Die Känguru-Chroniken (Filmkritik)

Marc-Uwe Kling (Dimitrij Schaad) ist (Klein)Künstler und davon lebt er. Oder besser: Er lebt mehr oder weniger in den Tag hinein. Das ändert sich, als in der Wohnung gegenüber ein Känguru „einzieht“, welches starke kommunistische Tendenzen hat. Es dauert nicht lange und das Känguru wohnt bei ihm.

Relativ zeitgleich plant der Großindustrielle Jörg Dwigs (Henry Hübchen) die Sozialwohnungen der Stadt abzureißen und einen Dwigs-Tower zu bauen. Weil: Ego und so.

Das können Marc-Uwe, das Känguru und deren Außenseiter-Freunde natürlich nicht zulassen …

Es hat ja so kommen müssen. Die Känguru-Bücher sind verfilmt worden. Oder zumindest das erste Buch. Wer sie nicht kennt: Die mittlerweile vier Bücher von Marc-Uwe Kling, die von seinem Leben mit dem sprechenden und kommunitischen Känguru erzählen, sind Bestseller (auch wenn ich anmerken muss, dass die einzige richtige Art und Weise das Känguru kennenzulernen, die Hörbücher sind). Und es war ja wohl klar, dass diese mal ihren Weg auf die Leinwand oder die TV-Schirme finden würden (siehe das Ende von „Die Känguru-Apokryphen“).

Randnotiz: Wer die (Hör)Bücher kennt und mag, der oder die muss wohl aus dem eher linken Eck der politischen Szene kommen, denn die Bücher sind ziemlich Kapitalismus-kritisch und es gibt viele Stellen, die klar gegen rechte und ausländerfeindliche Tendenzen sind. Für Linke witzig, für Rechte vermutlich weniger. Aber genau deswegen mag ich zB das Känguru ja, weil es einfach ziemlich geradeaus (wenn auch hin und wieder sehr verkopft und intellektuell) sagt, was Sache ist und nichts verschleiert. Eine meine Lieblingsszenen ist, als es Marc-Uwe bittet, ihm es aus „dem lustigen Buch“ vorzulesen. Dieses lustige Buch ist das Referenzwerk von John Smith (kennt ihr alle: „Die Freie Hand Des Marktes“ und so weiter). Das in einen Film, der ja per Definition ein visuelles Werk ist, zu packen, hab ich mir schwer vorgestellt.

Und tja, was soll ich sagen: Wer wirklich gute, fundierte, witzig geschriebene und wunderbar vorgelesene humorvolle Bücher mag, der oder die sollte mal reinhören (bzw. lesen). Im Grunde ist es Sozialkritik in Anekdoten verpackt, die mal witzig sind und bei denen einem manchmal das Lachen im Hals stecken bleibt.

Wie dem auch sei: Der Film (mittlerweile gibt es einen zweiten) ist einfach nicht gut adaptiert.

Wobei: Die Effekte (also das Känguru) sehen fantastisch aus. Und es gibt auch immer wieder Szenen die witzig und okay sind, aber in Summe zieht fast keiner der Witze und der Aufbau ebendieser, genauso wie die Art und Weise wie die Schauspieler:innen sie bringen … funktioniert für mich nicht. Dazu gehört auch, dass ich die Rollen irgendwie seltsam finde. Sie passen für mich nicht zu den Figuren aus dem Buch und selbst wenn ich das Buch nicht kennen würde, dann wären sie einfach zu platt und tatsächlich charakterlos. So zum Beispiel die beiden Türken Friedrich Wilhelm und Otto Von (deren Eltern es mit der Integration übertrieben haben) sind im Buch ein Traum. Im Film sind sie auch nett, aber nicht irgendwie besonders. Schauspielerisch gibt es nicht viel zu meckern, aber auch nicht viel zu loben. Alles solide, Gastauftritte (Helge Schneider) inklusive.

Einzig Rosalie Thomass als Maria hinterlässt Eindruck, auch weil sie eine Powerfrau ist, weniger als spezieller Charakter, sondern einfach aufgrund ihrer Ausstrahlung. Dimitrij Schaad bemüht sich, aber wie oft kann man sich den „freundlichen Loser“ im Bademantel noch ansehen? Den „Dude“ gibt es bereits, wozu sollte den jemand kopieren? Abgesehen davon, dass es auch als Hommage nicht funktioniert.

Sicher, viele Witze und Dialoge sind aus dem Buch, aber in einem anderen Kontext und die „Klassiker“ wirkten für mich einfach … gezwungen. Manche Aussagen fühlen sich wie Fremdkörper an, die man halt im Film hat, weil sie im Buch gut angekommen sind, aber das sind keine Aussagen, die jetzt von den Charakteren kommen und teilweise passen sie auch nicht zu dem, wie die Figuren im Film vorgestellt werden. Auch der Charakter des Kängurus ist nicht der aus dem Buch. Aus dem schlagfertigen, fast dauergrantigen Beuteltier, welches doch immer irgendwie den Kapitalismus ausnutzen will, um über die Runden zu kommen, ist ein kleines Slapstick-Tier geworden, welches zwar die Dialoge seines Bruders im Geister sagt, aber … nun, wie gesagt: Ich finde es funktioniert nicht. Oder zumindest: Wenn es funktioniert, dann auf einer viel, viel, viel seichteren Ebene. Ein bisschen so, als hätte man sich dem Massenmarkt angebiedert (was ich nicht verstehe, wenn das Franchise (kann man glaub ich schon so nennen) ohnehin schon so bekannt ist und ein riesige Zielgruppe hat).

Dass die Story diesen Namen nicht verdient und quasi nur ein Alibi für Zitate aus dem Buch darstellt, kann ich ja verkraften, aber dass diese dann so platt und unwitzig rübergebracht werden, nun, das ist halt wirklich schade.

Vielleicht hätte es geholfen wenn man nicht Marc-Uwe Kling (also den Urheber) das Drehbuch hätte schreiben lassen. Vielleicht hätte er jemand gebraucht, der im erklärt, wie Spannungsaufbau im Film funktioniert oder wie man Figuren für einen Film einführt. Das funktioniert auf 90 Minuten audiovisuelles Erlebnis halt anders als in Büchern oder in Hörstücken. Die Regie hat zwar jemand anderer übernommen (Dani Levy), aber auch der kann nicht viel retten. Was ich schade finde.

Was soll ich sagen? Es ist ein harmloser Kinderfilm (die Bücher sind absolut nicht für Kinder) bei dem der Autor das Drehbuch geschrieben hat. Beim zweiten Film („Die Känguru-Verschwörung“ – Kritik folgt noch) hat er sogar das Regieruder übernommen. Für mich klingt das einfach so, als hätte man sich dem Urheber beim Drehbuch nicht widersprochen getraut und das hier ist, was dabei rauskam. Schade. Da wäre ein Kultfilm drin gewesen. Rausgekommen ist ein zahmer Film, der sich sicher in Romanform gut für den Ullstein-Buchpreis eigenen würde. Kategorie: Buch mit sprechendem Tier.

„Die Känguru Chroniken“ bekommen von mir 5,5 von 10 möglichen, leider seiner Vorlage nicht gerecht werdende Punkte.


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