Bioshock Infinite (Game-Review)

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Booker DeWitt ist sein Auftrag völlig klar: Das Mädchen zurückholen und die Schuld ist getilgt. Welche Schulden? Spielschulden, Geldschulden. Das Übliche eben. Als er allerdings mit einem Ruderboot zu einem Leuchtturm gebracht wird, der ihn gen Himmel schießt, wird ihm doch etwas mulmig zumute. Dabei ist DeWitt alles andere als ein feinfühliges Wesen – eher im Gegenteil: Hat er doch lange Zeit für die Pinkertons gearbeitet (und streikende Arbeiter … beruhigt).

Als er aus der „Kapsel“ steigt erblickt er eine Stadt über den Wolken. Columbia heißt ihn willkommen und überall erblickt DeWitt das Antlitz eines Mannes namens Comstock, dem Propheten von Columbia. Zuerst scheint die Stadt ein Paradies zu sein (allerdings nur für die weiße Bevölkerung, wie sich rasch herausstellt). Manche Plakate warenen allerdings vor dem „falschen Propheten“, der auf seiner Hand – als Erkennungszeichen – die Buchstaben AD tätowiert hat. Was – natürlich – auf Booker DeWitt zutrifft. Die Prophezeiung von Comstock geht aber noch weiter, denn der „falsche Prophet“ würde kommen, um das „Lamm“ Columbias zu entführen …

In den letzten Monaten gab es ja immer wieder Berichte darüber, wie großartig „Bioshock Infinite“ werden würde, ein „Meilenstein“ des Genres und die Rettung vor den „banalen Ego-Shootern“. Die ersten Videos zeigten tolle Grafik und sehr intensive und großartige Spielszenen. Dazu noch Ken Levine als Designer, der eine großartige Story versprach – was wollte man mehr? Es schien möglich, dass „Bioshock“, dessen zweiter Teil – obwohl ein großartiger Shooter – doch die Mehrheit enttäuscht hatte, endlich seinen grandiosen Nachfolger bekommen würde.

Ihr merkt schon – im obigen Absatz kommen viele Konjunktive vor. Denn „Bioshock Infinite“ kann trotz großer Worte und genialer Trailer die meisten Versprechen schlichtweg nicht einhalten. Um die Empörung allerdings gleich wieder abzufangen: Trotzdem ist es ein absolut empfehlenswertes Spiel geworden.

Ich lasse jetzt mal die ganzen Versprechen die gegeben wurden (Spielszenen in den Trailern, die im Spiel nie vorkamen) beiseite, denn sie haben zwar bei vielen zur Enttäuschung geführt, tun aber – was das eigentliche Spiel dann betrifft – nichts zur Sache. So wie es veröffentlicht wurde, so ist es nun mal. Punktum.

Die beiden für mich wichtigsten Gründe, weshalb ich das Spiel allen nur empfehlen kann, hängen eng zusammen: Elizabeth und die Story.

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Zuerst zu Elizabeth: Wer unter euch jemals Resident Evil 4 gespielt hat, der/die weiß sicher, wie nervig es sein kann, eine computergesteuerte Begleiterin zur Seite zu haben. Nervig, bockig und noch dazu nicht einmal wirklich sympathisch. Elizabeth ist anders. Ab dem Zeitpunkt, an dem ihr Elizabeth gefunden habt (und die Art und Weise, wie sie in die Handlung eingeführt wird ist genial), ist sie die meiste Zeit über eure Begleiterin. Ihr werdet sie lieben. Sei es als Charakter, genauso wie als Hilfe und Unterstützung. Ich kann gar nicht sagen, wie oft mir die Dame das (virutelle) Leben gerettet hat. Ganz abgesehen davon, dass sie schlichtweg der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Spiels ist. Damit meine ich den Charakter als Teil der Handlung und auch als Teil der Spieldynamik. Die junge Frau kann nämlich so genannte „Risse“ auftun und damit aus anderen Dimensionen hilfreiche und oftmals strategisch wichtige Element auf den Schlachtfeldern (deren es viele gibt und die genau auf Elizabeths Fähigkeiten hin designt wurden) platzieren. Da ist es schon ganz gut, wenn man sich überlegt, ob jetzt „Erste Hilfe“-Pakete wichtiger sind, als vielleicht ein Geschützturm.

Das zweite große Argument, das ich hervorheben will, ist die Handlung des Spiels selbst und damit einhergehend die Spielwelt. Columbia ist fantastisch. Ganz einfach. Grafisch vielleicht nicht der übergroße Hammer, aber vom Design her einfach unglaublich toll. Da – wie bei Bioshock üblich – der Handlungsort ein großer Teil der Handlung an sich ist, kann man nicht umhin, als die Leistung des Teams hinter „Infinite“ zu loben. Das klingt im ersten Moment vielleicht seltsam, ist aber einfach: Wie diese Stadt im Himmel möglich ist bzw. wie es dazu kam, dass Columbia gebaut wurde, findet man nach und nach über diverse Audioaufzeichnungen heraus und alle diese kleinen Informationen ergeben gegen Ende einen Handlungsstrang, der auch sehr eng mit Elizabeth verknüpft ist. So wie Rapture aus Bioshock 1 und 2 in seiner Existenz ein großer Teil der Handlung war, so ist es hier Columbia. Auch die Veränderung der Welt um den Spieler/die Spielerin herum, je weiter die Handlung fortläuft ist sehr gut gelungen. Von den (wenigen) genialen Auftritten des Songbird, will ich jetzt nicht groß schwärmen. Die sind einfach super und beeindruckend.

Da liegt auch für viele das große Manko an „Bioshock Infinite“: Trotz großartiger Kulisse, Story und Elizabeth versteckt sich letztlich „nur“ eine stumpfe Shootermechanik dahinter, die sich auch nicht zu dumm ist, immer wieder Passagen einzubauen, bei denen schlicht alle Feinde ausgeschaltet werden müssen, bevor sich eine bestimmte Tür öffnet. Altmodisch? Auf jeden Fall. Immer noch spannend? Definitiv.

Dass die Spezialfähigkeiten in Columbia jetzt „Vigors“ heißen und DeWitt damit Blitze verschießen, einen Schwarm Krähen auf die Gegner hetzen oder sie durch Gedankenmanipulation kurz auf seine Seite ziehen kann, ist auch nicht neu, macht aber immer noch Spaß.

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Mittlerweile dürften ja viele die Story kennen bzw. verrate ich nicht zu viel, wenn ich sage, dass es im Laufe der Handlung zu einer Szene kommt, bei der Booker DeWitt Elizabeth erklärt, dass er früher großes Unrecht getan und viele Menschen grausam getötet hat – manche meinen, dass die – doch zum Teil sehr brutale – Shootermechanik nicht in das Storysystem passt, weil DeWitt auf der einen Seite seine alten Taten bereut und auf der anderen doch sehr brutal zu Werke geht. Soweit es mich betrifft: DeWitt erzählt Elizabeth zwar von „früher“, in mir kam aber zu keiner Sekunde das Gefühl auf, dass DeWitt seine Taten wirklich bereut. Eher im Gegenteil – wenn er Elizabeth rettet, ist seine Schuld getilgt. Das ist sein Credo. Wenn er dafür neue Schuld auf sich laden muss – egal, denn – und jetzt kommt es – wenn er das Mädchen erst gerettet hat, dann ist seine Schuld beglichen. Alles klar?

Das Ende der Geschichte teilt die Spielergemeinde scheinbar in zwei Hälften: Die einen lieben es als den größten „Mindfuck“ seit Inception, andere finden es ziemlich mies und schlecht und können damit überhaupt nicht.

Ich für meinen Teil war auf die Auflösung gespannt und ein oder zwei Mal fiel mir glatt die Kinnlade runter (ja, es gibt mehr als einen Twist, aber sie hängen alle zusammen). Letztlich läuft es auf eine gute Geschichte hinaus, deren Auflösung innerhalb der Bioshock-Welt absolut Sinn hat und vor allem durch gut platzierte Momente innerhalb des Spiels sehr viel mehr Mysterium aufbaut, als letztlich dahinter steckt. Gut finde ich sie dennoch. Außerdem kann ich nicht umhin zu sagen, dass ich in einem Spiel mit Shootermechanik schon lange keine so gut präsentierte und durchdachte Story erlebt habe (das letzte Mal vielleicht bei Half-Life 2, wobei Valve ja bis heute nicht zu wissen scheint, wie sie die Geschichte zu Ende bringen sollen).

Alles in allem ist „Bioshock Infinite“ auf jeden Fall eine Empfehlung, sei es aufgrund der gelungenen Spielmechanik, der super präsentierten Story, der (auf höheren Schwierigkeitsgraden) anspruchsvollen Gefechte und – nicht zu vergessen – des wohl besten computergesteuerten Sidekick der Spielgeschichte: Elizabeth (und es tut mir fast weh, sie als computergesteuert zu bezeichnen, so lieb hab ich das Mädchen gewonnen). Allein deren Wandlung vom Unschuldslamm hin zur entschlossenen, jungen Frau ist schon super mitzuerleben und spricht sehr für die Charakterzeichnung innerhalb des Spiels. Von den besten ersten Worten, die ich je in einem Spiel gehört habe, und die bereits zu Anfang eine Gänsehaut den Rücken runterjagen, ganz zu schweigen:

Elizabeth: „Booker … are you afraid of god?“
Booker: „No. (pauses) But I am afraid of you.“

„Bioshock Infinite“ bekommt von mir 8,5 von 10 möglichen, auf einer Stadt in den Wolken seine Schuld tilgende, Punkte

PS: Ein großes Problem hat „Bioshock Infinite“ allerdings auf dem PC. Es gibt ein paar Hardware-Kombinationen, die das spielt – obwohl die Mindestanforderungen klar übertroffen werden – schlichtweg unspielbar machen. Ich habe drei Tage damit verbracht mich in diversen Foren und Blogs, sowie der Herstellerseite und Co schlau zu machen, wie man das Problem lösten kann – nichts davon hat funktioniert. Eine Framerate von 5fps ist einfach untragbar und irgendjemand hat da ziemlich gepfuscht. Es gibt auch – laut Foren – immer wieder Abstürze und Speicherfehler, sowie Soundprobleme, sowie auch während dem Spiel extreme Einbrüche der Framerate. Ich habe dann das Handtuch geworfen und bin auf die PS3-Version umgestiegen. Was mir als leidenschaftlichen PC-Gamer sehr weh getan hat, aber ich kann allen nur raten die Finger von der PC-Version zu lassen.


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