Assassin’s Creed (Filmkritik)

Cal Lynch (Michael Fassbender) hat einen wirklich schlechten Tag. Nicht nur, dass er quasi (fast) umgebracht und entführt wurde, er wird auch noch in ein Gerät namens Animus gesteckt, mit welchem er durch „genetische Erinnerungen“ in die Haut seiner Vorfahrens schlüpfen kann und deren Leben nachspielt. Wozu? Cal ist ein Nachfahre eines der größten Assassinen der Geschichte namens Aguilar. Und dieser Meister-Meuchelmörder hat den „Apfel von Eden“ gefunden, der es seinem Besitzer erlaubt, anderen Menschen seinen Willen aufzuzwingen.

Genau diesen wollen seine Entführer haben und deshalb wird er gezwungen in seinen Erinnerungen nach dem Versteck des „Edenapfels“ zu suchen. Cals Entführer entpuppen sich als Templer, die erklärten Widersacher der Assassinen, und er befindet sich nun in doppelter Hinsicht mitten in diesem Krieg: Auf der einen Seite durch das Leben seines Vorfahren Aguilar zur Zeit der Spanischen Inquisition. Auf der anderen Seite wird Cal von Rikkin (Jeremy Irons), CEO von Abstergo, einer Templer-Strohmann-Firma, ziemlich deutlich klar gemacht, dass er kein „Gast“ ist, sondern ein Mittel zum Zweck, auch wenn seine Tochter Sofia (Marion Cotillard), das gern anders hätte. Cal Lynch hat einen wirklich schlechten Tag. Aber das ist erst der Anfang seiner Geschichte …

Bei aller Liebe zu der Videospielreihe (und ich habe alle Teile außer „Black Flag“ gespielt) muss ich dennoch feststellen, dass „Assassin’s Creed“ an ein paar sehr drastischen Kinderkrankheiten leidet. Kinderkrankheiten deshalb, weil es Problemchen sind, an denen fast 80% der aktuellen Blockbuster leiden und drastisch deshalb, weil sie halt in diesem Fall noch mehr zutage tregen als bei anderen Filmen – was wohl der Fluch der Videospiel-Filme ist: Die Leute sehen einfach viel genauer hin und erwarten sich Dinge, die sie von „normalen“ Actionfilmen nie erwarten würden. Zum Beispiel, dass alles Sinn ergibt.

Man nehme nur mal „Mission: Impossible III“ als Beispiel: Kann mir irgendjemand sagen, was die „Hasenpfote“ ist? Nein. Eben. Und ganz ehrlich: Wen juckt es denn auch tatsächlich? Genau. Niemand. Oder kann mir jemand erklären, warum Ethan trotz Chip im Kopf noch kämpfen kann und das sogar verdammt lange, während seine Ex-Schülerin quasi am Sterbebett liegt und gefühlsmäßig fünfzehn Sekunden Zeit hat bevor sie stirbt? Bemüht euch nicht: Es ist mir völlig schnurz. Was ich damit sagen will: Wenn man eine Erklärung haben will, dann findet man schon eine FÜR SICH. Völlig egal, was im Film passiert. Wenn er mir gefällt, dann kann ich ihm alle Fehler verzeihen und mir selbst einen Reim machen. Und das tun wir ja auch regelmäßig. Wie sagt Spideragent immer so schön: Natürlich könnte ich den Film leicht angreifen und zerlegen, aber warum sollte ich das wollen?

Und genauso geht es mir bei „Assassin’s Creed“: Klar könnte ich jetzt ungefähr 25 Sachen aufzählen, die der Film vergeigt oder die er schlecht macht oder die EINFACH. KEINEN. SINN. ERGEBEN. Außerdem könnte ich grob 50 Tipps geben, was man hätte besser machen können, aber will ich das alles? Nein. Will ich nicht. Weil mir der Film von vorne bis fast ganz hinten einfach Spaß gemacht hat. Sicher, nachdenken darf man nicht zu viel, aber hey – wir sprechen hier von einem Film zu „Assassin’s Creed“ (und sind wir ehrlich: Nachdenken darf ich bei „Captain America: Civil War“ oder „Suicide Squad“ auch nicht).

Dennoch – ganz offen – erlaubt man sich schon ein paar Dinge, die an sich in jedem Film peinlich wären … aber der Reihe nach in Kurzform: Die erste Stunde und zehn Minunten musste ich die ganze Zeit über Grinsen, weil optisch und inszenatorisch einfach alles passt. Der neue Animus (die Maschine in welche Cal gesteckt wird) sieht super aus und seine Funktion wird visuell perfekt rübergebracht. Da braucht man gar nicht viel erklären, man sieht sofort, was diese Maschine tut. Dann ist da Cal – und der ist kein Strahlemann, kein Held. Was ich auch sehr erfrischend finde. Er ist ein Verbrecher, er ist eine – wie er selbst sagt – gewalttätige Person. Passend. Er hat auch kleine Aggressionsprobleme und einen Vaterkomplex. Immerhin hat dieser seine Mutter getötet, aber natürlich kommt alles anders. In diesem Fall durchaus passend, was ausgerechnet Cal in der Vergangenheit miterleben muss, denn irgendwie ist sein Leben mit dem seines Vorfahren gespiegelt … super Sache und cool gemacht.

Die Action – gerade in den Vergangenheitsteilen – ist stilsicher und mitreißend, aber dennoch immer so, dass ich als Zuseher weiß, was gerade passiert. Überraschend, dass es dann doch Dinge im Zweikampf gibt, die man noch nie so gesehen hat und ein Wall-run während einer Kutschenverfolgung – das sieht man auch nicht alle Tage. Es werden wohl niemanden die Augen rausfallen vor Staunen, denn viele der coolen Actionmomente sind so genannte „Blinzel-und-du-übersiehst-sie“-Momente, aber gut gemacht sind sie, keine Frage – und ich für meinen Teil bin froh, dass es keine aufs Auge gedrückten Zeitlupen sind, denn die hatten wir in anderen Filmen schon zur Genüge.

Die Kamerafahrten zur Zeit der Inquisition sehen verdammt gut aus, der Adler kommt oft als Instrument für Übergänge zum Einsatz, der „Leap Of Faith“ ist ebenfalls cool gemacht (wenn auch unspektakulärer als man denken würde) und die Tatsache, dass man in der Vergangenheit in Spanien halt auch wirklich spanisch spricht … ich finde es klasse.

Wo ist dann mein Problem mit dem Film? Die Handlung ist es nicht, die Klischees sind es nicht, die nur grob gezeichneten Figuren sind es nicht … es sind die letzten paar Minuten des Films, der nach dem Höhepunkt noch weitergeht, fast so, als würde der wirkliche Höhepunkt noch kommen – eine bestimmte Szene wird auch genauso aufgebaut: Es schleichen sich x Assassinen in eine Versammlung der Templer, Waffen werden reingeschmuggelt, alle bringen sich in Stellung und dann … puff. Luft raus. Zumindest kam es mir beim ersten Ansehen so vor – bei der nächsten Sichtung wurde mir dann klar, dass alle nur Teile(!) einer Waffe reinschmuggeln und diese zusammenbauen, damit das was passiert gestoppt werden kann. Nach dem ersten Ansehen musste ich den Kopf schütteln, weil ich den Spannungsaufbau für diese Mini-Szene übertrieben fand – jetzt finde ich es passend und auch ein wenig mutig.

Das Schlusslied beim Abspann war allerdings Mist und passte weder zur Stimmung am Ende noch überhaupt zum Film. Aber das nur am Rande.

Um „Assassin’s Creed“ genießen zu können, muss man sich wohl folgender Dinge bewusst sein: Artefakte die erwähnt werden, soll/darf man nicht hinterfragen. Die sind einfach da und die machen auch das, was gesagt wird, dass sie machen. Warum und wieso … das ist zu diesem Zeitpunkt einfach egal. Die Geschichte die erzählt wird, ist nicht wie in den Spielen üblich die Geschichte des Assassinen der Vergangenheit – dies hier ist NICHT Aguilars Geschichte. Es die Geschichte, wie Cal Lynch zu einem Assassinen wird. Nicht mehr und nicht weniger. Alles andere rundherum ist nur Beiwerk. Optisch cooles Beiwerk, aber trotzdem Beiwerk. So cool wie die Assassinen aus unserer Lieblingsspielreihe ist weder der Hauptcharakter (wie könnte er?), noch bewegt sich im Film jemand so geschmeidig – immerhin gibt es in der echten Welt doch so etwas wie „Schwerkraft“. Auch ein paar der bekannten „Signature-Moves“ werden angedeutet, wirken aber weit nicht so großartig wie die Finisher und ähnliches in den Spielen.

Erinnert ihr euch an das erste „Assassin’s Creed„-Spiel? Bei dem ihr mit offenen Mund dagesessen seid und euch dachtet – Wow, das ist großartig, aber nach gut der Hälfte habt ihr bemerkt, wie sehr sich alles wiederholt? Und wie völlig perplex wir bei „Assassin’s Creed II“ alle waren, weil das Teil um so viel besser und fast perfekt war? Nun, so ungefähr darf man sich den „Assassin’s Creed“-Film vorstellen: Er ist verdammt cool als das was er ist, aber hey, da ist noch Luft nach oben. Ich hoffe, sie wird genutzt. Ich jedenfalls, will eine Fortsetzung.

„Assassin’s Creed“ bekommt 8 von 10, als Fanboy bewertende Punkte (alle anderen können ein bis zwei Punkte abziehen).

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