It Follows (Filmkritik)

Jay Height (Maika Monroe) hat Sex. Mit ihrem Freund. Der sich komisch benimmt. Zum Beispiel ist es eher seltsam, dass er sie danach betäubt, auf einen Rollstuhl fesselt und ihr etwas von „dem Ding“ erzählt, dass sie nun heimsuchen wird und das sie nur dadurch weitergeben kann, dass sie mit jemand anderen Sex hat.

Zuerst glauben ihr natürlich ihre Freunde nicht. Auch der heimlich in Jay verschossene Nachbar Paul (Geir Gilchrist) glaubt ihr nicht, aber nach und nach wird klar, dass Jay sich das nicht alles einbildet …

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David Robert Mitchells Film „It Follows“ ist ja das „neue große Ding“. Der Film hat für viel Furore gesorgt. Es war sogar die Rede davon, dass er mit seinem Film eine neue Generation des Horrofilms einläutet und ein neues Zeitalter von „intelligentem Horror“ lostreten wird. Große Worte. Große Vorschusslorbeeren und – alles Blödsinn.

Was haben wir bei „It Follows“? Ich erzähle euch mal ein paar Eckpunkte:

  • Sex bedeutet Tod. Nämlich. Denn auch wenn „es“ weitergegeben wird – stirbt der neue Träger (oder die Trägerin), dann kommt „es“ zurück und ist wieder hinter dir her. Punktum. Das hat Jason aus „Freitag, der 13“ aus so gemacht. Also an dieser Front nichts Neues.
  • Dazu kommt, dass „es“ eigentlich in 90% der Fälle einfach auf die Opfer ZUGEHT. Geht. Richtig. GEHT. Wie in allen alten Slasher-Filmen – die Opfer laufen um ihr Leben und die Bösen gehen gemütlich. Trotzdem holen die Bösen sie ein. Also auch ein alter Hut. Nur, bei „It Follows“ kann man weglaufen. Denn die böse Macht (was immer die ist) holt niemanden ein. Also. Doch. Ja. Aber nur, wenn man lange genug an einem Ort bleibt (was in diesem Fall schon ein paar Tage dauern kann/darf.
  • Das „Ding“ wechselt sein Aussehen, also weiß das Opfer nie, ob die Person, die auf sie zukommt auch wirklich die Person ist, welche sie zu sehen glaubt. ABER (und das ist ein sehr großes Aber) nur die Personen, welche „infiziert“ sind sehen „es“.

Kommt euch alles bekannt vor? Gab es alles bereits? Richtig. In diversen Filmen, in diversen Ausprägungen.

Die Machart des Films ist auch mit den Inhalten des Films ident. Er wirkt als wäre er in den 80igern gedreht worden (von ein paar Automodellen und Mobiltelefonen abgesehen). Dunkle Farben und generell wirkt alles blass und erdig. Soll wohl einen realistischen Touch bewirken. Tut es nicht. Langsame und träge Kameraeinstellungen und -fahrten. Dialoge, die wohl authentisch sein sollen, aber auch (oftmals) sinnfrei genannt werden können. Die SchauspielerInnen haben auch nicht großartig viel zu tun, das tun sie allerdings gut. Gerade Hauptdartellerin Maika Monroe macht ihre Sache wirklich gut, keine Frage. Speziell anfangs, als sie noch das „unschuldige“ Mädchen darstellt, das sich in den falschen Kerl verliebt, ist sie wirklich nett und sympathisch und das habe ich ihr auch geglaubt. Auch die Wandlung zur durchdrehenden Frau ist ihr gut geglückt.

Das weit größere Problem habe ich mit dem Drehbuch und dessen Umsetzung. Nämlich ein wirklich GROSSES Problem. Das beginnt bereits damit, dass der Film mit einer jungen Frau beginnt, die aus dem Haus läuft, einen großen Bogen macht, dann in ein Auto springt und wegfährt. Dann sehen wir sie des nachts (im Scheinwerferlicht ihres Autos) am Strand sitzen und sich per Handy von ihren Eltern verabschieden. Schnitt. Am nächsten Morgen liegt sie ermordet (und relativ brutal zerlegt) am Strand. Wer ist die Frau? Keine Ahnung. Wird nie wieder erwähnt oder auch nur irgendwie im Film erklärt. Ich weiß schon: Die Gerne-Konventionen gebieten, dass am Anfang (laut Wes Craven) gleich mal was Schlimmes passieren muss, denn das steigert die Spannung, weil die ZuseherInnen danach mit allem rechnen müssen. In diesem Fall tut es mir leid, aber wenn die erste Szene des Films mit dem Rest nicht verbunden wird … da hätte man auch einen Pixar-Kurzfilm reinschneiden können.

Dann kommen die dummen, dummen, dummen Entscheidungen des Drehbuchautors (und auch Regisseurs) David Robert Mitchell noch dazu. Denn bis zu dem Punkt, an welchem Jay von ihrem Liebsten auf den Rollstuhl gebunden wird, ist der Film spannend. Langsam, ja. Aber auch atmosphärisch und düster. Gerade die Musik ist hammermäßig verstörend (das gilt für den ganzen Film). Aber dann passiert das große, dumme Missgeschick, dass ihr „Entführer“ Jay alle Regeln, die sie befolgen muss, um den Ding zu entkommen ERZÄHLT. Ja, ihr lest richtig. Erzählt. Der Typ erzählt ihr alles, was es über „es“ zu wissen gibt. Und damit auch uns. Im Kontext der Handlung hat das ja Sinn, denn Jay muss ja überleben, sonst folgt „es“ ja wieder ihm, aber – und das kann ich echt nicht ausstehen – ich hasse es, wenn mir jemand die Regeln eines Films vorkaut. Gleich am Anfang. Geht gar nicht. Das hätte man auch anders machen können. Er hätte es ja Jay erzählen können, aber nicht uns Zusehern. Das ist ja das Schöne am Film. Da kann man Sachen (weg)schneiden.

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Es gibt noch so einige Dinge, die ich jetzt aufzählen könnte, aber ich will niemanden den Film zerstören und ihn völlig auseinandernehmen, denn ich bin mir völlig bewusst, dass meine große Enttäuschung mit meinen hohen Erwartungen zusammenhängt. Da kann weder der Film noch der Regisseur was dafür.

Was bleibt ist ein atomsphärischer, langsamer und dunkler Film (gilt für die Optik als auch für die Handlung) mit ein paar merkwürdigen Entscheidungen und ein paar moralisch aneckenden Aktivitäten. Die dann streckenweise doch wirklich gut – aber subtil – in den Film eingestreut wurden. So wird zum Beispiel Jay später im Film gezeigt, wie sie völlig fertig – vor „ihm“ geflüchtet – am Strand sitzt und dann sieht sie in der Ferne ein Schiff. Darauf sind drei „stereotypische One-Night-Standler“-Muskelshirts tragende Typen. Da Jay hübsch ist, weiß man sofort, dass die Jungs nicht lange fackeln würden, wenn Jay sich ihnen sexuell anbieten würde. Jay sieht die Kerle und man erkennt (hier der Beweis dafür, dass die Dame sehr gut spielen kann) was in ihrem Kopf vorgeht. Schließlich zieht sie sich bis auf die (unerwartet sexy) Unterwäsche aus und watet ins Wasser auf das Boot zu. Schnitt. Jay kommt retour und benimmt sich so, als ob das Problem gelöst wäre. Alle, die zwei und zwei zusammenzählen können, wissen, was passiert ist. Wenig später sieht Jay „es“ wieder. Womit klar ist, was den drei Jungs (oder zumindest einen von denen) passiert ist. Was Jay mehr oder weniger zur Mörderin macht. Wow. Eine dramatische Charakterentwicklung so nebenein einzustreuen – Hut ab. Wenn das den ganzen Film so gehen würde …

DAS wäre hohe Erzählkunst. Da passiert etwas Drastisches im Kopf und im Verhalten von Jay. Sie trifft ein sehr extreme Entscheidung. Das zeigt ein paar Dinge. Angefangen von ihrer Verzweiflung über den Wandel vom „braven“ Mädchen zu einer Frau, die Sex in diesem Fall tatsächlich als Waffe einsetzt. Und so weiter. Alles in wenigen, sehr schön eingefangenen Bildern und sehr gutem Schauspiel.

Aber stattdessen entscheidet man sich für plumpe, schon oft gesehene Szenen und völlig absurde Situationen und wenn man sich während dem Film bereits ein paar wesentliche Fragen stellt, dann ist das kein großes Lob. Was ist zum Beispiel mit den Eltern? Gibt es die noch? Was ist mit der Schule? Muss da niemand hin? Und wieso gehen die tagelang niemanden ab? Wieso kann Jay schreiend aus dem Haus laufen und ihre Freunde laufen voller Sorge hinterher, aber keine Erwachsenen fragen was los ist? Warum lässt sich Jay von einem Typen betäuben, auf einen Rollstuhl binden (zu diesem Zeitpunkt) offensichtlich mit paranoidem Mist zuquatschen und zeigt ihn dann nicht mal an? Wieso kann Jays „Liebster“ ein ganzes Haus unter falschem Namen anmieten (woher hat er das Geld dazu)? Wieso forscht ihn die Polizei nicht aus, wenn die Jugenndlichen auch gleich mal ein Foto finden und ihn innerhalb von ein paar Stunden finden? Warum sitzen die dann nett beisammen und reden über „es“? Warum haut dem nicht mal wer einfach eine in die Fresse für das was er Jay angetan hat? Und – warum zum Teufel läuft „es“ einmal nackt und einmal bekleidet herum? Könnt ihr euch dann mal entscheiden bitte?

Die Liste geht noch weiter, aber ich mache hier einen Punkt. Das Finale ist einerseits innovativ und andererseits auch sehr plump und einfach blöd. Immerhin ist es gut inszeniert.

„It Follows“ ist ein, wenn man das Hirn ausschaltet, atmosphärisches, kleines Filmchen, das sich in keiner Weise von anderen Low-Budget-Horrorfilmen unterscheidet und bekommt von mir 5 von 10 möglichen, so viele Logiklöcher in der Handlung habende, das kaum noch Film überbleibt, Punkte.

PS: Wer wissen will, wie gut gemachter, gut konstruierter Low-Budget-Horror mit Hirn aussehen kann, sollte sich „Absentia“ von Mike Flannigan ansehen.

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