The Boys – Staffel 1 (Serienkritik)

Hughie (Jack Quaid) ist überglücklich mit seiner Freundin Robin, denn diese eröffnet ihm gerade, dass sie endlich mit ihm zusammenziehen will. Genau in diesem Moment wird sie in einer Blutfontäne zerfetzt und er hält nur noch ihre beiden Hände. Völlig entsetzt und perplex blinzelt er, sieht sich schockiert um und sieht A-Train (Jessie T. Usher), einen der Superhelden vom Überdrüber-Team „The Seven“, der entsetzt zurückblick, kurz flucht – und dann weiterläuft wie ein Blitz. Der Typ ist einfach durch sie durchgerannt.

Einige Zeit später: Hughie kämpft noch immer mit dem Schock. Die Firma Vought, welche die Superhelden unter Vertrag hat, hat ihm eine Schmerzensgeldzahlung angeboten. In den Medien wird behauptet, Robin wäre ohne links und rechts zu sehen auf die Straße getreten und die Sache war ein bedauerlicher Unfall, aber eigentlich war Robin ja selbst Schuld.

Hughie weiß, dass das nicht stimmt. Die beiden standen einfach ruhig da. Sie wollten sich gerade küssen. Man hat sie von weitem gesehen. Er will die Sache nicht auf sich beruhen lassen, aber was kann ein Angestellter in einem Elektrofachgeschäft schon tun gegen eine übermächtige Firma und Superhelden.

Da tritt auf einmal William Butcher (Karl Urban) auf den Plan. Er sei vom FBI und sein Job wäre es, genau diese Superhelden zu kontrollieren und ihre „Unfälle“ aufzuklopfen. Er brauche die Hilfe von Hughie, denn sowas komme öfter vor als man denkt und es würde immer alles unter den Tisch gekehrt. Hughie zögert. Aber natürlich nimmt er das Angebot an und sein Leben ändert sich drastisch.

Ich habe ja schon lange von „The Boys“ gehört. Also nicht von der Serie, sondern von der Comic-Serie, auch welcher die Adaption beruht. Allerdings hat sie mich nie genug interessiert, als dass ich irgendwann mal eines der Comics gelesen habe. Irgendwie fand ich die Mischung aus Gewalt und Sex dermaßen „drüber“, dass ich mich nicht recht damit anfreunden konnte, auch wenn ich die Idee an sich gut fand. Eine Persiflage auf die Superhelden und ein fiktiver Blick darauf, wie sich sowas in unserer Kapitalist:innen-Welt abspielen würde. Cooler Einfall. Aber wie gesagt: Es gibt nur eine bestimmte Menge an (Tier-)Sex inklusive diverser Abartigkeiten und Gewaltexzessen, die ich in meiner Comic-Sammlung haben möchte. „The Boys“ passte für mich einfach nie rein.

Als ich dann gelesen habe, dass in Staffel 3 Jensen Ackles mitspielt und er meinte, dass „Supernatural“ die „PG-13“-Version dessen sei, was der Erfinder Eric Kripke im Kopf gehabt habe, die „Boys“ aber seien, was in Kripkes Kopf vorgehe, kombiniert mit den Möglichkeiten, welche das „Pay-TV“ biete, nun – da war mein Interesse geweckt. Ich bin zwar kein Fanboy von „Supernatural“, aber ehrlich: Ich fand die Serie und die Charaktere allesamt super und finde, dass sie zurecht so viele Staffeln bekommen hat.

Also gut, dachte ich. Ich gucke dann mal rein.

Und – tja, was soll ich sagen: Man kommt wegen der Sozialkritik, dem Irrsinn und den abartigen Ideen und irgendwann bleibt man wegen der Figuren. Staffel 1 ist zwar auch schon abgefahren, aber was in späteren Staffeln so los ist – da ist Staffel 1 harmlos.

Aber noch kurz zu den Figuren, die in Staffel 1 eben nach und nach eingeführt werden: Da ist zuerst Hughie, der „Normalo“, der eigentlich nur Gerechtigkeit will. Dann William Butcher, der das Gleiche will, aber egal um welchen Preis. Die beiden holen sich gezwungermaßen Verstärkung in Form von Frenchie (Tomer Capone) und MM (Laz Alonso). Wie sich herausstellt haben die Kerle schon früher gemeinsam gearbeitet. Und je mehr man die Figuren kennenlernt, desto sympathischer werden sie einem. Außer vielleicht William Butcher. Der zeigt zwar oft Anwandlungen von Einsicht, bleibt aber zum größten Teil ein A****loch. Das Team ist super. Abgedreht. Kaputt. Aber super. Vor allem in Kombination sind sie ein Traum.

Die andere Seite stellen die „Superheld:innen“ und die Mitarbeiter:innen von Vought dar. Allen voran Homelander (Anthony Starr), der im Grunde Superman mit einem Gott-Komplex ist und der von allen geliebt werden will. Dann Queen Maeve (Dominique McElligott), die früher helfen und die Welt retten wollte, mittlerweile aber resigniert hat und mit „das Geschäft zuerst“ vorlieb nimmt. Dann gibt es A-Train, der eben der schnellste Mensch der Welt sein will und den Ruhm liebt. Dann noch Black Noir (Nathan Mitchell) – stummer Auftragskiller mit diversen Traumata. Und The Deep (Chase Crawford). Ein Typ der mit Fischen und Meerestieren reden kann. Und deshalb einen Minderwertigkeitskomplex hat, weil ihn niemand ernst nimmt.
Und Starlight (Erin Moriarty), die als neues Teammitglied schon immer davon geträumt hat, Superheldin zu werden und Menschen zu helfen.

Und noch ganz viele andere Figuren mehr. Offen gestanden, merke ich erst jetzt beim Aufschreiben, wie viele das sind und wie viele bereits in der ersten Staffel vorkommen. Also großes Lob an die Macher:innen, den man kann der Serie, der Geschichte und allen Figuren wirklich gut folgen. Zumal sich in allen weiteren Staffeln die Hintergrundgeschichten von wirklich ziemlich allen Figuren immer mehr erweitern und so nach und nach wirklich komplexe und ernstzunehmende Charaktere daraus werden. Das hatte ich so nicht kommen gesehen.

Staffel 1 ist in erster Linie die Geschichte von Hughie und Starlight bzw. Annie. Die beiden neuen (er bei den Boys, sie bei The Seven), die sich erst in ihre neue Situation eingewöhnen müssen und lange Zeit nicht wissen, was sie davon halten sollen, bzw. ziemlich rasch davon desillusioniert werden. Gerade im Fall von Annie auf wirklich heftige Art und Weise.

Es wäre einfach gewesen, die Serie mit viel Provokation zu füllen und auf Sex und Gewalt zu setzen. Und ja, das tut man auch. Was man aber auch tut, ist Charaktere zu entwicklen, die einem nicht egal sind, von denen man mehr wissen will und der Anteil an Blut und Brutalität ist weit weniger drastisch und schlimm als ich erwartet hatte. Was auch daran liegt, dass man die Bildsprache der Comics in harmlosere (nicht zu verwechseln mit harmlos per se) Szenen übersetzt hat. Und den Raum, den man dadurch geschaffen hat, nutzt man um Figuren zu etablieren, die man vielleicht nicht mag, aber an denen es durchaus Seiten gibt, die man verstehen und nachempfinden kann.

Alles in allem kann ich nur sagen, ist Staffel 1 ein wirklich großartiger Einstieg in dieses Universum und nach der letzten Folge will man wirklich wissen, wie das jetzt weitergeht. Der Irrsinn ist hier Teil der Geschichte und jeder brutale oder andere Akt dient den Figuren und sagt etwas über sie aus oder verändert sie. Damit hatte ich echt nicht gerechnet. Gerade ein Charakter wie Frenchie, der sich mittlerweile zu sowas wie meinem Liebling entwickelt hat.

Ich muss hier wirklich eine Lanze für Kripke brechen, der es geschafft hat, diesen Wahnsinn in eine Form und Methode zu bringen, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Und die Kritik an der Mediengestaltung, dem Superheldenmythos, dem Kapitalismus – das fließt alles ohne Zeigefinger ineinander (und wird den weiteren Staffeln noch besser).

Hut ab vor allen Beteiligten. Weiter so! Wer mit glorreichen Superhelden nichts mehr anzufangen weiß und vor Sex und Gewalt keine Scheu hat, zumal sie in eine spannende, coole Rahmenhandlung eingebettet ist, der oder die muss hier unbedingt reingucken. Und die schauspielerischen Leistungen (allen voran Anthony Starr) sind ein Hammer!

„The Boys – Staffel 1“ bekommt von mir 8 von 10 möglichen, den Irrsinn startende, Punkte.


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