Sawyer Scott (Hermione Corfield) ist eine ambitionierte Studentin, die sich gerade ein Vorstellungsgespräch in Washington DC gesichert hat. Sie sagt deswegen die gemeinsamen Thanksgiving Pläne mit ihrer Familie ab und weil es ihr peinlich wäre, wenn sie den Job nicht bekommt, verrät sie Niemanden, was sie genau vor hat. Bei der dazu nötigen Autofahrt verlässt sie dann wegen dem Feiertagsverkehr, die normale Strecke. Ihr GPS schickt sie jedoch tief in die Wälder von Kentucky, wo sie etwas orientierungslos stehen bleibt und ihre Karte studiert.
Zwei Männer bleiben ebenfalls stehen und bieten ihr ihre Hilfe an. Sawyer merkt dabei ziemlich schnell, dass diese Kerle nichts Gutes im Sinn haben und beim anschließenden Handgemenge, kann sie sich erfolgreich wehren und flüchtet in den Wald. Dabei wird sie jedoch verletzt am Oberschenkel, hat ihr Handy nicht dabei und hat keine Ahnung, wie sie aus diesem Wald wieder heraus kommen soll und dann wären da ja auch noch ihre beiden Verfolger…
Regisseurin Jen McGowan arbeitet die meiste Zeit über an Kurzfilmen und Serien (z.b. bei The Twilight Zone oder Star Trek Discovery). Für dieses im Jahr 2018 entstandene und bei uns 2021 veröffentliche Projekt, hat sie sich jedoch an ihren zweiten Spielfilm gewagt. Dabei handelt es sich um einen Survival-Thriller und sicher auch um eine „Coming of Age“ Story (also dem Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein) von Hauptfigur Sawyer.
Eine „normale“ Dame wird von bösen Männern gejagt, wachst während den folgenden Ereignissen über sich hinaus und ist am Schluß ganzheitlich ein stärkerer Mensch, als sie es zuvor gewesen ist. An sich ein sehr bekannte/etablierte Geschichte. Hier werden die Zutaten dazu dann aber so präsentiert, dass man vor allem eines ist und das ist involviert. Zunächst mal wirkt es hier nie, als wäre eine Agenda dahinter, im Sinne von: die gute Dame gegen die ach so böse Männerwelt.
Besonders Sawyer selbst bleibt immer nachvollziehbar, agiert teilweise sehr clever, trifft dann aber auch wieder unüberlegtere Entscheidungen, verliert dabei aber nie den Kampfgeist. Ich habe dank der imdb gemerkt, dass ich bereits fünf Filme mit Hermione Corfield in Nebenrollen gesehen habe, aber erst dank The Misfits ist mir ihr Gesicht bekannt vorgekommen und dank Rust Creek, werde ich sie so schnell nicht wieder vergessen.
Sie ist einfach authentisch als Sawyer, ein echter, greifbarer Mensch und immer sympathisch, auch wenn man man selbst in gleichen Situationen, anders gehandelt hätte. Zusätzlich muss ich dabei folgendes anerkennend erwähnen. Corfield ist ja Londonerin, was man in Interviews auch sehr eindeutig hört. Da ich Filme ja meistens auf englisch sehe, kam ich in den Genuss ihres eintrainierten, amerikanischen Akzentes und ich muss sagen wenn ich es nicht wüsste, hätte ich nie geglaubt, dass sie keine Amerikanerin ist. Dies ist somit schauspielerisch ganzheitlich einfach eine tolle Leistung von ihr.
Auch die Herren machen ihre Sache gut und da kann man dem Drehbuch durchaus zugute halte, dass fast alle der wichtigen Nebenfiguren, auch Ecken und Kanten haben. Besonders die Beziehung zwischen Sawyer und Drogenkoch Lowell ist dabei interessant, denn die beiden entwickeln einen Respekt für einander und fallen nie auf die „sie ist nur ein College-Mädchen bzw. er ist nur ein Verbrecher“ Ebene zurück.
Zusätzlich sind diese Momente ein Innehalten, die Flucht von Sawyer wird unterbrochen und sie kann dabei nicht nur über ihre jetzige Situation, sondern ihr Leben an sich nachdenken. Ein schöner Metapher wieder mal auf die Hektik unseres Alltagslebens, wo es oft einen Event außerhalb der Norm braucht, um zum Nachdenken und Reflektieren zu kommen. Was sich dabei wohl von selbst versteht, ist dass dies trotz der Konflikte ein ruhiger Film ist, dem es immer um die Figuren geht und nie um Action oder Gewalt.
Insgesamt also ein durchgehend spannender Film, der von den sich echt anfühlenden Figuren lebt und mit Hermione Corfield, von einer überragenden Darstellerin getragen wird. Ich bin ziemlich bald zu Beginn des Filmes durch die Atmosphäre in den Film hinein gesaugt worden und habe die Entwicklung von Sawyer gespannt verfolgt. Ja, dies ist ein kleiner, teilweise richtig intimer Film, also genau das Richtige, um sich vom letzten Blockbuster zu erholen.
„Rust Creek“ bekommt von mir 7/10 dem GPS niemals mehr uneingeschränkt vertrauende Empfehlungspunkte.