Vor der Morgenröte (Filmkritik)

Stefan Zweig (Stefan Hader) kann es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren sein Land vor die Hunde gehen zu sehen. Deshalb nimmt der Schriftsteller Abschied, schreibt weiter seine Bücher und versucht Fliehende aus seiner Heimat wegzuschaffen. Aber sein Einfluss reicht nicht sehr weit und er ist der festen Meinung, dass er den Morgen nach dieser geschichtlichen Nacht nicht mehr erleben wird.

Es ist schon schwer. Meist kommt es ja auf die Stimmung an, ob man einen Film gerade passend findet und sehen mag, oder ob man eher unmotiviert ist, sich darauf einzulassen. Diverse Diskussionen (aktuell: „Alien: Covenant“ – fand ich gut; „Ghost In The Shell 2017“ – fand ich austauschbar, „London has fallen“ – fand ich peinlich) auch unter mir und meinen Kolleg*innen zeigen immer wieder, dass Filmgeschmack halt wirklich was Subjektives ist.

Da kann man Stunden um Stunden diskutieren und Dinge aufzeigen, die man schlecht findet oder super findet und das Gegenüber kann das zur Kenntnis nehmen, aber wirklich überzeugen kann (und sollte man auch nicht wollen) man niemand. Man kann nur darlegen, was man gut/schlecht fand und hoffen, dass das Gegenüber das nachvollziehen kann. Und das Resultat ist meistens gleich: Geschmäcker sind verschieden. Oft verstehe ich die Ansichten der anderen (sind ja meistens gute Gründe), aber manchmal, manchmal verstehe ich sie auch überhaupt nicht.

„Vor der Morgenröte“ ist so ein Film.

„Großartiger Film“, „Josef Hader spielt brillant“ oder „Ein Juwel von einem Film“ stand überall zu lesen. „Fein“, dachte ich mir. „Sehe ich mir den Film halt an. Hader hat eh schon lang nichts mehr außer sich selbst gespielt.“ Und dann begann der Kampf. Der Kampf mit dem „Aus“-Knopf des Blu-Ray-Players. Denn „Vor der Morgenröte“ hat in meinen Augen nur eine einzige Zielgruppe: Leute, die mehr über das Leben von Stefan Zweig wissen wollen. Und deshalb fünf oder sechs lange, sehr lange, Dialogsequenzen durchhalten möchten/müssen.

In diesen Sequenzen ist außer der Aussagen von Zweig „Ich bin zerrissen!“ nichts von dem inneren Kampf in ihm zu spüren. Da spricht er mit diversen anderen Personen über diverse andere Dinge und auch über die Politik, die Nazis und über den Krieg in Europa und dann ist der Film zu Ende.

Ich verkürze jetzt, klar, aber wir haben ab Minute 20 damit gekämpft abzuschalten. Und am Ende waren wir uns einig: Wir hätten abschalten sollen, weil am Ende des Films waren wir halbwegs ernüchtert. Langatmig. Langweilig. Ohne neue Erkenntnisse. Gar keine neuen Erkenntnisse. Abgesehen davon vielleicht, dass die Kamera nicht viel bewegt werden muss, um tolle Perspektiven einzufangen.

Die letzte Szene zum Beispiel ist wunderbar gefilmt: Eine einzige Kameraposition, die aber durch eine schwingende Spiegeltür diverse Perspektiven erlaubt – super Idee, super umgesetzt. Aber abgesehen davon war der Film in erster Linie eines: Langweilig.

Es gibt keine wirkliche Dramaturgie, welche die losen Szenen zusammenhält, außer, dass eben Zweig darin vorkommt. Und Hader, der den alten Grantler super spielen kann, bringt für mich keinen Satz zusammen, den ich ihm glauben würde. Ich gestehe offiziell nicht zu wissen, ob Zweig so gesprochen hat wie Hader hier oder ob er sich so bewegt hat. Ich weiß es wirklich nicht.

Was ich aber weiß, ist, dass ich keine Zeile glaubwürdig fand. Und selbst wenn Zweig so gesprochen hat: Schön für ihn. Macht die Sache aber nicht besser.

„Vor der Morgenröte“ war für mich ein wirklicher Reinfall. Langatmig, langweilig und unterwältigend. Dabei hätte man gerade Zweigs Leben mitreissend und spannend inszenieren können. Pseudo-intellektueller-Arthouse made in/with Austria. Schade.

„Vor der Morgenröte“ bekommt von mir 3 von 10 möglichen (einen davon für die letzte Kameraperspektive), langwierig und unspannende, Punkte.

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