Das Leben ist Idylle. Japan. Freies Land. Ehre. Pflicht. Höflichkeit. Aber die Zeiten sind hart und Nobunaga will das gesamte Land unter seiner Herrschaft vereinen. Und dazu schreckt er auch vor Waffengewalt nicht zurück. Er überzieht das gesamte Land mit Krieg, verleibt sich eine Provinz nach der anderen ein verlangt absoluten Gehorsam. So passiert das auch in Iga, Heimatort von Naoe, die mit ihrem Vater und ihrer Großmutter ein beschauliches Leben lebt. Ihre Mutter ist verschollen – totgeglaubt.
Als Iga von Nobunaga und seiner Armee überfallen wird, muss sich Naoe beweisen – als Shinobi und als Erbin ihres Vaters. Jener Tag bzw. jene Nacht verändern alles. Zum einen erfährt Naoe viel über ihre Vergangenheit und ihr Vater hat viel vor ihr geheimgehalten. Das meiste davon hat mit einer versteckten Klinge zu tun.
Als Nobunaga dann Iga niederbrennt ist ein Samurai in der Gruppe dabei, der als Nobunagas Kampfhund dient – Yasuke. Ein schwarzer Samurai und klarer Feind von Naoe. Sie kommt nur knapp mit dem Leben davon.
Nachdem Naoe sich von den Schrecken dieser Nacht erholt hat und bereit ist in die Fußstapfen ihres Vaters zu treten, wird klar, dass auch der schwarze Samurai eine Rolle spielt, die anders aussieht als zuerst gedacht: Als Naoe in eine Falle gerät, da rettet er sie. Und schwört ihr die Treue. Denn auch er hat eine Vergangenheit mit der versteckten Klinge. Und das Wort „Templer“ hat für ihn eine viel größere und bedrohlichere Bedeutung als für Naoe.
Was sich jedoch bald ändern wird …
Viel hing am Erfolg von „Assassin’s Creed Shadows“. Ubisoft ist gestrauchelt, ach, was schreibe ich: Die sind schwer gestürzt. Und nachdem „Star Wars Outlaws“ den gewünschten Erfolg (weder in den Kritiken noch finanziell) gebracht hat, war die Frage, ob Ubisoft weiterhin Ubisoft bleiben wird. „Shadows“ hat die Sache zumindest zum Teil wieder rausgerissen – auch wenn eine zweimalige Verschiebung notwendig war, damit der Start möglichst bugfrei und rund abläuft. Aber das hat sich ausgezahlt – ich zumindest hatte bei meinem Durchspielen in über 100 Stunden keinerlei Probleme oder Bugs. Null. Nada. Keine.
Zumindest das ist Ubisolft geglückt. Allerdings muss man anmerken, dass auch „Dragon Age: The Veilguard“ technisch betrachtet absolut reibungslos gestartet ist und ich habe selten ein so poliertes (positiv gemeint) Spiel gespielt in den letzten Jahren. Geholfen hat es trotzdem nicht und das Spiel ist gnadenlos gescheitert.
Ein Schicksal, welches auch „Assassin’s Creed Shadows“ hätte bevorstehen können. Ich habe null Kenntnis über Verkaufszahlen, soweit ich jedoch herausfinden konnte war „Shadows“ ein Erfolg. Trotzdem hat Ubisoft ein paar seiner großen IPs ausgegliedert und (wenn ich mich korrekt entsinne) mit Tencent bzw. deren Geld ein neues Studio namens „Vantage Studios“ gegründet, welches die größten Marken á la Assassin’s Creed, Far Cry und Rainbow Six überwachen soll.
Wie dem auch sei – das nur als Hintergrund und warum der Erfolg von „Shadows“ für Ubisoft so wichtig war bzw. immer noch ist.
Was ist jetzt aber mit dem Spiel an sich? Nun, zuerst die Eckdaten: Wir bewegen uns in der Gegend von 1756 durch Japan. Wir haben zwei Protagonist:innen. Naoe als schleichende Shinobi und Yasuke als Samurai mit mächtig Durchschlag. Letzteren schaltet man allerdings erst im Laufe der Story frei. Bei mir hat das schon mal gut 15 Stunden gedauert, wenn nicht sogar länger. Und die beiden spielen sich tatsächlich verschieden. Mit Yasuke Aussichtspunkte erklettern? Vergesst es. Mit Naoe eine halbe Armee konfrontieren? Keine Chance. Die beiden haben klar ihre Rollen. Es gibt auch Missionen, die entweder die eine oder der andere annehmen kann und der oder dem anderen versperrt sind. Das ist im Regelfall allerdings von der Story her völlig klar und nachvollziehbar. Bis auf kleinere Ausnahmen, in denen zB Yasuke einen Gefangenen befreien soll. Ich hatte jedoch mehr Lust auf Stealth. Die Folge: Als ich dann vor dem Gefängnis saß meinte Naoe sinngemäß: „Da ist ein Gefangner den Yasuke befreien sollte.“ Und das war es dann. Nix mit „trotzdem Tor öffnen“ oder so. Hätte man vielleicht besser lösen können. Wobei das bei mir nur ein einziges Mal vorkam.
Von den doppelten Protagonist:innen abgesehen gibt es auch noch ein paar weitere Neuerungen: Die Aussichtspunkte zum Beispiel. Die sind immer noch da, nur ist es dieses Mal so, dass sie nicht die gesamte Karte aufdecken, sondern nur einen Teil und außerdem muss man selbst die Gegend von dort oben aus absuchen und so deckt man nach und nach interessante Orte auf. Diese werden mit einem Fragezeichen markiert und wer wissen will, was sich dort versteckt muss schon selbst hinlaufen/reiten. Hat ein wenig gedauert, bis mir das klar wurde – finde ich aber im Nachheinein ein passende und coole Idee. Wer alle Aussichtspunkte einer Provinz erreicht hat, deckt (seit dem letzten Patch zumindest) die gesamte Provinz auf. Find ich auch gut.
Neu ist auch, dass die Möglichkeit die Skilltrees bis oben zu nutzen nicht nur an Erfahrungspunkte, sondern an Wissenslevel geknüpft ist. So muss man – auch hier pro Person verschiedene – Nebenaufgaben erfüllen und beim Erreichen einer bestimmten Anzahl wird das nächste Wissenslevel freigeschaltet und man kann auf neue Skills zugreifen. Auch zuerst ungewohnt, aber mit der Zeit hat mir das auch gefallen. Zumal die Nebenaktivitäten Spaß machen und man kommt auch ganz nach oben wenn man nicht alle „abarbeitet“.
Einige werden vermutlich sauer sein, dass die versteckte Klinge nicht automatisch alle Gegner liquidiert, dazu muss man erst Skills freischalten, die in meinen Augen jedoch rasch zu erreichen sind und mit der richtigen Ausrüstung wird man immer noch zum tödlichsten Schatten in der Nacht. Ich hatte zB meine Tanto ausgerüstet, was bedeutet, dass Doppel-Attentate möglich waren und noch dazu Kleidung angelegt, die ich mit einem Buff verstärkt hatte, welcher es Nao ermöglichte nach erfolgreichem Einsatz der versteckten Klinge ein Wurfmesser auf den nächstbesten Gegner zu werfen – One-Hit-Kill inklusive. Macht Spaß, kann ich nur sagen.
Genauso wie es Spaß macht mit Yasuke versperrte Türen einfach niederzurennen oder Gegner mit dem berüchtigten Kick durch die Gegend zu kicken. Auch die Auswahl der Waffen ist breit und passt zur jeweiligen Figur, auch wenn ich für mich realativ rasch beschlossen hatte, mich auf Katanas, Bogen und die versteckte Klinge zu konzentrieren.
Das Kampfsystem setzt auf Parieren oder Ausweichen – roten Angriffen muss man ausweichen und blaue Angriffe kann man parieren. Allerdings habe ich das Timing nie so richtig hinbekommen. Macht aber nix – vorausgesetzt es stört euch nicht, wenn eure Figur (Naoe zumindest – Yasuke steckt so viele Treffer ein, dass er ohnehin fast nicht sterben kann – mit der richtigen Rüstung!) herumrollt wie Geralt in „The Witcher: Wild Hunt„.
Ihr merkt es schon: Ich mochte und mag „Shadows“. Nämlich wirklich. Das Gameplay ist großartig. Stealth funktioniert toll – vor allem mit Naoes Greifhaken und der Möglichkeit Lichtquellen zu löschen. Die zerstörbare Umgebung macht auch Laune. Und das sich die Jahreszeiten (je nachdem wie oft man die Schnellreise nutzt und andere Parameter, die gezählt werden) unregelmäßig ändern fand ich auch toll. Zumal Japan im Winter wirklich gänzlich anders aussieht als im Frühling oder Herbst (grandiose Farben! Überhaupt sieht das Spiel wahnsinnig toll aus!). Mitzählen darf man allerdings nicht und das Timing ist manchmal storytechnisch ein Problem. Wenn ich zB rasch und dringend aus Storygründen von A nach B muss und auf einmal ist am Weg statt Herbst Winter, dann passt das nicht immer so ganz mit der Zeit zusammen, die da am Weg überhaupt vergehen kann. Aber geschenkt. Das sind Kinderkrankheiten und das System selbst ist super. Und – wie gesagt – optisch generell 1A.
Was ich Ubisoft allerdings ankreide bzw. was sie wirklich selten hinbekommen ist das Erzählen der Story: Vorweg: Ich mag die Story. Ja, es ist eine Rachgeschichte, aber es steckt mehr drin. Nur wird sie ein wenig holprig erzählt. Am Anfang hat man eine richtige Wagenladung an Rückblenden, Zwischensequenzen und Story – und dann passiert viele Stunden in denen man/frau die zwölf Attentatsziele und alle anderen (unglaublich viele) Zielpersonen ausschaltet wenig bis nichts. Die Figuren bleiben wenig im Kopf, die Geschichten sind nett, aber nicht herausragend und eigentlich bleibt man nur dran, weil die Game-Mechaniken einfach toll sind und super funktionieren. Das Gameplay macht einfach Spaß. Und dann wird am Ende wieder ein Haufen Story aus dem Ärmel geschüttelt.
Da hat man eine große Chance verpasst. Die Storyrückblicke und/oder die Offenbarungen und diverse Plot-Twists (nennen wir es mal so) hätte man ja mit den Zielen verknüpfen können und wie in den älteren Teilen (oder das letzte Mal in großartiger Form in in „Origins„) nach Erledigen der Zielpersonen in Zwiegesprächen und/oder spielbaren Rückblicken erzählen können. Das wäre sich locker ausgegangen. So wäre man mehr an der Story drangeblieben und gerade die Rückblenden hätten sich perfekt dafür angeboten. Die Reihenfolge wäre ja egal gewesen, weil man ja eh alle in den richtigen Kontext setzt. Schade. So meuchelt man sich stundenlang durch austauschbare Gegnerhorden (erneut: Gampelay ist großartig), bis am Ende dann auf einmal alles gleichzeitig passiert.
Naoe und Yasuke sind toll – vor allem in Kombination. Und die Szenen in welcher sie (zwei Mal) als Gegner aufeinandertreffen fand ich richtig großartig. Vor allem das zweite Mal, als Naoe realisiert, wer sie da begleitet hat die ganze Zeit und warum sie anfangs als Monster gesehen wurde. Da hatte ich wirklich nasse Augen – das war ganz großes Kino. Ja. Danach sind Yasuke und Naoe ein bisschen sehr schnell sehr gute Freunde (je nachdem, welche Missionen ihr als nächstes angeht kann es schon sein, dass die beiden fünf Minuten später scherzen wie ewige Freunde). Hat man das mal akzeptiert ist allerdings wieder alles in Butter und die Beziehung der beiden, geprägt von Respekt und einem gemeinsamen Ziel, ist wunderbar anzusehen. Auch wenn man in den Missionen immer nur einen der beiden spielt, so gibt es auch immer wieder mal Aufträge, bei denen beide zB ein Schloss stürmen und Naoe die Schützen ausschalten muss während Yasuke im Hof aufräumt. Funktioniert. Aber auch das hätte man sicher besser lösen können.
Auch besser hätte man die Gegenwartsstory lösen können, die mit einer ziemlich interessanten Prämisse einhergeht. IHR/WIR, die Spieler:innen, sind das nächste Ziel der Templer:innen. Gehirnwäsche, Lügen und KI – mit diesen Methoden sollen wir unterjocht werden. Und die spielbaren Erinnerungen von Naoe und Yasuke erwecken den Geist der Rebellion in euch/uns. Coole Idee – auch nett gemacht, aber leider sind die Storyschnipsel im Animus-Hub, im sogenannten „Vault“ versteckt. Ihr müsst regelmäßig neu generierte Missionen erfüllen, damit Punkte sammeln und nur dann könnt ihr Belohnungen freischalten. Es gibt mehrere „Projekte“. Und in 21 Stufen pro Projekt schaltet man entweder Ausrüstung, Keys oder eben Storyschnipsel (Audio-Logs, Textfragmente, usw) frei. Nett und eigentlich okay. Ein bisschen zäh ist es dennoch, wenn ich drei Tage warten muss auf die nächsten generierten Missionen und doch nur wissen will, wie dieser Teil der Story weitergeht.
„Assassin’s Creed Shadows“ bekommt von mir 8,5 von 10 möglichen, ein rundum cooles Erlebnis bietende, Punkte.
PS: Nein, „Assassin’s Creed Shadows“ ist kein „Ghost Of Tsushima“ oder „Ghost Of Yotei“. Es ist in erster Linie ein „Assassin’s Creed“ mit all dessen Vor- und Nachteilen. Das muss euch klar sein, sonst werdet ihr enttäuscht. Ich für meinen Teil? Ich find’s/fand’s großartig.