Star Wars: Andor – Season 1 (Serienkritik)

Cassian Andor (Diego Luna) stammt von Kenari. Einem Planeten, der nicht wirklich im Rampenlicht des Imperiums steht. Durch eine Reihe von Zufällen landet er aber auf Ferrix und wird dort von Maarva (Fiona Shaw) großgezogen. Er lebt unter dem Radar des Imperiums, hat sich aber eine Reihe an Fähigkeiten angeeignet. Um es zu sagen wie es ist: Er ist ein Dieb und ein Schmuggler.

Eines Tages passiert ihm ein Missgeschick und das Imperium wird auf ihn aufmerksam, deshalb muss er verschwinden und untertauchen. Seine Freundin Bix (Adria Arjona) hilft ihm dabei Kontakt zu einem bekannten „Käufer“ herzustellen. Dieser könnte Cassian eine Menge Geld beschaffen, damit er seine Flucht auch umsetzen kann. Aber dieser „Käufer“ will ihn persönlich treffen.

Leider hat das Imperium seine Spur bereits aufgenommen und das Treffen der beiden wäre eine perfekte Möglichkeit, sich zweier Stöfaktoren auf einmal zu entledigen …

Natürlich habe ich gehört, dass „Andor“ wirklich gut sein soll, aber – wer meine Kritik gelesen hat, weiß warum – ich hatte mit Star Wars abgeschlossen. Und ja, ich finde „Rogue One“ ist der beste Star Wars-Film seitdem Disney übernommen hat, aber so richtig Interesse an einem der Charaktere hatte ich jetzt per se nicht und die Trailer sahen zwar gut aus, aber das gilt auch für andere Trailer von eher … mittelmäßigen Shows.

Als ich jetzt aber gelesen habe, dass die ursprüngliche Idee, Andors Geschichte über fünf Staffeln zu erzählen (eine Staffel hätte ein Jahr abdecken sollen, da die Story fünf Jahre vor der Schlacht um Yavin – siehe „Krieg der Sterne – Eine neue Hoffnung“ anfängt, und sozusagen in „Rogue One“ münden) über Bord geworfen wurde und es jetzt nur zwei Staffeln geben wird, damit sei alles erzählt, nun, auch da dachte ich mir: Wieder ein gescheitertes Star-Wars-Projekt von Disney.

Und dann kamen die Stimmen, die meinten „Andor Staffel 2“ sei das beste Star Wars seit „Das Imperium schlägt zurück„. Da wird man als Fan der alten Filme dann schon ein wenig neugierig. Also dachte ich mir eines Freitag Abends, ich gucke mal in die Serie rein.

Und dann habe ich mir die gesamte Staffel in einem Zug durch angesehen. Ja, die Serie ist wirklich so gut.

Das für mich Spannendste dabei ist ja, dass die Geschichte die hier erzählt wird nicht wirklich eine Star Wars-Geschichte sein müsste. Die Story und die Figuren würden auch in vielen anderen Settings funktionieren, weil die Themen, um die es geht so universell sind. Aber das Star Wars-Setting und vor allem das Imperium werden richtig gut genutzt, um zu zeigen, wie die Mechanismen der Macht (oder des Bösen) funktionieren und wie ein eigentlich nicht williger Mann in einen Strudel gezogen wird aus welchem er nur durch eine Sache entkommen kann: Rebellion.

Tatsächlich finde ich den Titel der Serie ein wenig misslungen, denn auch wenn Cassian Andor (wirklich toll gespielt von Diego Luna) klar die Hauptfigur ist, so gesellt sich rasch ein relativ großer Kreis an weiteren Figuren um ihn, die ihm in nichts nachstehen. Auch auf der Gegenseite wird nicht an ikonischen Figuren gespart. Der (anfangs scheinbar ein wenig unnötige) Handlungsstrang um Syril Karn – ebenfalls großartig: Kyle Soller – wird immer wichtiger und der Karrieredrang kombiniert mit dem Willen alles zu tun, was notwendig ist, um Ordnung aufrecht zu erhalten wird dann noch sehr wichtig. Auch der Aufstieg von Dedra Meero (ein Hammer: Denise Gough) ist spannend mitanzusehen.

Was ich damit sagen will: Das ist keine One-Man-Show. Das ist das Ergebnis von einer kompletten Gruppe an Menschen (und Aliens), die durch die äußeren Umstände dazu gezwungen werden Stellung zu beziehen und (teilweise freiwillig, teilweise durch bestimmte Vorkommnisse) einen Kampf gegen das in ihren Augen Böse auszufechten. Und mit „Das Böse“ meine ich nicht nur das Imperium sondern aus Sicht von Syril und Dedra durchaus auch die Aufständischen.

Und was hier alles passiert und los ist – ein Wahnsinn. Die Drehbücher sind dicht und großartig geschrieben. Die Inszenierung beherrscht eine Sache richtig gut: Spannungsaufbau. Gefühl 75% der Serie fühlen sich an wie der Spannungsaufbau vor der Schlacht in „Helms Klamm“ in die „Die zwei Türme„. Nervenkitzel pur. Die Macher:innen haben ein richtig gutes Gespür dafür, wie wenig man zeigen darf und wie viel man zeigen muss, damit die Rädchen im Kopf rattern und man einfach wissen MUSS wie es weitergeht.

Um zu meiner ursprünglichen Aussage zurückzukommen, was den Titel der Serie betrifft: Passender wäre gewesen „Star Wars: Rise Of The Rebellion“ oder „Star Wars: Machinations Of Evil“ oder so ähnlich. Ihr wisst was ich meine. Es wird eine (bzw. mehrere) persönliche Geschichten erzählt, die alle auf ihre Art mitreissen und am Ende steht die Erkenntnis: Entweder ich bekenne mich völlig zur Rebellion oder ich gehe unter.

Und da habe ich die ganzen großartigen Nebenfiguren noch gar nicht erwähnt. Und noch nicht mal alle Hauptfiguren. Weil es so viele sind – und jede einzelne ist großartig geschrieben. Jede einzelne. Das sind wirklich die besten Drehbücher die ich seit Jahren gesehen habe – völlig unabhängig vom Setting. Und was hier alles passiert … ein Heist, eine Flucht, ein Gefängnisausbruch, eine Jagd, ein Aufstand – alles in kleine Dosen gepackt und in Form von 12 Folgen, die rund 30 Minuten dauern auf euch losgelassen.

Es gibt mehrere, sogar ziemlich viele, Handlungsstränge (Mon Mothmas Geschichte, Cassians Geschichte, Syrils Geschichte, Dedras Geschichte, Luthens Geschichte und dann noch x andere), die aber alle zusammenhängen und jeder einzelne davon hätte vermutlich eine Staffel verdient. Und des funktioniert. Es wirkt nicht zusammengeschustert, sondern es bleibt übersichtlich und im Rahmen und – und das finde ich faszinierend – bei jeder Figur die man trifft weiß man, warum sie ist wo sie ist, was sie dazu gebracht hat und warum sie genau dort sein muss bzw. will. ich wiederhole: Hammer!

„Andor – Staffel 1“ ist eine Wucht und zeigt, dass die Kunst des Geschichtenerzählens durchaus noch ihre Meister hat. Und Tony Gilroy (der hier Hauptverantwortlicher ist) hat bewiesen, dass er drauf hat. Von ihm stammen übrigens auch die Drehbücher für „Im Auftrag des Teufels“ oder „Rogue One“ oder „Michael Clayton“ oder „Nightcrawler“ oder die ersten drei Bourne-Filme. Der Mann kann das. Und im Fall von „Andor“ hat er sich auch Menschen für die Regie, das Production Design, den Cast und überhaupt alle Ebenen des Filmemachens abedeckende Profis geholt.

„Andor“ liefert auf ganzer Linie. Und Nein, es ist weit und breit kein Skywalker, Darth Vader oder auch nur ein Lichtschwert in Sicht. Wie sich herausstellt braucht es das auch nicht. Es braucht einfach nur eine verdammt gute Story mit richtig guten, weil spannenden, ambivalenten und interessanten Charakteren. Erwähnen muss ich noch Andy Serkis, der hier wieder mal ohne Motion-Capture beweist, was für ein verdammt guter Schauspieler er ist und bei den wenigen Folgen bei denen er dabei war doch mächtig Eindruck hinterlässt.

„Andor – Staffel 1“ bekommt 10 von 10 möglichen, eine der besten und erwachsensten Star Wars-Geschichten überhaupt erzählende, Punkte.


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