witzigsten und trotzdem ernsten und emotionalsten Spiele, die ich seit langer Zeit gespielt habe. Das liegt zwar an mehreren Faktoren, aber in erster Linie daran, wie verdammt großartig die Figuren geschrieben sind und wie viel Platz man allen Charakteren einräumt.
Der Anfang in der verbotenen Zone war fast ein bisschen zu viel für mich. Ich war überrascht, wie viel die Truppe zu sagen hat. Eigentlich redet immer, und ich meine wirklich immmer, jemand. Mal über dies, mal über das. Dann kommentieren sie die Umgebung, dann sprechen sie über Dinge, die vor einiger Zeit passiert sind. Die meiste Zeit jedoch – gerade am Anfang – machen sie sich übereinander lustig. Speziell Rocket zieht oft und gerne über Star-Lord her. Oder Drax nennt Gamora nicht beim Namen, sondern nennt sie immer nur die „Verräterin“, weil er der Meinung ist, dass sie ihnen irgendwann in den Rücken fallen wird.
Und ich gebe zu, das war unerwartet und anfangs sogar ein bisschen zu viel des Guten und anstrengend. Die Story lässt sich auch Zeit, also ist der Einstieg ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Dass die Figuren (bis auf Rocket und Groot) ihren Film-Gegenstücken jetzt nicht wirklich ähnlich sehen hat mich tatsächlich nicht gestört. Ich finde die Optik im Spiel um Welten besser, wie ich gestehen muss. Und die Synchronsprecher:innen sind top! Die Stimmen passen perfekt zu den jeweiligen Charakteren und sie liefern eine grandiose Arbeit ab, wirklich. Das kann sich richtig gut hören lassen (im englischen Original).
Kurzer Sidestep zu einem nicht unwesentlichen Element: Gameplay. Das ist, wenn man es runterbricht, wirklich repetitiv. Man hat kleinere Scharmützel gegen mal kleinere, mehreren oder größere und weniger oder ganz große Feinde. Man steuert nur Star-Lord, kann aber die anderen Guardians Spezialattacken durchführen lassen und nach eine Weile funktioniert das recht gut. Jede Figur kann bis zu vier Spezialattacken freischalten und jede davon hat ihre Vor- und Nachteile. Dazu kommt, dasss Peters (Star-Lord) im Laufe der Zeit weitere Fähigkeiten lernt (Feuerschuß, Eisschuß, Stromschuss und quasi „Wind“), die für immer wieder mal kleinere Umgebungsrätsel genutzt werden. Auch die anderen Guardians darf man immer wieder mal für kurze Rästeleinlagen beschäftigen. So kann Rocket hacken und durch kleine Öffnungen kriechen, Drax hebt schwere Dinge wie nix und trägt sie woanders hin oder er haut Löcher in Wände, Gamora säbelt sich durch sperrige Kabel oder klettert mit ihrem Schwert an Oberflöchen hoch, wo sonst niemand hinkommt und Groot lässt Wurzel wachsen als Brücke oder teilweise als Lift.
Mehr isses nicht. Den Rest rennt ihr herum, führt Gespräche, entscheidet euch hier und da für etwas (in Dialogen oder im Tun) und erkundet die Umgebung und kämpft halt (und ja, der eine oder andere Bossfight zieht sich ein bisschen hin).
So weit, so Standard. Was dieses Spiel aber aus der Masse heraushebt, ist der Umgang der Drehbuchautoren bzw. Skriptschreiber mit den Figuren und die optische Umsetzung der Grafiker:innen. Hier ist nichts, ich wiederhole, nichts im Spiel, was nicht aus oder mit Liebe gemacht wurde. Da werden kurze Mini-Szenen optisch großartig mit vielen Details versehen, da gibt es Szenen, in denen man nur von A nach B geht, aber rundherum tobt das Leben oder man kann sich an Details nicht sattsehen. Kurz: Es ist atomsphärisch einfach ein Hammer. Von A bis Z. Das hört bis zum Ende nicht nicht auf.
Dazu kommt, dass es offensichtlich ist, dass es hier um ein Singleplayer-Storyspiel geht, denn alles ordnet sich der Story unter. Da gibt es ganze Abschnitte, die nur dazu dienen, einen Charakter näher kennenzulernen, damit der spätere emotionale Tusch auch richtig sitzt. Die Zeit nimmt man sich als Entwicklungsstudio nicht, wenn es einem egal ist. Und das merkt man auch, je länger man Zeit mit der Story verbringt, denn einerseits ist es unglaublich, wie rasch die Dinge dann, wenn sie erst einmal richtig schiefgehen, dann richtig schiefgehen und wie organisch sich das alles anfühlt. Man hat nicht das Gefühl, als würde man von Plot-Point zu Plot-Point hüpfen, sondern als würde man wirklich den Entscheidungen folgen, welche die Figuren treffen würden und sehen, was halt dann passiert.
Klar hat man schon eine Weile vor den Jungs (und dem Mädchen) eine Ahnung, was lost ist, aber das passt einfach zu den Figuren. In manchen Dialogen merkt man schon, dass die Jungs (und das Mädchen) auch wissen, was Sache ist, aber sie wollen es nicht wahrhaben, reißen Witze oder bringen völlig absurde Erklärungen für gerade gesehen oder erlebte Dinge vor, in der Hoffnung, einfach mit ihrer Vermutung falsch zu liegen. Und jeder Charakter macht eine Entwicklung durch. Dinge, die man anfangs lustig findet, wiegen später viel und kehren als zentrales Element zurück.
Ich will nicht spoilern, aber ich sage mal so: Wenn ihr mit einem Teammitglied so umgeht als wäre er oder sie kein Lebewesen bzw. seine/ihre Meinung nicht respektiert, dann werdet ihr das später merken. Und auch sofort merken, denn die Beschwerden kommren rasch und hören auch so bald nicht wieder auf. Aber später dann … dann ist es eine andere Ebene, als zB diese Figur vorschlägt, als Rettung genau das zu machen, was am Anfang eine Lawine an Problemen in der Beziehung zu ihr ausgelöst hat, worauf eine andere Figur (die hauptsächlich involviert war) meint, das könne und würde sie nicht machen, denn er/sie sein schließlich ein Wesen mit Herz und Hirn und überhaupt würde man seine Freunde so nicht behandeln. Da hatte ich Tränen in den Augen.
Generell hat jedes Mitglied der Guardians einen oder mehrere Auftritte im Rampenlicht, die einerseits cool sind und andererseits einfach wirklich emotional packen. Und ich meine alle Mitglieder (ja, sogar Groot).
Kurzfassung: Spielt dieses Spiel, wenn ihr euch nur irgendwie für Singleplayer-Story-Spiele begeistern könnt. Danke mir später.
„Guardians Of the Galaxy“ bekommt von mir 9 von 10 möglichen, mit unglaublich viel Liebe umgesetzte, Punkte.
PS: Ja, meine Bildauswahl ist suboptimal, da es hier viele Blautöne gibt. Tatsächlich ist das Spiel absolut farbenfroh und bunt.