Little Sister (Filmkritik)

Die junge Nonne Colleen (Addison Timlin) kehrt für ein paar Tage in ihr Zuhause zurück. Den Kontakt mit ihren Eltern hatte sie abgebrochen und es kostet sie sichtlich Überwindung. Grund dafür ist ihr Bruder (Keith Poulson), der aus dem Krieg mit schweren Verletzungen/Verbrennungen zurückgekommen ist, die ihn entstellt haben und der sein Leben seitdem nur noch in seinem Zimmer verbringt.

Colleen kehrt also zurück und will ihrem Bruder helfen. Ihr Zimmer ist noch immer gleich. Schwarz ausgemalt und voller Gothic Rock Poster. Rasch erkennt sie, dass sie – um Zugang zu ihrem Bruder zu bekommen – wieder in ihre alte Rolle zurückfallen muss.

Währenddessen kämpft die Verlobte ihres Bruders nicht mit dessen Entstellung, sondern mit seinem Umgang damit …

Durch Zufall wurde ich auf „Little Sister“ aufmerksam und dachte mir – okay, der klingt interessant. Und das war er auch. Der Film ist klein und konzentriert sich zu 100% auf die Familie. Die Mutter, mit der Colleen eine schwere Beziehung hat. Der Bruder, der sich aufgrund seines Erscheinungsbildes in sein Zimmer zurückzieht. Dessen (bildhübsche, schwer loyale und absolut großartige) Verlobte, die damit kämpft, dass er so mit sich selbst beschäftigt ist, dass er nicht sieht, wie sehr sie ihn liebt. Hier geht es um Beziehungen, um Selbstreflexion und die Steine, die wir uns selbst in den Weg legen.

Und das macht der Film so richtig gut. Ich war skeptisch, wie das alles am Ende zusammenpassen soll, aber das tut es. Es ist vor allem auch wirklich herzerwärmend anzusehen, wie Colleen wieder in ihre alte „Goth-Persönlichkeit“ schlüpft, sich die Haare rosa färbt und ein wirklich brutales Puppenspiel für ihren Bruder aufführt, damit dieser aus seinem selbst geschaffenen Gefängnis ausbricht.

Eine Szene ist sehr symbolträchtig für den Film: Colleen hat es geschafft ihren Bruder zu einem Spaziergang im Wald zu überreden. Dort treffen sie einen jungen Wanderer, der den entstellten Bruder sieht und Colleen mit ihren pinken Haaren, die aussieht als wäre sie gerade aus einer Punk/Goth-Band rausgeflogen. Er bleibt entsetzt stehen und fragt: „Are you monsters?“ Die beiden sehen sich kurz an, blicken dann ihn an: „Yeah. We’re monsters.“

Eine unbedeutende Miniszene, die im Kontext des Films aber einerseits Freude durch das Herz der Zuseher schickt und andererseits eine Wende in der Beziehung der beiden Geschwister einläutet. Auch die Beziehung von Colleen zu ihrer Mutter, die gegen Ende eine vielleicht unspektakuläre, aber nichtsdestotrotz wunderschöne Katharsis erfährt und die zu einem plötzlichen Verständnis führt. Menschen haben Fehler. Das macht sie nicht zu schlechten Menschen. Es macht sie zu Menschen.

Zach Clark, der das Drehbuch verfasst und auch Regie geführt hat, beweist mit „Little Sister“ zwei Dinge: Er versteht es unterhaltsame, nachdenkliche Drehbücher zu schreiben. Andererseits: SchauspielerInnen anleiten kann er, da alle Mitwirkenden ihr Bestes geben und es einfach keine Ausfälle gibt. Die Regie ist weder besonders, noch innovativ, aber darum geht es bei „Little Sister“ auch nicht. Es geht um die Figuren. Und die überraschen immer wieder positiv. Nämlich wirklich immer wieder.

Als Beispiel sei Kristin Slaysman Tricia erwähnt, von der man eigentlich als Zuseher erwartet, sie würde aufgeben, ihren sturen Mann in spe sitzenlassen und sich jemanden suchen, der eine Frau wie sie auch zu schätzen weiß. Nein, das kommt ganz anders.

Alles in allem ein kleiner Film über Familie, Glauben, Selbstreflexion, Selbstgerechtigkeit und die Tatsache, dass man hin wieder zu rasche Rückschlüsse zieht. Und Addison Timlin ist fantastisch.

„Little Sister“ bekommt 7,5 von 10 möglichen, mit den ZuseherInnenerwartungen brechende, Punkte.


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