Spec Ops: The Line (Game-Review)

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Die Geschichte ist simpel und wurde bereits mehrmals erzählt – Ein großer Sandsturm hat das einst reiche Dubai zugeschüttet, Tausende Zivilisten sind dabei gestorben und die US Army hat ihre Truppe „The Damned 33rd“ unter der Leitung des angesehenen Kriegshelden Konrad hingeschickt, um die Stadt zu evakuieren. Niemand kam zurück.

Nun werden Captain Martin Walker und seine beiden Begleiter Lugo und Adams hingeschickt, um die Lage auszukundschaften und Überlebende zu finden. Als die drei in Dubai eintreffen bietet sich ihnen ein Bild des Schreckens. Nur Konrad kann die Antwort darauf kennen, was hier vorgefallen ist. Also macht sich der Dreier-Trupp auf die Suche nach Konrad und durchquert die einst blühende Stadt, die nun im Sand versunken ist und gerät zwischen die Fronten eines scheinbaren Bürgerkrieges.

So viel zu Story, wobei ich die Inhaltsangabe ziemlich kurz halten musste, da die Story das große Plus von „Spec Ops: The Line“ darstellt. Die deutschen Entwickler Yager und 2K als Publisher haben hier einen Third-Person-Shooter geschaffen, der die richtigen Spielmechaniken auftischt und eine Story erzählt, die niemanden kalt lassen dürfte. Aber bevor ich darauf näher eingehe ein paar Sachen, die das Team vermurkst hat:

Zuallererst ist die Grafik nicht mehr taufrisch. Gerade auf der PS3 poppen immer wieder Texturen nach und das kann schon manchmal dazu führen, dass man aus dem Geschehen gerissen wird, denn manche Szenen sind tatsächlich verdammt harter Tobak – der bei nach und nach aufpoppenden Texturen schon mal unfreiwillig lächerlich wirkt. Was schade ist, denn es ist wirklich grandios wie toll das Art-Design an sich geraten ist – gerade manche Panoramen über die Stadt sehen wirklich gut aus. Da stören die Texturfehler doppelt und hin und wieder hätten es auch ein paar Details mehr sein dürfen.

Das war es schon mit den negativen Teilen des Spiels.

Dann gibt es noch ein paar Standard- und Durchschnittsergebnisse, wie die Steuerung, die Standard ist und durchaus intuitiv, das Gameplay geht wie für einen 3rd-Person-Shooter löblich von der Hand, die Vielfalt an Waffen ist super und das Deckungssystem hat man rasch als seinen besten Freund identifiziert. All das ist gut gemachter Standard, hebt das Spiel jedoch nicht aus der Masse an gleichartigen Games. Dazu kommen ein paar Railshooterpassagen (Helikopterflug) und stationäre Geschützeinlagen (mal weniger kreativ, mal sehr kreativ).

Und dann gibt es jenen Teil, der für mich alle anderen Konkurrenten weit hinter sich lässt. Da wird es mit einer Erklärung schon schwieriger.

Zuerst das Einfache: Die (englischen) Sprecher sind allesamt perfekt gewählt (Nolan North bekannt als „Nathan Drake“ aus der Uncharted-Serie, spricht Captain Walker), auch die Musik passt sich perfekt immer der Situation an. Die Kameraführung und die Inszenierung der Sequenzen ist filmreif und beachtlich.

Und jetzt wird es kompliziert:

Wie viele vielleicht wissen, ist „Spec Ops: The Line“ lose an die Geschichte „Herz der Finsternis“ von Joseph Conrad angelehnt (auch der Film „Apocalypse Now“ ist eigentlich eine Buchverfilmung, wenn auch mit verändertem Setting) und auch der Name des Mannes, den man während des Spiels sucht und der sich als Freund oder Feind herausstellt (ich mag nicht spoilern), ist eine nette Hommage, denn er heißt Konrad. John Konrad.

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Um es gleichmal vorweg zu nahmen: Ich muss mich bei Yager bedanken. Dafür, dass sie mir bewiesen haben, dass das Medium „Spiel“ mit dem Medium „Film“ an Moral und Lerneffekt locker mithalten, wenn nicht sogar übertreffen kann. Das klingt jetzt seltsam, aber seitdem ich „Spec Ops: The Line“ durchgespielt habe, kann ich Militärshooter nicht mehr mit gleichen Augen sehen und ich bin – für meinen Teil – auch mit diesen fertig. Es gibt nach „Spec Ops: The Line“ nichts mehr, was für mich danach kommen kann. Punktum. Wenn „Apocalypse Now“ und „Platoon“ Anti-Kriegs-Filme sind, dann haben Yager das erste Anti-Kriegs-Spiel der Welt geschaffen. Mit mir als Spieler mittendrin, statt nur dabei.

Es ist schwer zu erklären, ohne zu viel zu verraten, aber ich versuche es mal und hoffe, dass es euch den Spaß an der Sache nicht verdirbt: Captain Walkers Weg und damit auch der unsere ist kein leichter. Dubai ist gefährlich. Die einzigen Personen, denen Walker vertrauen kann, sind seine beiden Begleiter Adams und Lugo, die allerdings mit in den Abgrund aus Schmerz, Wut, Rache und Wahnsinn gerissen werden, einfach, weil es kein Entkommen gibt. Die Dinge, die Captain Walker tut, um sein Ziel zu erreichen sind … hart. Verdammt hart. Und überschreiten hin und wieder „The Line“. Das alleine reicht schon aus, um als Spieler immer wieder ins Grübeln zu kommen, aber Yager packen noch einen drauf und nutzen selbst die Ladepausen um mit Bildschirmtexten euer Gewissen zu befragen und euch zum Nachdenken anzuregen. Aber nicht mit dem Holzhammer, keineswegs.

Die ersten Spielstunden vergehen wie in jedem anderen Shooter – herumlaufen, was sich bewegt über den Haufen knallen, feststellen, dass die Bösen wirklich so böse sind, dass sie Zivilisten ermorden und mit dem Zorn der Gerechten weitermaschieren, um diese Drecksäcke (sorry) aufzuhalten. Und dazu ist jedes Mittel recht. Je länger man spielt, desto härter werden diese Mittel und relativ früh wird man im Spiel immer wieder einmal vor die Wahl gestellt: Was willst du tun? Und mit dieser Entscheidung muss man sich dann (dank Autosave) zufrieden geben. Reue? Zu spät.

Beispiel gefällig, das nicht zu viel verrät? Okay. Zwei Menschen baumeln gefesselt von einer Brücke. Einer davon ein Dieb, der Wasser gestohlen hat. Darauf steht die Todesstrafe (wir sind mitten in der Wüste, Wasser ist so ziemlich das Kostbarste, was es hier gibt). Der andere: Ein Soldat, der den Kerl hätte einfangen sollen – was er auch getan hat. Und so nebenbei dessen Familie umgebracht hat. Was soll man also tun? Rundum stehen Scharfschützen und euch wird die Aufgabe zugetragen einen der beiden hinzurichten. Da gibt es jetzt ein paar Möglichkeiten (die euch das Spiel nicht vorkaut, da müsst ihr selbst draufkommen).

Einfach weitergehen? Einer eurer Kameraden wird von Scharfschützen aufs Korn genommen.
Einen der beiden Kerle, die ihr beide nicht kennt, eiskalt abknallen? Ihr dürft passieren.
Oder die Seile durchschießen und die Scharfschützen rundum töten, während man hofft, dass die beiden (und man selbst) lebend davon kommt? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit zu überleben?

Was ist die Lösung? Was ist richtig oder falsch? Gibt es ein richtig? Ein falsch?

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Das alles sind Fragen, die sich während dem Spiel nicht zwingend stellen – wer auf Autopilot schaltet und sein „Call-Of-Duty“-Schießbudenfiguren-abknallen-ist-geil-Hirn einschaltet, wird es übersehen, wird vielleicht nicht einmal in Betracht ziehen, dass es da andere Möglichkeiten gegeben hätte, als zwischen den beiden zu wählen. Und – das ist das Großartige daran – es ist kein Problem. Denn genau das ist der Kern der Sache. Wer in der typischen Shooter-Manier durch die Level fegt und sich keinen Deut um Menschlichkeit schert, wird am Ende dasitzen und … naja. Das verrate ich jetzt nicht.

Genial fand ich auch die Meta-Ebene des Spiels, die eben vorher erwähnten Einblendungen während der Ladepausen. Diese passen sich nämlich (glaub ich) dem Grad eures Fortschritts an. Während anfangs noch Tipps herumflirren, später Details zur aktuellen Situation zusammengefasst werden, starrte ich mit offenen Augen auf den Bildschirm, als da plötzlich stand: „Do you feel like a hero yet?“. Ich musste schlucken und habe darüber nachgedacht, was ich die letzten Stunden virtuell so alles getan hatte. Und nein, ich fühlte mich nicht wie ein Held. Sowas von gar nicht. Trotzdem – es gab ja einen Grund für das alles und – Hand aufs Herz – man kann ja nichts dafür, da ist ja jemand, jemand „außerhalb“, der mich dazu zwingt (die Spielmechanik) … oder?

Ich habe das Spiel durchgespielt. Es gibt vier Enden und je nachdem welches man serviert bekommt / gewählt hat, auch einen spielbaren Epilog. Danach saß ich lange Zeit auf der Couch, legte den Controller aus der Hand und ließ das Spiel auf mich wirken.

Das Resultat war für mich eindeutig: So müssen Spiele gemacht werden, die ernst genommen werden wollen und eine Message haben, die man mit Worten nicht erklären kann. Aber ich habe verstanden. Definitiv verstanden. Und ich kann den Machern des Spiels nur ausdrücklich „danke“ sagen. Mein Weltbild habt ihr verändert. Und das ist keine Übertreibung.

„Spec Ops: The Line“ bekommt von mir 9 von 10, endlich den Beweis dafür, das Spiele ein ernst zu nehmendes Kulturgut sind, liefernde, Punkte.

PS: Ich weiß, dass mir sicher einige Leute widersprechen werden und ich weiß, dass es für manche vermutlich übertrieben klingt, aber ich spiele seit zwanzig Jahren Computer- und Videospiele – und dies ist das erste Mal, dass ich dreißig Minuten nach Ende eines Spiels immer noch mit offenem Mund vor dem Bildschirm saß und meine Gedanken rasten, weil ich so viele Dinge plötzlich klar vor Augen hatte. Ich weiß von anderen, dass sie es nur als „normalen Shooter mit guter Story“ gesehen haben. Was ich verstehe. Ich kann auch nicht sagen, warum es bei mir „Klick“ gemacht hat, vielleicht hat einfach der Zeitpunkt dafür gepasst. Und anders als zB in „Bioshock Infinite“ habe ich nicht über die Story des Spiels nachgedacht („Wenn A der Vater ist und C die Tochter, das macht dann B zu wem?“), sondern über das Leben, mein Leben, Krieg und Spiele als Kulturgut, kurzum: Ich habe mir aufgrund dieses Spiels sehr reale Gedanken über die reale Welt gemacht. Und am nächsten Tag hat es mich noch immer beschäftigt.

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