Ghost Of Tsushima – Director’s Cut (Game-Review)

Im Jahr 1274 wird die Insel Tsushima von den Mongolen überfallen. Unter Führung des Generals Khotoun Khan, ein Verwandter von Genghis Khan, will die Armee die Insel unter ihre Kontrolle bringen, um von dort aus das Festland anzugreifen.

Die unterlegenen Samurai stellen sich der gegnerischen Übermacht, werden aber im Kampf aufgerieben, vor allem auch dadurch, dass die Samurai ehrenvoll Mann gegen Mann kämpfen wollen, während die Mongolen alle Tricks nutzen, die ihnen einfallen.

Wie es scheint hat nur der Samurai Jin Sakai das Gemetzel überlebt. Sein Onkel war der Herrscher auf der Insel, dieser scheint sogar überlebt zu haben, aber er wurde von Khotun Khan entführt. Jin schwört, seinen Onkel Shimura zurückzuholen und unter der Leitung der Diebin Yuna plant er seinen Feldzug aus dem Schatten, ganz entgegen den ehrenvollen Tugenden, die ihn sein Onkel Shimura gelehrt hatte.

Während Jin immer mehr mit den Methoden kämpft, die er anwenden muss, um eine Chance zu haben, macht er sich auf der Insel einen Namen und er wird als „Der Geist“ bekannt. Aber Gewissensbisse regen sich: Selbst wenn er Tsushima von den Mongolen befreien kann … kostet dieses ehrlose Verhalten ihn nicht vielleicht seine Seele?

„Ghost Of Tsushima“ wurde 2020 als Exklusivtitel für die PS4 veröffentlicht und wurde ein ziemlicher Erfolg. Die Kritiker lobten die Spielwelt und die Spieler:innenführung, auch wenn mancherorts die „vohersehbare“ und „hanebüchene“ Handlung kritisiert wurde. Gerade in deutschsprachigen Printmedien wurde, wie meistens, über die flachen Hauptcharakter und ähnliches eher negativ geschrieben. Aber das Gameplay solle ein Hammer sein.

Wie so oft, wenn es um die Story oder die Figuren geht, habe ich das als ganz anders empfunden.

Ich fand tatsächlich, dass Jin Sakai ein grandioser Charakter ist, gerade weil er ruhig und besonnen ist, er spricht überlegt, er handelt überlegt und auch wenn er auf Methoden zurückgreifen muss, die ihm nicht gefallen, so entscheidet er sich bewusst dafür und er „rutscht nicht hinein“. Das finde ich großartig. Er weiß genau was er macht, er weiß, dass er keine andere Chance hat, als aus dem Hinterhalt anzugreifen und auf andere Mittel zurückzugreifen, die ihm im Innersten zutiefst zuwider sind und deshalb hadert er schwer mit sich.

Die Verbündeten, die er um sich vereint, sind ebenfalls Figuren, die mir rasch ans Herz gewachsen sind, ganz egal, ob es sich dabei um die Diebin Yuna handelt oder um den Meisterbogenschützen Ishikawa. Ich fand alle Figuren toll geschrieben und ihre Questreihen spannend, ihre Hintergründe in den meisten Fällen wollte ich unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Aber auch die Haupthandlung fällt in meinen Augen nicht wirklich ab. Ja, man hat in etwa eine Ahnung, was passieren wird im großen Rahmen, aber der Weg dahin ist voller Abzweigungen und Schicksalsschlägen. Und diese sind streckenweise dramatisch und haben mich auch wirklich berührt.

Was die Sache für mich so großartig machte und mich wirklich mitfiebern ließ, war eben die Figur von Jin Sakai, der sich hin und wieder dazu entscheidet – bewusst dafür entscheidet – Dinge zu tun, die moralisch absolut verwerflich sind, aber die Erkenntnis, dass es keine andere Chance gibt und durch seine Taten viele Leben gerettet werden können, lassen ihn handeln, wie er nunmal handelt (Das ist Spoiler-Territorium, drum bleibe ich so kryptisch). Und ich war bis zum Ende emotional absolut dabei. Großartig.

Wie ist jetzt das Gameplay? Nun, das ist im Grunde genommen eine Mischung als diversen Zutaten aller Open Worlds, die in den letzten Jahren irgendwie Erfolg hatten. Das klingt jetzt vielleicht im ersten Lesen negativ, aber Sucker Punch (denen wir ja auch alle Teile des „inFamous“-Franchise zu verdanken) haben ganze Arbeit geleistet: Es ist alles da. Ihr habt Sammelkram, ihr habt Herausforderungen, ihr habt Fuchsschreine zu finden und vieles weitere. Dazwischen natürlich immer wieder Begegnungen mit den Mongolen und auch anderen Dieben.

Und damit kommen wir zum Herzstück von „Ghost Of Tsushima“, denn das ist der Schwertkampf. Ja, Jin kann auch mit dem Bogen schießen und ein paar andere Tricks anwenden, aber das A und O und eure Go-To-Lösung wird im Regelfall (wenn euch die Story nicht zum Schleichen zwingt) der Schwertkampf sein. Und der ist so eingeteilt, dass es vier verschiedene Kampfstile gibt, die gegen verschiedene Gegner bzw. in verschiedenen Situationen Vor- und/oder Nachteile haben. Und nach einer kurzen Eingewöhnungszeit werdet ihr diesen Schwertkampf lieben.

Es gibt zum Beispiel immer wieder diverse Duelle, die ihr im Spiel bestreiten müsst – ja, es gibt auch ein paar optionale, aber mein Tipp: Spielt sie alle. Unglaublich intensiv – und diese haben es in sich. Es ist eine 1:1 Situation und teilweise wird euch alles abgefordert, dafür haben diese auch eine Spannung in sich, die wirklich genial ist. Und es hängt absolut vom Timing ab. Ihr könnt überstarke Gegner mit genug Ruhe und Gelassenheit besiegen – ihr braucht halt länger. Und das Gefühl dabei ist ein Hammer.

Und dazu kommt jetzt auch nach die zweite große Sache, die „Tsushima“ so großartig macht: Es ist richtig, richtig gut inszeniert und schön anzusehen. Wer alte Samurai-Filme kennt, der oder die weiß, was ich meine: Wälder, Farben, coole Architektur, Sonnenuntergänge, Wind, der über die Felder fegt, optisch ist alles wunderbar, auch das Art-Design ist grandios gelungen und die Inszenierung ist im besten Sinne cineastisch. Da kämpft ihr im roten Blätterregen unter Bäumen. Da steht ihr euch auf einer Brücke im Regen gegenüber. Da gibt es ein Duell auf einem Felsen am Strand, während hinter euch die Brandung tobt und zischt.

Zusammengefasst: „Ghost Of Tsushima“ macht nichts neu, aber es nimmt erfolgreiche und bewährte Teile, packt es in eine inszenatorisch ansprechende, visuell großartig umgesetzte Geschichte, stellt einen tollen Hauptcharakter in die Mitte einer Gruppe von interessanten Nebenfiguren und würzt das Ganze noch mit einem ausgefeilten und absolut Lust auf mehr machenden Kampfsystem und der Hit ist fertig.

Und selbst nach Abschluss der Hauptstory war ich der Duelle immer noch nicht müde. „Ghost Of Tshushima“ ist tatsächlich ein Paradebeispiel für die bekannte Floskel „Mehr als die Summe seiner/ihrer Teile“.

Und Randnotiz: Wer kann sollte sich die Story-Erweiterung „Iki Island“ holen, denn die ist genauso grandios wie das Hauptspiel.

„Ghost Of Tsushima“ bekommt von mir 9,5 von 10 möglichen, absolut großartige Punkte.


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