The Last Guardian (Game-Review)

Der kleine Junge wacht auf. Sein ganzer Körper ist mit seltsamen Zeichen bedeckt. Er befindet sich in einer Höhle. Hinter ihm liegt ein großes … Tier. Zum Teil Hund, zum Teil Katze, zum Teil Vogel. Es schreit, es faucht, es jammert. Seine Augen glühen und wenn er dem Tier zu nahe kommt, dann faucht es ihn wild an. Das Tier ist außerdem angekettet und in seinen Flanken stecken Speere. Wie ist der Junge dorthin gekommen? Was ist dieses Tier? Wo ist er überhaupt?

Nach einer ersten kurzen Erkundungstour steht fest: Um hier rauszukommen braucht der Junge die Hilfe des Tieres, dass er „Trico“ nennt. Also reißt er ihm die Speere aus dem Körper, besorgt ihm was zu essen und kettet ihn los. Was Trico ihm dankt. Fortan wird dieses Zweiergespann versuchen aus der Höhle bzw. der riesengroßen Festung zu entkommen und eins ist sicher: Einer kann ohne den anderen nicht überleben.

Ganze neun Jahre hat es nun gedauert bis „The Last Guardian“ endlich erschienen ist. Viele dachten bereits, es würde in die Geschichte als weiteres Projekt eingehen, dass a) peinlich wird (siehe Duke Nukem Forever) oder b) ein renommiertes Studio aufgrund zu großer Ambitionen in den Ruin treiben wird. Beides ist nicht eingetroffen und jetzt ist „The Last Guardian“ endlich auf PS4 erschienen. Ein Exklusiv-Titel, wie es so schön heißt.

Das Entwicklerstudio Japan Studio hinter dem Projekt „The Last Guardian“ sind wahrlich keine Unbekannten. Es ist nahezu unmöglich eine Playstation (2 oder 3) zu besitzen und noch nie von „ICO“ (was ich sehr mochte) oder „Shadow Of The Collosus“ gehört zu haben. Die beiden gibt es sogar im Doppelpack. Viele KritikerInnen meinten ja, wenn man jemanden überzeugen wolle, dass Spiele Kunst sein können, dann solle man ihnen eines der beiden eben genannten Spiele vorstellen. Tolle Sache. Aber Kunst hat die Eigenart, dass sie nicht mehr zu sein braucht als Kunst. Ein gutes Spiel etwa. Was nicht bedeutet, dass ein Spiel nicht beides sein kann.

Was also, erwartet die werten SpielerInnen bei „The Last Guardian“. Fangen wir mal mit den negativen Dingen an, einfach, damit sie aus der Welt sind: Frust. Viel Frust.

Das ist ein Faktum, das lässt sich nicht wegdiskutieren. Dieser Frust offenbart sich leider gleich auf mehreren Ebenen. Die erste davon bezieht sich auf die Steuerung des Jungen und der Kamera. Diese sind alles andere als optimal und teilweise ist es schon schwer sich einfach an die Stelle zu stellen, an die man sich stellen mag. Das könnte man ja verzeihen, wenn das Spiel nicht verlangen würde, dass man wirklich, so richtig genau dort steht, wo man stehen muss. Das zweite ist die Kamera, die gut und gerne einfach mal macht was sie will und leider für meinen Geschmack genau die Teile des Bildes verdeckt, die ich eigentlich sehen möchte, bzw. mich nicht dorthin sehen lässt, wohin ich gucken muss(!) um mich orientieren zu können.

Zum dritten haben wir gleich die technische Seite: Dass ein Exklusivtitel(!) für eine Konsole Framerate-Einbrüche hat oder Bugs, welche den Spielverlauf verhindern … das ist in meinen Augen ein glattes No-Go. Und – zumindest bei mir – kam das bei „The Last Guardian“ mehrmals vor. Ich musste extra einen Walkthrough im Internet durchforsten, weil ich SICHER war, die Lösung eines Rätsel gefunden zu haben, leider aber passierte nichts. Nach einer kurzen Recherche die Erkenntnis: Ich hatte recht. Also Neutstart. Das gleiche nochmals gemacht und – siehe da: Es ging problemlos.

Damit kommen wir zum wichtigsten Teil des Spiels, oder besser: Zu den DREI wichtigsten Teilen.

Die Rätsel im Spiel sind in der Umwelt versteckt. Es gibt keine Hinweise, keinen Richtungszeiger, keine Tipps (außer Tipps, welche Taste was auslöst), keine Automap, gar nichts. Was an und für sich ja nicht schlecht ist. Das Spiel zwingt einen dazu, sich wirklich genau umzusehen und zu überlegen, was wie und wo sein könnte – hilfreich dabei ist die Liniarität des Spiels, denn es gibt nur einen(!) Weg, wie man weiterkommt – was bedeutet man muss hin und wieder einfach Glück haben. Zum Beispiel gibt es einen Raum in welchem man nach unten klettern kann, aber nicht mehr nach oben kommt. Dummerweise bleibt Trico oben sitzen und geht dem Jungen nicht nach. Was ich nicht wusste – woher auch? Blöderweise gibt es keinen(!) Weg zurück nach oben. Super. Neu laden.

Wie kriege ich also – jetzt wo ich es weiß – Trico dazu, mit mir mitzukommen? Streicheln und ihn beruhigen, vielleicht? Okay. Dann mache ich das. Gestoppte(!) 15 Minuten lang. Da sitzen, das Bild anstarren und einen Knopf gedrückt halten. Hilft nicht. Der Kerl beruhigt sich nicht. Frustig springe ich einfach runter, vielleicht habe ich ja was übersehen – und siehe da: Trico folgt mir. Warum? Ich vermute(!) mal, weil ich ihn gestreichelt habe, aber sein Verhalten hat sich absolut nicht geändert, nichts – kein Feedback vom Spiel ob meine Aktion irgendwas verändert hat (und das ist mir mehrmals so passiert) – das war einfach nur Glück von meiner Seite her.

Ähnliche Situation: Ich bin in einem Raum, sehe keinen Ausweg. Nach minutenlangem Suchen denke ich mir, dass es einfach nicht weiter geht. Also klettere ich mit dem Jungen auf Tricos Rücken und streichle ihn, während ich nachdenke, wie ich weiterkomme – als Trico plötzlich aufsteht und mit mir auf dem Rücken einfach über ein Riesenhindernis springt. Ich bin weiter. Wie? Durch pures Glück. An einer anderen Stelle – eine Höhe, die Trico locker überspringen könnte – macht er das nicht. Warum nicht? Keine Ahnung. Ich gehe also voran, stelle mich vor die Wand und rufe ihn. Er springt herbei, setzt sich oben auf die Mauer und ich muss an seinem Schwanz nach oben klettern. Warum er nicht einfach mit meiner Figur auf dem Rücken über die Blockade springt? Ich weiß es nicht. Warum ich vorhin nicht auch an ihm nach oben klettern muss? Ich weiß es nicht.

Das mit Abstand wichtigste in „The Last Guardian“ (und das habt ihr beim Lesen des Textes oben schon gemerkt) ist Trico. Er ist der Dreh- und Angelpunkt von allem. Die Umsetzung ist auch wirklich großartig gelungen (grafisch bin ich nicht so begeistert, weil das Gefieder so unnatürlich wirkt) und sein Bennehmen ist lebensecht – wenn auch klar geskriptet. Das da keine KI dahinter steckt, sondern wirklich ein Skript ist relativ rasch ersichtlich, aber das macht ihn nicht weniger beeindruckend. Wenn der dumme, naive, gutherzige Tollpatsch (er erinnert mich ein wenig an Elliot, das Schmunzelmonster) mal wieder wo steckenbleibt, weil er was Gutes riecht, oder sich einfach nur neugierig umsieht – das ist schon toll. Die Tatsache, wie menschlich er in meinen Beschreibungen die beiden Absätze oben rüberkommt, sollte schon für sich sprechen. Oder, dass ich, wenn ich gerade nachdenke, wie ich ein Rätsel lösen kann, meine Spielfigur zu ihm stelle und ihn streichle, während ich grüble obwohl es spieltechnisch gar nichts bringt und ich weiß, dass es nur eine Computergrfik ist – sagt schon sehr, sehr viel aus, wie toll der Kerl ist.

Aber die Verbundenheit mit ihm macht die Sache nicht weniger frustig. So gern ich den Kerl im wahren Leben bei mir hätte und so sehr er in seinen Bewegungen und Reaktionen wundervoll ist, so nervig finde ich ihn als Gameplay-Element. Wenn ich ab einem gewissen Zeitpunkt im Spiel Kommandos geben kann, was er machen soll, dann erwarte ich eigentlich, dass er das macht. Flott. Er bewegt sich ohnehin teilweise sehr schwerfällig, dass dauert dann ohnehin schon seine Zeit, auch wenn er nicht sekundenlang rumsitzt und mich anstarrt mit Fragezeichen in den Augen. Das passt mir im realen Leben, aber in einem Spiel – nein, danke. Wenn ich dann noch nicht einmal gesagt oder gezeigt bekomme, dass ich ihm jetzt Tricks beibringen kann (warum geht das erst dann im Spiel? Warum nicht schon vorher? Und warum nur dort?), dann bin ich eigentlich schon die ganze Zeit über nur am Herumprobieren.

Was als Gameplay-Element auch völlig okay ist. Gleiches gilt für die Interaktion mit der Umgebung. Allerdings – und das ist ESSENTIELL – muss ich mir als Spieler dann aber auch zu 100% sicher sein, dass ICH einen Fehler mache und nicht das Spiel einen Fehler HAT. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich mir dessen aber nicht sicher sein, weshalb ich sagen muss, dass ich „The Last Guardian“ leider nicht zu Ende spielen werde. Das kostet mir (und ich bin berufstätig) zu viele Nerven. So gern ich das Spiel spielen möchte – denn wenn es funktioniert, dann macht es großen Spaß -, wenn es mich so konsequent daran hindert Spaß zu haben, dann lasse ich es lieber sein. Gute Story und großartiger Trico hin und her. Nur so am Rande: Von der großartigen Story, von der ich oftmals wo gelesen habe, habe ich bis jetzt noch nichts mitbekommen und laut diversen Internetseiten bin ich jetzt gut bei der Hälfte.

Wenn ich zum Beispiel die Szene im Trailer sehe, in welcher der Junge an einer Kette zieht und die Soldaten hinter ihm her sind, während Trico durch das Fenster guckt, dann krieg ich jetzt schon einen Schreikrampf, weil ich weiß, dass nicht ich, sondern die Kamera und die Steuerung mich vermutlich 200 Mal ums Eck bringen werden. Natürlich kann man jetzt behaupten, ich bin zu ungeduldig für so ein Spiel und auch das ist eine Möglichkeit, aber ehrlich: Ich bin keine 16 mehr und ich spiele zur Entspannung. Probleme für die ich nichts kann muss ich im Alltag genug lösen, da brauche ich kein Spiel, dass mich aufgrund seiner „Kunstfertigkeiet“ in meiner Freizeit frustriert (und nicht missverstehen: Ich mag Herausforderungen: Allerdings möchte ich mir dabei auch sicher sein können, dass die Fehler a) bei mir liegen und b) wissen, welche Fehler das sind. Jahrelang wird behauptet eine der Todsünden zB im Adventure-Genre wäre es, wenn der Held bei allen Dingen nur sagt „Das geht nicht“ ohne zu sagen warum, oder Tipps zu geben. Und dann soll ein Spiel mit genau NULL Feedback funktionieren? Spannender Gedanke).

Dennoch muss ich festhalten, dass Fans, die mit den beiden Vorgängern, bzw. vor allem mit „ICO“ ihre Freude hatten, „The Last Guardian“ auf jeden Fall eine Chance geben sollten. Im Grund genommen handelt sich nämlich um genau das gleiche Spiel – mit der Dreingabe von Trico halt (warum man dafür 9 Jahre brauchte, werde ich wohl nie verstehen).

„The Last Guardian“ bekommt von mir 6,5 von 10 möglichen, trotz der liebenswerten Hauptcharaktere an der Technik und an Gameplayentscheidungen verzweifelnde Punkte.

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