Kill Bill Vol. 1 (Filmkritik)

Die Braut (Uma Thurman) erwacht aus einem vierjährigen Koma. Im Krankenhaus. Ihr Kind, dass Sie noch im Brauch trug, als sie „ins Koma gefallen“ ist, ist weg. Der Grund für ihren langen, unfreiwilligen Schlaf liegt an einer Kugel im Kopf, die ihr Bill (David Carradine) verpasst hat. Er ist der Boss der kriminellen Bande, der sie einst angehörte.

Nachdem sie sich so gut es geht wieder in Form gebracht hat, ist es Zeit für Rache, denn es ist klar, dass die Bande für das bezahlen muss, was sie ihr angetan haben. Aber alles ist vier Jahre her, die Bande in die Winde zerstreut und keiner scheint zu wissen, wo genau sich eigentlich Bill aufhält. Also macht sich die Braut auf den Weg, eine(n) nach dem/der anderen zu finden und so Stück für Stück näher an Bill heranzukommen …

Man kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass „Kill Bill“ das Meisterwerk in Quentin Tarantinos („Django Unchained„, „The Hateful Eight„) Filmkarriere darstellt. Selbst wenn andere Filme wegmutiger und cooler waren („Pulp Fiction„), bessere Charaktere und generell eine bessere Story hatten („Reservoir Dogs“), so ist es dieser Film hier, der sich anfühlt, als ob der Mann das erste Mal quasi von der Leine gelassen wurde. Und das zeigt sich meines Erachtens daran, dass er davor und danach nie wieder so einen wilden Mix erzeugt hat, der dennoch über die gesamte Laufzeit absolut stimmig geraten ist (auch wenn Volume 2 in manchen Belangen klar abfällt) und es schafft irgendwie die gesamte Zeit über so verdammt … cool zu sein.

Das fängt bereits bei der ersten Szene an. Die Braut besucht Vernita Green (Vivica A. Fox), die Teil der Bande war und die sich mittlerweile als Mutter einer Tochter zur Ruhe gesetzt hat, in ihrem Haus. Und dort gehen die beiden aufeinander los. Mit allem, was halt so herumliegt. Das Haus in Scherben, die beiden stehen sich blutend gegenüber, als draußen der Schulbus hält, ein junges Mädchen aussteigt, ins Haus kommt und die beiden Kämpferinnen, die beide ihre Waffen verstecken, völlig sprachlos anstarrt. Vernita sagt ihrer Tochter, dass die Braut eine alte Freundin von ihr ist und sie solle bitte auf ihr Zimmer gehen. Das macht die Kleine. Dann kämpfen die beiden und – kleiner Spoiler – Vernita verliert und wird von der Braut getötet. Vor den Augen ihrer Tochter, wie sie bemerkt, als sie sich umdreht. Das lakonische Kommentar: „Wenn du mich in ein paar Jahren noch immmer dafür hasst, dann komm mich finden. Ich warte.“ Und sie geht.

Und diese Szene ist der Inbegriff des Films. Erstens ist sie optisch super umgesetzt. Die Kamera, die Bildkomposition – stimmig, actionreich und immer so, dass man den Überblick behält. Dann der Moment als der Bus anhält. Da stehen beide vor dem Wohnzimmerfenster in Kampfhaltung und zwischen den beiden, durch das Fenster sieht man den Bus anhalten. Die Blicke von der Braut und Vernita, die unausgesprochene Frage „Ist das deine Tochter?“ und die gleiche Reaktion – nämlich das Verstecken der Waffen vor dem Kind, ohne ein Wort darüber reden zu müssen -, dann ein kurzes Danke und weiter geht es. Das ist ein Einstieg, der alles über den folgenden Film verrät, was es zu sagen gibt.

Cool. Stilsicher. Actionreich. Knapp und auf den Punkt gebrachte Dialoge. „Show, don’t tell“. Absurde Situationen. Brutal. Direkt. Und mit absolut passender Musik unterlegt. Schauspielerische Leistung(en): 1A.

Das beschreibt in Summe den gesamten Film. Sicher, wenn man darüber nachdenkt, dann ist die Handlung hauchdünn, das kann sicher niemand abstreiten. Aber „Kill Bill Voluöme 1“ ist die Definition von „Stil über Substanz“. Und das macht er quasi perfekt. So viele ikonische Szenen in einem Film hat man selten. Ob es nun der Kampf bzw. die Begegnung in der ersten Szene ist, die Szene im Krankenhaus, die Erklärung, wie sie zu ihrem Schwert kam, der Kampf im Schnee, der Anime-Einschub, der die Hintergrundgeschichte einer Figur erklärt, die nicht chronologische Erzählweise und das unbestrittene Action-Hightlight gegen Ende (chronologisch eigentlich am Anfang) sind einfach mittlerweile ikonische Szenen.

Ja, die Einflüsse sind klar zu erkennen und aus diesen hat Tarantino auch keinen Hehl gemacht (ich sage nur: Motorradanzug und Bruce Lee), aber die Mischung hier wirkte 2003, als der Film in die Kinos kam, dennoch so unglaublich frech und frisch, dass zumindest ich mit offenen Mund da saß und völlig sprachlos war, was da alles passierte. In gewisser Weise ist „Kill Bill Volume 1“ ein Film gewordenes Computerspiel, welches allerdings nicht langweilig wird. Und das ist das für mich faszinierende an dem Film: Er wird nicht langweilig. Mir wird ja bei einem Übermaß an Action schnell mal fad, aber hier – da ist sogar die Action in sich abwechslungsreich. Die Farbänderungen während der Kämpfe auf schwarz-weiß, dann auf einmal ein Schattenspiel – das ist stilsicher, cool und wunderbar abwechslungsreich.

Dass die Schauspieler:innenriege 1A ist, bleibt ebenfalls unbestritten. Uma Thurman, David Carradine, Vivica A. Fox, Lucy Liu, Darly Hannah, Michael Madsen … alles Namen, die man damals kannte und denen Großes prophezeit wurde (oder die schon groß gewesen sind). Okay, nicht alle diese Prophezeiungen sind eingetroffen, aber das Potential war da. Und auch wenn „Volume 2“ meiner Ansicht nach stark nachgelassen hat (viel Fokus auf viel Dialoge und davon viele zu lang geraten), so ist dieser Doppelpack einfach filmischer Kult.

Und das ganze ist auch 2023 noch so richtig cool und stilsicher und hat es seit den 20 Jahren seiner Veröffentlichung in dieser Form auch nie wieder gegeben.

„Kill Bill Volume 1“ bekommt von mir 9 von 10 möglichen, Brutalität und Blut als Stilmittel und das in einer absoluten Top-Inszenierung bis heute absolut unterhaltsame, Punkte.


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