The Wretched – The Witch Next Door (Filmkritik)

Ben (John-Paul Howard) ist bei seinem Vater Liam (Jamison Jones) gelandet.Gelandet deshalb, weil seine Mutter sich scheiden lassen möchte. Ben verbringt den Sommer bei ihm und macht ein Praktikum in der Schiffswerft, die sein Vater betreut. Dort lernt er auch Mallory (Piper Curda) kennen, die durch ihre pfiffige Art durchaus Bens Interesse weckt.

Dieses Interesse wird auch von der Familie geweckt, die aktuell im Haus nebenan wohnen. Allerdings gilt Bens Interesse weniger der Familie an sich, als den Dingen die da im Haus nebenan vor sich zu gehen scheinen. Denn Nachbarin Abbie (Zarah Mahler) scheint sich von einen Tag auf den anderen seltsam zu verhalten und irgendwie scheint es, also ob immer mehr Kinder vermisst werden. Oder auch nicht vermisst, denn wenn sie weg sind scheinen sich die Eltern nicht mal mehr daran erinnern zu können, dass sie überhaupt Kinder hatten …

„The Wretched“ oder „The Witch Next Door“, wie er „eingedeutscht“ genannt wurde (was ich immer wieder seltsam finde), hatte eine Zeitlang den Ruf die Kino-Charts anzuführen. Das lag sicher an einer kleinen Sache, von der man bis jetzt selten was gehört oder gelesen hat und der Name davon lautet „Covid-19“. Denn zur Veröffentlichung des Films waren überhaupt nur wenige Filme im Kino. Von „Tenet“ mal abgesehen, aber der hat letzten Meldungen zufolge das Kino eher umgebracht als gerettet. Aber das nur am Rande.

„The Witch Next Door“ (ich kann den Titel einfach nicht leiden) musste sich einige Kritik gefallen lassen, weil er das „Coming Of Age“, was in Horrorfilmen mit jungen Schauspieler*innen ja scheinbar immer Thema sein muss, viel zu wenig beleuchtet und nutzt und überhaupt ein Film „von der Stange“ sei. Das mag stimmen, tatsächlich habe ich jedoch schon lange keinen für mich so stimmigen Horrorfilm gesehen wie diesen hier. Die Mischung passt für mich einfach. Auch die Situationen der „typischen“ Jungs werden gekonnt eingefangen und für mich erfreulich witzig/peinlich aufgelöst. Wie gesagt: Stimmig.

Das beginnt bei den Charakteren, die man durch die Bank eigentlich alle sympathisch finden müsste, geht über die teilweise eklig-guten Effekte, bis hin zu den Verhaltensweisen der Charaktere, die ich durch die Bank nachvollziehbar fand. Außerdem gibt es dann nach zwei Dritteln des Films einen Twist, den ich ehrlich nicht kommen gesehen habe. Wenn man drüber nachdenkt, dann ist er natürlich billig, aber ganz ehrlich: So erwischt und überrascht hat mich kein Film mehr seit „der einen“ Szene in „Hereditary“ (wer ihn gesehen hat, der/die weiß, was ich meine).

Die Atmosphäre ist top, die Schauspieler*innen gut gelaunt (vor allem Zarah Mahler fand ich in ihrer Wandlung von der Punkgirl-Mutter hin zur sexy-anmutig-bedrohlichen Verführerin echt unheimlich und gut) und machen ihre Sache super. Was ich vor allem wirklich, wirklich großartig fand, war, dass es endlich – vorsichtig, leichter Spoiler – einen Vater bzw. Elternteil gibt, der seinem Kind glaubt, wenn es sagt: „Hey, da drüben geht etwas Unheimliches vor sich!“. Ja, es dauert eine Weile, aber immerhin.

Grundsätzlich kam mir vor, dass sich die Macher Brett Pierce und Drew T. Pierce, die bereits gemeinsam zwei, drei Filme gemacht haben, sich ein wenig von Scott Snyders „Wytches“ inspirieren ließen. Das ist eine Comicreihe und vor allem den ersten Band dürften die beiden gut studiert haben, denn sonst kann ich mir manche Aufnahme und Bilder nur schwer erklären. Stört mich aber nicht, denn ich fand „Wytches“ ziemlich gut und ziemlich gruselig.

Die Kameraarbeit ist gut, die Bilder sind stimmig und ein paar der Aufnahmen (kennt man zB aus dem Trailer: Die Hexe „schält“ sich aus einem Tierkadavar) sind richtig gut geworden, die Musik passt, die Chemie zwischen den Charakteren stimmt und alles in allem hatte ich nichts an dem Film auszusetzen. Sicher, er macht eigentlich nichts, überhaupt nichts neu, aber das stört mich nicht im Genuss, wenn alles so gut zusammenpasst und keine Sekunde Langweile aufkommt.

Erstaunlicherweise musste ich feststellen, dass ich mir beim Schreiben dieser Zeilen gedacht habe: Hey, den muss ich mir nochmals ansehen. Und das denke ich mir in letzter Zeit viel zu selten.

„The Wretched“ (ich weigere mich, ihn „The Witch Next Door“ zu nennen) bekommt von mir 8,5 von 10 möglichen, zur passenden Zeit gekommene, Punkte.


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