Ich habe ja bereits mehrfach erwähnt, was für ein Epos „Mass Effect“ 1 bis 3 in meinen Augen sind und seine Stellung im Videospielbereich ist – unabhängig davon, wie euch das Ende gefallen hat – bis dato unerreicht. Was Bioware da jahrelang durchgezogen haben einfach fantastisch.
Kritik kam immer wieder weil die Rollenspiel-Anteile zurückgefahren wurden, was ich nachvollziehen kann, mich aber in Anbetracht der grandiosen Charaktere und der Story nicht wirklich gestört hat. Der große Krach kam dann mit dem Ende des dritten Teils inklusive (bzw. hauptäschlich) dem Vorwurf, es würde keinen Unterschied machen, was man in den ersten beiden Teilen für Entscheidungen getroffen hätte, weil es immer „fast gleich“ ausgehen würde.
Das mag stimmen. Denn ich kann mir schwer vorstellen, wie viele mögliche Enden man programmieren müsste, wenn tatsächlich alle Kleinigkeiten berücksichtigt werden müssten und allein die Planung, was in „Mass Effect 3“ alles passieren muss inklusive aller „Wenn, dann…“-Fragen ist schon eine Leistung, die ich Bioware so nicht zugetraut hätte.
So berechtigt die Kritik am „Such dir eine Farbe aus“-Ende auch sein mag – was in meinen Augen oftmals übersehen wird, ist die Tatsache vom Spielverlauf BEVOR dem Ende. Denn „Mass Effect 3“ ist in Summe ein Finale. Es gibt so viele Elmente bereits während dem gesamten Spiel, die sich ändern, je nachdem, was ihr in den Vorteilen getan habt – dass ich einfach nur ob der Leistung des Teams meinen Hut ziehen kann.
Und ab jetzt folgen SPOILER.
Ein Moment, der mich wieder mal zu Tränen gerührt hat, war klar die Konfrontation zwischen Tali und Legion. Beide sind sehr einzigartige Charaktere und auch wenn Legion klar der ungewöhnlichere ist, so ist Tali wohl diejenige, die man einfach ins Herz schließen muss. Da gibt es nichts groß zu diskutieren.
Es gibt einen Punkt, an welchen (je nachdem wie ihr gespielt habt) Tali und Legion sich auf einem Planeten gegenüberstehen, während weiter oben die Flotten der Geth (Legion’s Leute) und der Quarianer (Tali’s Leute) sich bekriegen. Die Quarianer haben Angst vor den Geth und haben begonnen sie anzugreifen. Die Geth widerrum haben Angst davor von den Quarianern endgültig vernichtet zu werden und wehren sich vehement. Wirklich gewinnen kann keine der beiden Seiten.
Da man als Shepard beide Seiten und deren Standpunkte kennt und gerade Legion viel zum Verständnis der beiden Völker beigetragen hat, während Tali im Laufe der drei Spiele immer mehr Empathie gegenüber dem Robotervolk (und allen voran natürlich Legion) zeigt, ist es ein Moment, in welchen ich einfach nur vor dem Monitor saß und hoffte, das möge doch alles irgendwie gut ausgehen können.
Tali versucht den Anführer ihrer Flotte davon zu überzeugen mit dem Beschuss aufzuhören, aber der kerl ist so verbohrt, dass er nicht daran denkt. Legion fleht Shepard an, ihm zu erlauben einen Code ins kollektive Bewusstsein der Geth hochladen zu dürfen, der die Geth befähigt sich angemessen zu wehren und ihnen damit eine Chance auf das Überleben zu sichern.
In meinem ersten Durchlauf von Mass Effect habe ich zugestimmt: Legion soll den Code hochladen, denn die Geth haben es nicht verdient ausgelöscht zu werden. Alle haben ein Recht auf Überleben und wenn die Quarianer angreifen, so ist es doch völlig in Ordnung, wenn die Geth sich wehren.
Dachte ich.
Dass durch den hochgeladenen Code (der Legion umbringt, weil er sich „im Code auflöst“) dazu führt, dass die Geth sozusagen … menschlicher werden, damit die Quarianer besiegen können – und damit aber nicht aufhören, sondern aus Angst(!) vor möglichen Gegenschlägen gleich die gesamte Flotte und das Volk der Quarianer auslöschen … damit hatte ich nicht gerechnet.
Und das alles bekomme ich in erster Linie über Funk mit, während Tali neben mir steht, meine Entscheidung mitbekommt und als Resultat tatenlos mitansehen muss, wie ihre gesamte Familie und alles, was von ihrem Volk übrig ist, im Himmel über ihr von der – dank meiner Entscheidung – überlegenen Geth-Flotte zerlegt wird.
Einen dermaßen großen Kloss hatte ich schon ewig nicht mehr im Hals.
Als dann noch Tali ihren Helm abnimmmt und sich von einer Klippe stürzt war es vorbei mit mir.
Das hatte ich nicht kommen sehen. Ich hatte es verbockt.
Und dann sind mir die Begegnungen mit Tali und Legion in Teil 2 eingefallen. Die Gespräche über die Geth, über die Quarianer. Über das Problem zwischen den beiden. Alle die Argumente, Diskussionen und Streitereien und – mein Verhalten bei diesen.
Dann dämmert mir.
Ich habe das ausgelöst.
Ich habe den Flottenadmiral dazu gebracht, das Feuer zu eröffnen bzw. ihn davon abgehalten, das Feuer einzustellen. Nicht indem ich etwas getan habe. Aber indem ich etwas NICHT getan habe.
Schweigen ist Zustimmung.
Selten habe ich das deutlicher gesehen, als hier.