Fahrenheit – Indigo Prophecy (Game-Review)

Es ist ein verdammt beschi****er Tag für Lucas (David Gasman), denn als er zu sich kommt, muss er überrascht und entsetzt feststellen, dass er soeben einen ihm völlig unbekannten Mann in der Toilette eines Cafés ermordet hat. Auch hat er sich selbst seltsame Zeichen in die Unterarme geritzt.

Nicht lange danach tauchen Carla (Barbara Scraff) und ihr Partner Tyler (ebenfalls David Gasman) auf und untersuchen in Ausübung ihres Jobs den Tatort. Einiges stellt sich seltsam dar. Es gab keinen Kampf, aber Blut von Täter UND Opfer? Irgendetwas ist hier komisch.

Relativ rasch stellt sich für Lucas heraus, dass er in etwas hineingeraten ist, was ihm mehr als nur über den Kopf wächst. Gleichzeitig werden die Leichen, die Carla und Tyler in ähnlich ritueller Art und Weise ermordet vorfinden, auch immer mehr …

2005 hat David Cage alles ins Rollen gebracht. „Fahrenheit“, wie der Titel damals noch hieß, war ein kleiner, feiner Thriller, der zwar nicht unbedingt so richtig als Spiel durchging, sondern viel mehr als Aneinanderreihung von Quicktime-Events, der trotzdem bis zu zwei Drittel der Handlung gut unterhielt und Spannung aufbauen konnte.

Filmreife Action-Sequenzen, eine coole, unheimliche und mit übernatürlichen Elemente angereicherte Mystery-Handlung (bis dann nach zwei Drittel die Sache komplett kippt) und Grafik, die für 2005 durchaus ansehlich war. Die Quick-Time-Events waren und sind allerdings nicht jedermanns/-fraus Sache. Auch deshalb, weil es schon vorkommt, dass man die coolen Perspektiven und Kamerafahrten nicht genießen kann, da man die ganze Zeit (mehrere Minuten lang!) über auf zwei Farbringe starrt, um ja keinen Fehler zu machen und das QT-Event neu beginnen muss.

Die Story selbst zieht bereits von Anfang an in ihren Bann: Welche Situation könnte noch unmittelbarer in eine Geschichte einführen, als der Protagonist, der eben einen Mord verübt hat ohne zu wissen, wen oder warum oder wie? Eben. Da stellen sich gleich mal eine ganze Menge Fragen und Drehbuchschreiber Cage zieht im ersten Drittel alle Register, um die Sache spannend zu gestalten: Fragen über Fragen, Andeutungen, kleine Hinweise und alles wird immer mysteriöser. Vor allem, da man Lucas (also den Täter) als auch Carla und Tyler (die Polizisten, die ihn suchen) spielt. Spannende Sache.

Wenn man sich dann zu fragen beginnt, wie das alles jemals so richtig zusammenpassen soll: Überraschenderweise ist die Geschichte zu 100% stimmig und es bleiben eigentlich nichts im Verborgenen. Alles wird geklärt. Trotzdem sitzt man gegen Ende da und denkt sich nur „WTF?“. Das hat aber weniger mit der irren Story zu tun – der neue Titel „Indigo Prophecy“ passt weit, weit besser als „Fahrenheit“, da es die Leute viel besser auf die Story vorbereitet als der alte Titel.

Das „Spiel“ hat allerdings zwei Probleme und die sind nicht wegzudiskutieren bzw. wie spielspaßtötend man sie einstuft hängt stark von den eigenen Vorlieben ab. Zuerst fällt mir da sofort mal die schiere Menge an Quicktime-Events ein. Und ich kann nicht genug betonen wie lang die teilweise sind (und wie verflucht schwer und schnell die manchmal sogar auf „leicht“ daherkommen). Da sind super Kamerafahrten und Over-the-top-action-Sequenzen im Spiel und dann bemerke ich die fast nicht oder finde sie sogar störend, weil sie mich von zwei bunten Kreisen ablenken. Schräg.

Der zweite große Kritikpunkt ist die Behandlung und Inszenierung der Story. Wenn wir jetzt mal ignorieren, ob man auf die ganze Weltuntergangs-Prophezeiungs-Story nicht hätte verzichten können, dann bleibt trotzdem ein großer Schnitt nach ungefähr zwei Drittel der Handlung bestehen: Bis dahin war das Spiel flott, aber spannend. Die Szenen waren teilweise klein und intim, aber wichtig, weil Dinge passiert sind, weil Mini-Ereignisse zelebriert wurden, die für die Charaktere wichtig waren und weil es einfach ein verdammt gut verfasstes Drehbuch gab.

Dann kommt die – in etwa „Zwei Drittel“-Marke – und plötzlich ist alles anders. Die Inszenierung ist überhastet. Die Story springt von A nach W und nach Z ohne sich dem dazwischen zu widmen. Da gesteht eine Person der anderen die Liebe, obwohl die sich ungefährt zwei Mal gesehen haben. Da erklärt eine Person plötzlich wie das mit dem Leben nach dem Tod so ist und zack-bumm – alles ist vorbei und am Ende haben wir den Highlander-Schluss mit bunten Farben und Blumenwiese.

Nicht missverstehen: WAS in der Story passiert ist völlig okay. Was mich stört ist, wie schlecht sie ab diesem Punkt inszeniert ist. Gehetzt trifft es wohl am besten. Und einfach schlecht geschriebenn. Als hätte jemand David Cage das Skript aus der Hand gerissen und gerufen: „So. Jetzt haben wir sieben Szenen Zeit um zum Punkt zu kommen“ und mit diesem Vorsatz dann das Drehbuch fertig geschrieben.

Irre, sag ich nur. Fühlt „Indigo Prophecy“ sich die ersten zwei Drittel wie ein Spiel an, dass sich Zeit nimmt und seine Figuren liebt, so kippt das Ganze dann leider in einen überhasteten finalen Schnellzug, der sich einen Dreck um seine Figuren schert und einfach nur noch die Endstation erreichen will.

Immerhin – mit „Heavy Rain“ und „Beyond: Two Souls“ hat Cage je bewiesen, dass er auch gute Storys schreiben kann, die bis zum Ende hin spannend bleiben. Und mit „Detroit: Becoming Human“ steht ja für demnächst auch schon das nächste coole und spannende Projekt vor der Tür.

„Fahrenheit“ oder „Indigo Prophecy“ bekommt von mir 6 von 10 möglichen, es im letzten Drittel leider versauende, Punkte.

PS: Warum wir das Spiel jetzt testen? Es gibt eine PS4-Version, die allerdings in allen Belangen so ziemlich 1:1 der alten 2005er-Version gleicht. Also nur für wirkliche Liebhaber. Es gibt da ein paar gute Vergleichsvideos auf Youtube, damit ihr selbst sehen könnt, wie wenig Unterschied es macht.

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