Was könnte einem echten Piraten denn mehr Spass machen, als sich auf die abenteuerliche Schatzsuche auf die Krabbeninsel zu begeben und sich dabei auch noch von seiner Schwester unterstützen zu lassen? Da passt es so gar nicht ins Konzept, dass nach dem Berühren eines geheimnisvollen Kristall-Portals ein Schattenlord auftaucht und dem völlig überrumpelten Kapitän die Seele aussaugt. Zum Glück taucht einige Wochen nach der Beerdigung ein Typ namens Bones auf, der mittels Voodoo unseren Helden zurück ins Leben holt. Die gestohlene Seele ist aber weiterhin verschwunden. Zeit sie zurück zu holen!
Nach einem circa 20 Minuten langem, als Tutorial funktionierenden Prolog und dem darauf folgenden Verlust des Geistes (wie die Seele im Spiel genannt wird), steht dem Spieler bereits nach dem ersten Gespräch mit Bones, die riesige Spielwelt der Südsee offen. Um mächtige Magie für die bevorstehenden Kämpfe zu erlangen, sollte man sich bald einer Gilde anschliessen. Freunden von klassicher Magie seien hier die Wächter von Taranis nahegelegt, Fans von Voodoo-Künsten sind die Eingeborenen auf Kila zu empfehlen und für Nahkämpfer bzw. Neueinsteiger sind die Dämonenjäger in Caldor die beste Wahl.
Die einladende Spiele-Welt weckt sofort den Wunsch auf Entdeckungsreise zu gehen und verschiedene Aufgaben zu erledigen, was das eigentlich tragische Schicksal des Helden völlig in den Hintergrund drängt. Zu Gesprächen mit Geistern in der Schattenwelt zwecks Informationssammlung und somit den Versuch immer wieder Spannung in die Haupthandlung zu bringen, kommt es nur, wenn sich unser Held ins Bett legt. Da der Proviant aber in einem durchaus großzügigen Ausmaß vorhanden ist, sind diese Alptraumsequenzen beinahe der einzige Grund, sich dieser Unterbrechung des Spielflusses auszusetzen. Weniger blass und teilnahmslos wird der geistlose Pirat dadurch übrigens leider auch nicht.
Die meist unsympathischen Charaktere auf die man im Laufe der Handlung trifft, glänzen beinahe ausschließlich mit derben Humor. Das macht das dem Dialogsystem übergeordnete Moralsystem umso frustrierender, denn nur wer nett bleibt bekommt Punkte auf das Seelenkonto, bei Gemeinheiten sinken die Punkte wieder. Zum Glück gibt es aber Feenstaub der es ermöglicht, sich bei einem späteren Begleiter, den Schein der positiven Menschlichkeit wieder zurück zu kaufen. Viel befriedigender ist es da schon, die Karriereleitern der einzelnen Gilden empor zu steigen. Hier gilt es ganz spezifische Aufgaben zu erledigen und wird man dann dafür befördert, ist erstmals im Spiel dieses klare Gefühl erkennbar, etwas erreicht zu haben. Zusätzlich sollte die Entscheidung gut überlegt sein, denn die Mitgliedschaft mit jeder Gemeinschaft, wirkt sich unterschiedlich auf das Geschehen aus.
Die wahre Stärke des Spieles kommt wie bereits erwähnt bei den Erkundungstouren der Spielwelt zum Vorschein, da hier die dichte Grundatmosphäre am Schönsten spürbar wird. Quests erhält man hier auf verschiedene Arten, entweder man bekommt einen Auftrag, findet bestimmte Gegenstände oder liest ein Buch. Beinahe hinter jedem Stein oder dunklen Ecke sind Attribute steigernde Pflanzen, Schatzkisten oder Bücher versteckt, die Verstecke von legendären Gegenständen preisgeben. Außerdem gibt es noch einige Handwerksberufe, die bei dem jeweiligen Trainer erlernt werden können. Von Beginn an ist es möglich Fleisch am Lagerfeuer zu braten (zur Lebensregeneration bei Bedarf), erlernt man zusätzlich den Beruf des Schnapsbrenners, dann steht der eigens gemischten, heilenden Alkoholmixtur, nichts mehr im Wege.
Zauberer lernen das Erstellen von eigenen Spruchrollen und Anhänger des Schmiedeberufs können Teile von zerbrochenen seltenen Waffen, wieder zusammen setzen. Wer es lieber actionreicher hat, der wird sich des öfteren ins Gefecht stürzen, was einiges an Übung und genaues Timing verlangt. Gegnerische Schläge unterbrechen durch schnelle Treffer und das Einsetzen der sich in der zweiten Hand befindenden Fernkampf-Waffe (z.b. Pistole, Wurfdolch oder Armbrust) zur richtigen Zeit, zwingen bei geschickten Spielern, auch starke Feinde zügig in die Knie. Später kommen hier auch erweiterte Kombo-Fähigkeiten und Attribute dazu, dafür braucht es aber neben Gold auch einiges an Zeit, denn Schwertmeister wird man eben nicht von heute auf morgen.
Die rund 50 Stunden dauernde Spielzeit wird spieltechnisch aufgelockert durch Schiffkämpfe gegen Seemonster, Gefechte gegen andere Schiffe kommen jedoch nicht vor und das freie Segeln zu einer anderen Insel, wird durch den Ladebildschirm unterbrochen. Freigeschaltete Teleporter auf den Inseln ermöglichen aber dennoch ein Schnelles Reisen zwischen den Handlungsorten. Die Grafik insgesamt ist leider veraltet, auch erkennbar an steifen Animationen und groben Texturen, doch der Gesamtlook der Landschaften und Figuren passt irgendwie sehr gut zum Trash-Feeling des gesamten Abenteuers.
Es braucht einige Zeit bis man sich in die Dynamik des Games eingelebt hat, doch dann entwickelt sich diese Genre typische Sogwirkung, dieses Verlangen noch diese bestimmte Höhle zu besuchen, noch einen Gegner zu besiegen, noch einen Trank zu mixen. Fans der „Risen“ Serie werden sich sicherlich schneller zu Hause fühlen als Neulinge und die Verbesserungen zu schätzen wissen, ansonsten kommen wohl vor allem Freunde von „Gothic“ auf ihre Kosten. Am Besten funktioniert das Spiel dann, wenn man so weit wie möglich sein eigenes Ding durchzieht und dann auf die Schwächen in der Handlung und Charakterzeichnung völlig vergisst. Also inspirierend auf den Spieler zu wirken, seinen eigenen Weg gehen zu wollen (aus welchen Gründen auch immer), das kann nun wirklich nicht jedes Spiel von sich behaupten!
„Risen 3: Titan Lords“ bekommt von mir 7/10 das lockere Inselleben geniessende und dabei auf die wahren Probleme vergessende Empfehlungspunkte.
[amazon template=multinational&asin=B00IL6HSF0,B00JEAHGYU,B00JEAHI7K]