Ion Fury (Game-Review)

Shelley „Bombshell“ Harrison hat einen schlechten Tag. Eigentlich will sie einfach nur ein Feierabendbier trinken, als die Hölle losbricht. Dr. Heskel lässt seine Androiden/Cyborg-Armee auf die Welt los und natürlich hat Shelley damit ein Problem. Denn immerhin ist sie die Leiterin der GDF (Global Defense Force) und deren Job ist es nunmal, die Welt vor genau solchen Dingen zu schützen. Dumm nur, dass ausgerechnet das Hauptquartier der GDF das erste Ziel von Heskels Anschlag war.

Das bedeutet also, dass Shelley entweder nach Kaugummi suchen oder alternativ jemand in den Arsch treten muss. Und Kaugummi ist rar in Zukunft. Ärsche in die man treten kann? Nun, da haben sich gerade ein paar freiwillig gemeldet …

Wer Screenshots von „Ion Fury“ sieht, der oder die wird sich wohl denken, das sei ein Spiel aus den guten alten politisch unkorrekten 90igern. Und grundsätzlich stimmt das auch, da alle Fortschritte bzgl. First-Person-Shootern, die seitdem gemacht wurden (angefangen von der Gegner-KI über die Grafik), von den Machern absolut ignoriert wurden. „Ion Fury“ ist genau das was es sein soll: Ein „Duke Nukem 3D“ ohne die Lizenz den guten Duke einzusetzen. Die Grafikengine ist die gleiche und sogar das Studio dahinter ist dasselbe (3D Realms).

Was kann man also von „Ion Fury“ erwarten? Es ist kein „Duke Nukem 3D“, ganz ehrlich. Dazu ist es zu wenig sexistisch und zu politisch korrekt. Man verstehe mich nicht falsch, denn es gibt durchaus einige Witze, die würden sich andere Entwickler mit Sicherheit nicht trauen, verglichen allerdings mit dem Aufschrei, den es bei Duke gab, passierte bei Shelly im Vergleich … nichts. Naja, da gab es die eine Sache mit einem Witz. Es gab im Spiel eine Shampoo-Marke, die einen eher seichten Wortwitz mit Homosexuellen beinhaltet hat, aber der wurde entfernt nachdem sich ein paar Leute auf den Schlips getreten fühlten. Peinlich. Für alle Seiten. Der Duke hätte nur gelacht. Shelley ist halt trotzdem ein Kind ihrer Zeit (2020). Hier gibt es auch keine „Bullen-Schweine“, sondern Cyborgs. Soviel zu kontrovers, hm?

Wann hat es eigentlich angefangen, dass Menschen nicht mehr zwischen beleidigendem Hass und Witzen unterscheiden konnten? Hm? Irgendwas ist in den letzten Jahre schief gelaufen, ich sage es euch ganz ehrlich.

Jedenfalls kommt „Ion Fury“ grundsätzlich handzahm daher, hat aber auch einige coole Sprüche auf Lager und sogar der normale Schwierigkeitsgrad ist schon nicht ohne. Die Level sind groß, verschachtelt und neonbunt. Die Gegner nicht wirklich abwechslungsreich, aber zumindest immer wieder gut platziert und strunzdumm (wie gesagt: Es ist wie in den 90igern). Und wenn ihr meine Zusammenfassung da oben von der Story gelesen habt, dann ist da schon mehr Emotion drin als in der gesamten Story im Spiel. Aber damit rechnet ja auch niemand. Cutscenes? Haha, genau. Skriptsequenzen? Träumt weiter. Ganz am Ende gibt es ein paar Pixelstandbilder (es gibt kein Endvideo, keine Sequenz, sondern … ich glaube zwei oder drei Bilder. Das hat mich anfangs geärgert. Dann ist mir der Anfang des Spiels eingefallen und ich musste laut lachen. Mit diesem Konnex fand ich es dann super.).

Grafisch wird im Rahmen der Engine extrem Tolles geboten. Es gibt – außer bei den Ladepausen – keine Ruckler, alles fetzt und flutscht. Das Spiel ist flott. Das Trefferfeedback angenehm und die Auswahl an Waffen zwar weit entfernt von witzig, aber grundsätzlich gut balanciert. Es gab ein/zwei Momente, an denen ich hing und keine Ahnung hatte, wohin ich musste (ja, es gibt wieder Schalter und Keycards und farbige Türen), das lag allerdings an der Steuerung.

So gibt es zB in einem späteren Level einen Abschnitt in welchem man von Ventilatoren in die Luft gehoben wird und dadurch einen Abgrund überqueren kann. Nur bin ich auf der anderen Seite nicht dorthin gekommen, wo ich hinmusste, weil die Steuerung nicht mitgemacht hat. Ich konnte einfach nicht hoch genug springen. Also dachte ich, ich könne dort nicht hin. Dann habe ich in einem Walkthrough nachgelesen und doch: Das war der richtige (Und einzige!) Weg. Bei Versuch 53 hat es plötzlich funktioniert. Sowas ist einfach schade, aber okay. Das kam in 20h zwei Mal vor. Hätte schlimmer sein können.

Fair ist Fair: Ich habe vor ein paar Monaten „Duke Nukem 3D 20th Anniversary World Tour“ gespielt und fühlte mich sofort wieder wie Zuhause. Und rein objektiv betrachtet ist „Ion Fury“ das bessere Spiel. Absolut. Es kommt halt 20 Jahre zu spät und wird niemals so kultig werden. Wer allerdings mit dem erwähnten Duke auf der PS4 seinen Spaß hat, der oder die sollte sich unbedingt „Ion Fury“ zulegen.

Shelley ist kein Duke. Aber sie kommt verdammt nah ran. „Hail To The Queen, Baby!“

„Ion Fury“ bekommt 8,5 von 10 möglichen, die 90iger ohne Kompromisse wieder aufleben lassende, Punkte.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.