Assassin’s Creed Mirage (Game-Review)

Basim ist ein Straßenkind, er lebt mit anderen Waisen zusammen, ist mehr oder weniger der „Große“ unter ihnen und gemeinsam mit seiner getreuen Freundin Nehal, kümmert er sich um die Truppe. Aber Basim will mehr. Er will zu den „Hidden Ones“ gehören, eine Organisation, die im Schatten lebt und dem Lichte dient. Im Zuge einer Mission passiert dann ein großes Unglück und Basim muss fliehen, entkommt nur knapp mit dem Leben.

Die „Hidden Ones“ lesen ihn auf, peppeln ihn auf und unterrichten ihn als einen der Ihren. Jahre später kehrt er nach Baghdad zurück, um herauszufinden, warum der „Orden der Ältesten“ sich hier niedergelassen hat und muss feststellen, dass alles mit einem alten Artefakt zu tun hat, dass er damals – bevor die Katastrophe begann – angefasst und aktiviert hat.

Und als wäre das nicht genug, wird er in seinen Träumen von einem Djinni heimgesucht, der bei jedem Attentat immer näher und immer weiter in die Realität überzugreifen scheint …

Die Ausgangslage war gut, die Idee ebenfalls und die Story eigentlich schon vorgeschrieben. „Assassin’s Creed Mirage“ hätte ein astreiner Hit werden können, wenn man einfach nur das gemacht hätte, was man angekündigt hat: Die Vorgeschichte des Charakters Basim, den viele wohl aus dem „Vorgänger“ Valhalla kennen, zu erzählen.

Alle die diesen gespielt haben, wissen ja, was mit Basim passiert, wer er ist und dass Ubisoft ihn als die neue Hauptfigur etabliert haben. Da hat es sich ja mehr oder weniger angeboten, ihm ein eigenes Spinn-Off zu gönnen. Angekündigt bzw. angedacht als DLC für „Valhalla“ hat man sich dann zum Glück entschieden einen eigenen Serieneintrag daraus zu machen.

„Zum Glück“ deshalb, weil bei „Mirage“ wieder viel von dem Ballast, der durch „Origins„, „Odyssey“ und „Valhalla“ angehäuft wurde, über Bord geworfen wurde.

Zum einen besinnt man sich auf eine viel kleinere Map und eine viel persönlichere Geschichte und damit auch auf eine viel, viel kürzere Spielzeit. Tatsächlich habe ich „Mirage“ in knapp 20 Stunden (ein bisschen drüber) durchgespielt und dabei auch viele der Nebenquests erledigt. Kein Vergleich zu den vorigen drei Einträgen der Franchise.

Das bedeutet, in „Mirage“ hat man nur eine große Stadt in welcher man sich austoben kann – nämlich Baghdad. Und die sieht großartig aus, wenn auch farblich ob der Geographie und Zeit in der wir uns befinden vielleicht ein bisschen viel gelb/braun/sandig. Aber da gewöhnt man sich rasch dran und wenn man erst näher hinsieht, dann fällt auch rasch auf, wie viel Liebe in diese Spielwiese geflossen ist. Die Stadt sieht fantastisch aus.

Ja, es gibt ein paar kleinere Gebiete im Umland, aber der Kern des Abenteuers spielt in der Stadt. Dort gibt es mehrere Distrike und jeweils ein Büro der Assassinen und natürlich auch ein paar Mitglieder des „Bösen Ordens“, die man nach und nach eliminieren muss. In welcher Reihenfolge bleibt einem selbst überlassen. In letzter Konsequenz kommt man aber natürlich immer zum gleichen Ziel, denn „Mirage“ ist (wie zu erwarten) völlig linear in seiner Story.

Die Story … nun, dazu kommen wir später.

Was vom Gameplay her nach ein wenig Eingewöhnung wieder ordentlich Spaß macht und funktioniert ist der Parcours. Das Laufen durch die Stadt, das Herumturnen auf Dächern und die Attentate. Es gibt ein paar neue/alte Werkzeuge und drei Skilltrees, die Fähigkeiten freischalten, die durchaus Sinn haben, aber nicht bahnbrechend sind. Werkzeuge wie Blasrohr und Rauchbomben schaltet man auch nach und nach und in gewünschter Reihenfolge frei, aber vieles vom Fortschritt ist tatsächlich mit Story-Momenten verknüpft. Das passt gut, so ist Basmin eigentlich nie überstark und die Herausforderung bleibt die meiste Zeit konstant.

Wer bei dem Wort „Herauforderung“ lachen musste – ja, ich stimme zu. „Assassin’s Creed“ war nie eine schwere Reihe und ist es auch jetzt nicht. Dazu kommt noch ein neue Fähigkeit, die Basim ermöglicht (je nachdem wie stark aufgeladen) bis zu fünf Zielpersonen gleichzeitig ohne Möglichkeit zur Gegenwehr aus dem Weg zu räumen. Das macht manche Stellen schon fast zu einfach, aber hey – wem es zu leicht ist, der oder die verzichtet halt darauf.

Also das Gameplay ist wieder Stealth und Assassine, kein Brawler und Dauerkampfactionsimulator, wie es die Wikinger teilweise waren. Fand ich gut und es hat mir gefallen wieder mal Hinweise auf Personen zu sammeln, sie auszuhorchen, über Dächer zu schleichen und versteckt zuzuschlagen. Vor allem gibt es jetzt bei wichtigen Zielen eine kurze Zusammenfassung über deren Taten und dann „Assassination Boxes“. Das bedeutet, man muss die Zielperson ausschalten und hat im Regelfall mehrere Wege bis zu ihr durchzudringen. Klingt allerdings spannender als es dann ist. Ich meine, wir haben hier keine Spielwiese á la Hitman. Es bleibt „Assassin’s Creed“.

Also hier – läuft alles, funktioniert alles. Bei mir hat die Nostalgie zu früher sicher insofern positiv gewirkt, als dass es ein wenig „nach Hause kommen“ war.

Dann zur Story: Die sollte eigentlich das Kernstück des Spiels sein. Gefühlsmäßig haben Ubisoft das in meiner Welt allerdings verbockt. Dabei ist es meines Erachtens doch tatsächlich relativ simpel gewesen. Die Idee mit dem Djinni und so weiter – das hatte alles Potential. Nur macht man nicht viel daraus. Der Einstieg, wie es zu dem Unglück kommt, was dann passiert und wie Basim bei den Assassinen landet – das ist emotional, rockt und reißt mit.

Und dann wird man gefühlt das halbe Spiel lang von A nach B nach C gejagt, um Personen zu töten, die böse sind und die alle ganz, ganz böse Namen haben, aber eigentlich nie wirklich hängen bleiben, weil sie für das Spiel keine Bedeutung haben, sondern nur ein Weg sind, um die „großen“ Bösewichter ein wenig länger hinter dem Vorhang zu halten.

Denn auch nur diese bekommen Videosequenzen spendiert und auch nur bei diesen taucht der Djinni auf. Und das kann – je nachdem wie ihr spielt und in welcher Reihenfolge – ganz lange dauern. Irgendwann hatte ich sogar vergessen, dass der Djinni Teil der Story war. Bis es dann gegen Ende plötzlich wieder richtig wichtig wird. Und dann wird die Sache aufgelöst und – Puff. Spiel zu Ende. Auch ein Konflikt mit einer wichtigen Person ist meiner Ansicht völlig verschenkt worden. Und die Erkenntis, dass Nehal … nun, ich sage mal so: Wer das nicht nach einem Viertel der Spielzeit kommen gesehen hat, der oder die soll zum symbolischen Augenarzt.

Ich kann es nur wiederholen: Es wäre so einfach gewesen. Und sie haben es vergeigt. Die Videosequenzen, welche die Story erzählen sind richtig cool gemacht. Grafisch toll, super geschnitten und cool gemacht. Aber das was sie erzählen ist halt meistens ziemlich platt und außerdem meistens pseudo-kryptisch. Das führt sogar dazu, dass Menschen die „Valhalla“ nicht gespielt haben, am Ende im Grunde genommen keinen Deut mehr wissen als am Anfang. Wie kann man das denn machen? Da gibt es keine Erklärung? Keine Einführung? Kein „Closure“ für die ganze Sache? Das wird einfach so hingeworfen, abgehakt und fertig damit. Auch Nebenfiguren, die stark eingeführt werden (Ali oder Beshi) werden dann so nebenbei aus der Geschichte geschrieben und jene, die eigentlich so aufgebaut werden, als würde da noch groß was kommen: Nix. Die kommen nur mehr als Erwähnung in einem Dialog vor. Schade. Schade. Schade.

Nein, damit hat sich Ubisoft keinen Gefallen getan. Man erfährt in „Mirage“ (kleiner Spoiler) nicht mal, wer die Person war, die hinter dem Djinni gesteckt ist bzw. um wessen Erinnerungen es sich eigentlich handelt, geschweige denn, warum das wichtig ist. Oder die Tatsache, dass es die ISU (nach Assassin’s Creed Lore) gegeben hat und wer die waren und wie das alles überhaupt sein kann … nichts davon wird wirklich angesprochen. Leute, das hat am Ende von „Assassin’s Creed II“ schon besser funktioniert und das ist … ziemlich alt.

Schade, Ubisoft. „Mirage“ hätte ein richtiges Juwel werden können, aber so … nun, so erkennt man gerade an der Geschichte, die man erzählt und der Tatsache, wie unvollständig sie eigentlich erzählt wird, dass es halt doch „nur“ ein aufgeblasener DLC ist für „Valhalla“ war. Ein schöner, unterhaltsamer, in seinen Spielmechaniken gut funktionierender DLC, der sich endlich wieder auf das wesentliche (Assassinen!) konzentriert, aber von der Story her so richtig schwächelt. Die Tatsache, dass es Leute gibt, die „Mirage“ auch spielen könnten, ohne „Valhalla“ zu kennen (oder: noch nie ein Assassin’s Creed zuvor gespielt haben), scheint niemand zu interessieren. Das bedeutet halt auch, dass die eigentlich am Papier bestehenden emotionalen Höhepunkte keine sind. Ich wiederhole: Schade. Schade. Schade.

„Assassin’s Creed Mirage“ bekommt von mir 6,5 von 10 möglichen, leider weit hinter den gewecketen Erwartungen zurückbleibende, Punkte.


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