Gotham versinkt in einem Sumpf aus Korruption. Falcone, der Pate, Hill, der korrupte Bürgermeister und scheinbar ein mittlerweile verstorbener Mann namens Thomas Wayne, haben die Stadt gut in der Hand. Aber es ist Wahljahr und die so genannte Elite hat einen neuen Gegner: Harvey Dent. Staranwalt und „weiße Weste“ in persona stellt sich der Korruption entgegen und kandidiert für das Bürgermeisteramt. Unterstützung in Form von Promotion und viel Geld für den Wahlkampf erhält er von niemand geringerem als Bruce Wayne.
Dieser bekommt zeitgleich eine Einladung zu einem Treffen mit seinem alten, besten Freund Oswald. Oswald Cobblepot. Einst waren die Cobblepots reich und angesehen, aber sie haben alles verloren und Oswald verließ das Land. Zurück kehrt er als verärgerter, bitterer und von Rachegedanken getriebener Emporkömmling, der Bruce davor warnt, dass die „Kinder von Arkham“ sich Gotham zurückholen werden.
Es kommt, wie es kommen muss: Bruce Wayne wird mit einer Vergangenheit konfrontiert über die er nichts wusste, während Batman von neu aufgetauchten Schurken dazu benutzt wird, sich der „alten“ Korruption zu entledigen und dabei leider neue und vielleicht noch gefährlichere Gegenspieler auf den Plan lockt oder erschafft.
Telltale hat bei mir ja grundsätzlich einen dicken Stein im Brett. Seit den drei Seasons von „Sam und Max“ bin ich großer Fan ihrer Autoren und seit „Hectors Badge Of Carnage“ weiß ich, dass die einfach alle irre sind – im positiven Sinn. Als dann „The Walking Dead“ erschien war ich – wie so ziemlich alle – völlig von der Rolle, denn das mich dieses Spiel dermaßen mitnimmt, damit hatte ich nicht gerechnet.
Seitdem ist eine Lawine an neuen Telltale Episodenspielen gekommen, deren Großteil mich sehr gut („The Wolf Among Us„, „The Walking Dead Season 2“ oder „Tales From The Borderlands„) oder zumindest halbwegs gut unterhalten hat. „Minecraft“ habe ich bewusst ausgelassen (das Setting juckt mich absolut nicht) und ähnliches gilt für „Game Of Thrones“.
Bei Batman setzt Telltale auf eine neue Engine, die allerdings – um das gleich anzumerken – gerade in Episode 4, zumindest bei meiner PS4 halbwegs starke Ruckler zustande bringt. Die meiste Zeit über läuft alles reibungslos, aber das hat halbwegs genervt – zumal die Grafik ja jetzt nicht unbedingt als wirklich Rechenpower fordernd bezeichnet werden kann.
Ebenfalls gilt wie immer: Die Stärke von Telltale liegt in den Geschichten, Dialogen und Charakteren – so etwas wie Gameplay hat sich schon seit einer geraumen Weile nicht mehr blicken lassen. Auch wenn versucht wird in „Batman“ so etwas wie kleinere Puzzles einzubauen, so sind diese sehr rar und tatsächlich auch wenig bis überhaupt nicht fordernd.
EPISODE 1: Realm Of Shadows
Der Einstieg in Batmans Welt gelingt Telltale gleich mal sehr gut. Batman erwischt Catwoman bei einem Einbruch und Raub und stellt sie – es kommt zum Handgemenge und der dunkle Rächer muss gleich mal feststellen, dass es Gegner gibt, die nicht so leicht zu besiegen sind wie die Durchschnittsgauner. Auffällig rasch geschnitten, aber mit extrem leichten Quicktime-Events versehene Actioneinlagen sind ja immer nett anzusehen und diese hier ist wirklich wuchtig inszeniert. Man bekommt tatsächlich das Gefühl: Dort wo Batman hinhaut wächst kein Gras mehr.
Die Story allerdings setzt weit mehr auf Bruce Wayne als auf Batman – denn in erster Linie geht es um die Wahl zum Bürgermeister, die ansteht. Und Bruce unterstützt seinen Freund Harvey Dent – den Ritter in strahlend blütenweißer Rüstung. Die Auftritte der aus dem Batman-Universum bekannten Figuren zählen dann auch zu den Highlights der Folge, denn die Interpretationen von Catwoman, Harvey Dent, Oswald Cobblepot und weiteren ist wirklich spannend und sehr gut gelungen.
Der grandiose Plottwist am Ende der Folge war so toll (Vorsicht: Sarkasmus), dass ich das Spiel dann erst mal ein paar Wochen habe liegen lassen. Irgendwie hat mich das Ding nicht so richtig gepackt. „Toll“, dachte ich. „Bereits nach einer Folge die Luft raus.“
Episode 1 Fazit: Super Einstieg, tolle Figuereneinführung – schwacher Twist und noch zu wenig Story, um mich wirklich mitzureißen. Schade. Auf dem PC außerdem eine Ruckelorgie gewesen, weshalb ich dann auf die PS4 umgestiegen bin. Auch das hat vielleicht meine Begeisterung stark gebremst.
EPISODE 2: Children Of Arkham
In der zweiten Episode wird die Sache dann doch unerwartet spannender: Die Geheimnisse und Enthüllungen rund um die Familie Wayne nehmen Bruce doch halbwegs mit und als Batman muss er von nun an nicht nur unschuldige Bürger*innen (Ha! In Gotham? Hahahaha) retten, sondern sich auch noch um die Rettung von Bruce Waynes Familiennamen kümmern.
Es dreht sich hier ohnedies weit mehr um die Entwicklung von Bruce und seine Beziehung zu den anderen Charakteren, den während Batman für alle immer einfach Batman ist (also guter Rächer, oder böser Selbstjustizler) schwankt Bruces Ansehen in der Öffentlichkeit.
Wider Erwarten habe ich dann doch wieder zum Controller gegriffen, denn irgendwie dachte ich mir schon, dass Telltale das hinkriegen werden und – siehe da – tatsächlich. Episode 2 zieht an und bringt mehr Entscheidungen und – was weit wichtiger ist – die Story endlich in Fahrt. Der Fokus geht mehr in Richtung Gegenspieler: Wurde Bruce in Episode 1 noch gewarnt, dass eine Revolution kommen wird, so beginnt diese nun.
Ich gebe zu – Episode 2 war spannend, unterhaltsam und zu rasch vorbei. Da ich nun doch schon ein paar Telltale-Spiele kenne, war mir zwar klar, dass bestimmte Dinge einfach passieren müssen und ich nur beeinflussen kann, wie sie passieren, aber ich war einfach neugierig, was da noch alles kommt. Und in Episode 2: Ja, da passiert so einiges.
Episode 2 Fazit: Zieht das Tempo an, bringt einen Antagonisten ins Spiel und unterhält auf ganzer Linie. Macht Lust auf mehr.
EPISODE 3: New World Order
Die Welt zerbricht unter Bruce Waynes Füßen. Alles was er für wahr hielt, alle an die er geglaubt hat verlassen ihn, wenden sich ab oder geben ihm die Schuld an Dingen, für die er nichts kann. Es ist frustig und die Wut darüber kann schon mal dazu führen, dass der maskierte Batman weniger zimperlich als sonst an Probleme rangeht.
Aber das ist dann auch wieder keine gute Idee, denn die Leute munkeln schon über eine Verbindung zwischen dem Millionär und dem Fledermaus-Mann. Wer weiß, was die beiden treiben? Vielleicht sind sie ja die wahren Verbrecher? Als am Ende eine dramatische Wendung geschieht und ich dann weiß, wer die Hintermänner/-frauen von den „Children Of Arkham“ sind, klatsche ich mir an die Stirn – ich hätte es wissen müssen, verdammt. Ach, verdammt. Was für ein Ende.
In Episode 3 zieht die Story nochmals an und die Figuren und Beziehungen von Batman und vor allem Bruce müssen sich beweisen: Zum wem steht Bruce Wayne? Wer ist Bruce Wayne? Selbst wenn ihr im Kostüm von Batman steckt, werdet ihr euch dabei ertappen, wie ihr überlegt, welche Entscheidung oder Dialogoption für Bruce Wayne die beste ist. Ja, Telltale hat es geschafft, dass die beiden „Einzelpersonen“ Batman und Bruce Wayne endlich zu einer ganzheitlichen Figur werden. Gratulation. Und das Ende der Folge ist – gemein. Aber sowas von passend.
EPISODE 4: Guardian Of Gotham
Das Leben hat eine dramatische Wendung genommen für Bruce. Allein und verloren findet er unerwartet einen neuen Freund. John Doe, ein Name für die Namenlosen. Aber hey, noch ist nicht alles verloren, denn immerhin ist Bruce Wayne noch immer Bruce Wayne und dieser lässt sich auch ohne Maske nicht so leicht unterkriegen.
Dumm nur, wenn ehemalige Freunde zusehends den Verstand verlieren und man sich – zumindest teilweise – die Schuld daran geben darf. Die Methoden der Stadt in punkto Verbrechensbekämpfung werden immer strikter und irgendwann stellt sich die Frage, ob der Beschützer von Gotham nun tatsächlich ein Beschützer ist, oder vielleicht doch nur ein Diktator, der vorgibt alles für die Sicherheit zu tun?
Die Spannungskurve steigt. Nach einem kurzen Intermezzo und der Vorstellung von John Doe, den ich übrigens für perfekt gecastet und designed halte, wird der Fokus wieder auf das große und breite Gesamtbild gelegt. Ich würde Lügen, wenn ich behaupten würde, an dieser Stelle nicht bereits an der Kante meines Stuhls gesessen zu sein, um mitzubekommen, wie die Sache ausgeht.
Aber – das macht auch sehr gut klar, was Sache ist: Wir schauen einen Film, den wir geringfügig ändern können. Tatsache. Spiel ist auch Batman keines mehr und wer mit geschultem Blick auf die Entscheidungen sieht, erkennt auch sofort die Kniffe der Programmierer. So gibt es eine Szene in welcher Bruce in einem fremden Bett erwacht und egal, was am Vorabend passierte: Da er in Unterwäsche dasteht gibt es natürlich ein Missverständnis. Völlig unabhängig von euch. Aber – und das ist ein großes ABER – es fühlt sich nie so an, als wäre es unwichtig. Es fühlt sich jede Entscheidung an, als würde es um Leben und Tod gehen. Und das allein reicht ja schon, um gut unterhalten zu werden.
EPISODE 5: City Of Light
Das große Finale bringt die gesamte Story von Bruce Wayne, Batman und all seinen Mit- und Gegenspieler*innen zum Abschluss. Einzelne, lang aufgebaute Storyfäden werden relativ rasch abgehakt und (ja, leider) manche Logiklücken im Verhalten von Charakteren fallen hier schon grob auf. Auch wenn das Drama und die Action auf die Tube drücken, so dachte ich mir sogar bereits während dem Spiel „Kommt das niemand komisch vor?“.
Als Beispiel sei eine Schießerei in Wayne Manor genannt – die Batman natürlich lösen kann. Auch Alfred, der Butler, ist involviert und letzten Endes wird – Vorsicht: leichter Spoiler – der Bösewicht verhaftet. Warum allerdings die Leute um ihn herum auf Zivilisten (Alfred) schießen oder wieso niemand wissen will, wo denn eigentlich Bruce Wayne steckt, steht wohl in einem anderen Drehbuch.
Wie dem auch sei – das Finale ist dann der große, emotionale Krach-Bumm-Moment, den man von einem Blockbuster erwartet. Mir wäre mehr Emotion und weniger Krach-Bumm lieber gewesen, aber hey – man kann nicht alles haben.
Episode 5 Fazit: Ja, das Finale hat ein wenig Mühe alle Storyfäden zusammenzuhalten und noch dazu wird die Action dick aufgetragen und die Emotion leider ein wenig zurückgefahren, aber dennoch ist „City Of Light“ ein gelungener Abschluss, hätte aber meiner Ansicht nach noch ein wenig mehr Feintuning in punkto Story vertragen. Technisch gibt es wieder ein paar Ruckler (gerade am Anfang – sogar auf der PS4), was die Grafik allerdings noch immer nicht rechtfertigt.
DIE GESAMTE SEASON ONE:
Die Interpretationen der Charaktere sind Telltale durch die Bank exzellent gelungen. Ob es sich dabei um die bekannten Bösewichte handelt oder um die Helferleins rund um Bruce Wayne/Batman: So hat man sie noch nie gesehen. Auch wenn die „Bösen“ klar im Vorteil sind. Dieser Cobblepot hat eine Verbindung zu Bruce und eine Rechnung offen. Auch wenn er extrem in seiner Rache ist, so ist seine Wut durchaus nachvollziehbar. Gleiches gilt für den/die eigentlichen Antagonisten/in der Season. Nachvollziehbare Motive: Durchaus, wenn auch weit überdramatisiert, glaubwürdig und ich finde es fein, dass gerade dieser Charakter später ein wenig mehr Tiefe bekommt. Klischeebehaftete Tiefe? Mag sein. Aber dennoch.
Ich erwähne es jetzt zum allerletzten Mal bei allen Telltale-Spielen: Ihr könnt das WIE der Story verändern, nicht das WAS. Gewöhnt euch dran. Auch das Gameplay verdient diesen Namen nicht im Ansatz, aber hey – wir sind alle wegen der Story hier. Wer an diesem Punkt Telltale Spiele wegen der Spielmechanik angreift, der/die hat was missverstanden.
Technisch finde ich die neue Engine hübsch und um weite Strecken besser als die alte – auch wenn der Comic-Stil beibehalten bleibt -, wenn nur die Technikprobleme nicht wären. Da gibt es Ruckler, die nerven. Und Tonprobleme. Und – was mich noch mehr nervt – bei den Zusammenfassungen der vorigen Episoden tauchen immer wieder Elemente auf, die ich anders entschieden habe.
Leute: Wenn ihr schon mit „This story is tailored by how you play“ werbt, dann kümmert euch auch darum, dass die Dinge, die ich entscheide auch funktionieren (nicht, dass es einen Unterschied machen würde), aber es ärgert mich trotzdem.
Fazit: „Batman: The Telltale Series“ bekommt 7 von 10 möglichen, nach einem lahmen Start anziehende und gegen Ende wieder nachlassende und leider auch in der Technik schwächelnde, Punkte.
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