Godzilla Minus One (Filmkritik)

Koichi Shikishima (Ryunosuke Kamiki) ist gegen Ende des 2. Weltkriegs ein Kamikaze-Pilot. Aber er meldet einen Defekt seiner Maschine, muss auf einer geheimen Insel für Kamikaze-Maschinen-Reparaturen notlanden und überlebt deshalb. Nur finden die Mechaniker keinen Defekt. Koichi ist scheinbar einfach getürmt, weil er Angst hatte. Aber seine Tat spricht sich nicht herum, weil just an diesem Abend eine Art Dinosaurier aus dem Meer entsteigt und die gesamte Basis in Schutt und Asche legt. Koichi versagt erneut dabei – er soll das Biest mit seinem Flugzeugmaschinengewehr durchlöchern. Auch hier: Er überlebt.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat findet er alles in Trümmern und er beginnt, gemeinsam mit einer jungen Frau und deren adoptierten Baby, sein Leben neu aufzubauen. Aber sein „Survivors-Guilt“ macht ihm schwer zu schaffen.

Dann machen die USA Nuklearbombentests und treffen scheinbar den im Meer schlummernden Dino-Riesen. Und dieser mutiert, wird aggressiv und zieht eine Schneise der Verwüstung am Meer in Richtung des nächstgelegenen Festlands: Japan. Die USA bekommen zwar mit, was los ist, wollen sich aber nicht einmischen, weil sie damit die Russen ärgern könnten.

Japan ist, wie es aussieht, auf sich allein gestellt …

Subtext, irgendjemand? Naja, so „sub“ ist der Text eigentlich gar nicht. Es ist schon halbwegs plakativ, was Takashi Yamazaki hier als Regisseur und (Mit-)Drehbuchautor abliefert. Japan liegt am Boden, baut sich wieder auf und wird von außen bzw. durch Umstände, welche „äußere Mächte“ verursacht haben in höchste Gefahr gebracht. Und wer muss es geradebiegen? In diesem Fall die japanische Bevölkerung. Wem das zu komplex ist und nicht versteht, was da „gespiegelt“ wird, der oder die darf gerne selbst die Geschichte Japans nachlesen.

Was es aber viel eher noch ist und das sogar oberflächlich: Die Geschichte eines Mannes, der alles – am meisten den Respekt vor sich selbst – verloren hat, sich durchkämpft, nur um festzustellen, dass es kein davonlaufen vor sich selbst gibt. Eine klassische Geschichte also, die hier aber wirklich gut funktioniert. Shikishima ist eine Figur, der man gern zusieht, die Sympathien erweckt, die das Richtige tun will, aber hin und wieder an sich selbst scheitert. Und seine Entscheidung zu desertieren, wird gleich am Anfang von einem Kollegen auf den Punkt gebracht: „Der Krieg ist ohnehin verloren. Wozu sein Leben in Kamikaze-Angriffen wegwerfen?“ Als Zuseher habe ich ihm das nicht übel genommen, sondern im Gegenteil: Ich habe es verstanden. Ich bin allerdings auch kein Japaner. Vielleicht sehen die das anders.

Wie dem auch sei: Immer wieder träumt er von dem Monster und seiner zweiten Schuld: Seine Untätigkeit hat mehreren Menschen das Leben gekostet und auch das lässt ihm keine Ruhe. Auch hier gilt: Die Wahrscheinlichkeit, dass er gestorben wäre, ist riesig. Aber das ändert nichts daran, dass er sich vorwirft, es nicht einmal versucht zu haben. All das kommt drastisch zum Vorschein, als Godzilla wieder auftaucht.

Und der Film lässt sich Zeit. Richtig Zeit. Die Figuren werden einem näher gebracht. Die Schwierigkeiten des Wiederaufbaus. Die Beziehungen der handelnden Personen untereinander. Das wird ausführlich und nachvollziehbar etabliert. Man mag die Leute. Allesamt. Umso heftiger dann, als Godzilla auftaucht. Das erste Aufeinandertreffen auf hoher See ist spannend und zeigt vor allem auch eines: Godzilla ist nicht unverwundbar. Er (oder sie? Oder es?) ist verletzlich. Das passiert im Film immer wieder, dass er (sie/es) unter Geschützfeuer taumelt, blutet und einfach angeschlagen ist. Aber Godzilla heilt unglaublich schnell. Also braucht es eine bessere Idee.

Die Idee selbst ist … schräg. Ja, physikalisch (meines Wissens nach) korrekt, aber hui – schräge Idee. Das ist was – Godzilla-Film Nummer 5.000? – und diese Idee hatte noch nie jemand. Coole Sache. Ich spoilere hier jetzt nicht, keine Sorge.

Die Effekte – die ja einen Oscar gebracht haben – sind allerdings so eine Sache … in vielen, ganz vielen Szenen sieht alles absolut großartig aus. Godzilla selbst als auch die Zerstörungswut (und es geht viel zu Bruch), aber es gibt im Gegenzug auch Szenen in denen Godzilla gemächlich und steif dahinstapft als wäre er aus einem PS1-Spiel. Viel und gute Texturen, aber keine Animation(en). Zäh. Und schade.

Über diese Tatsache sieht man allerdings gerne hinweg, denn alles in allem fetzt das Teil hier so richtig und vor allem – man fiebert mit den Figuren mit. Vorausgesetzt man hat mit der deutschen Synchronisation und verschiedenen japanischen Verhaltensmustern (Koichi hat die Angewohnheit, wenn er um etwas bittet, seinen Kopf auf die Tischplatte zu knallen, und die Hände bittend auszustrecken). Wer das lächerlich findet, der oder die kann den Film vermutlich nicht so ernst nehmen, wie er sich selbst ernst nimmt. Ich habe damit kein Problem und deshalb hat die Sache für mich funktioniert.

Ja, das Ende ist, wie man es erwartet. Dazwischen gibt es auch mal eine ganze Menge an Pathos und eine oder zwei (kurze) Reden á la „Wer, wenn nicht wir, kann jetzt noch etwas tun?“. Fast ein Lobgesang auf die Generation, welche Japan wieder aufgebaut hat. Und auch das hat gut gepasst für mich. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, ein Land nach zwei(!) Atombomben-Abwürfen wieder aufzubauen und das kollektive Trauma abzuschütteln.

Das vermittelt auch „Godzilla Minus One“ nicht. Was der Film aber macht: Er vermittelt Hoffnung. Hoffnung auf eine Zukunft. Hoffnung gegen selbst die größten Gefahren. Hoffnung, dass man sich auf seine Freunde und sein Umfeld, die Gesellschaft, verlassen kann. Kurz: Zusammenhalt. Trotz all der Fehler die man gemacht hat, trotz der Verluste, die man hinnehmen musste. Und die Bereitschaft selbst seinen Teil dazu beizutragen. Und – wenn man sich als Menschen akzeptiert, der keinesfalls fehlerfrei ist – auch zu akzeptieren, dass es andere Menschen gibt, die sich wünschen, dass man – trotz der erwähnten Fehler – am Leben bleibt und zu ihnen zurückkommt. Dass man es wert ist zu leben.

Und das alles in einem dumm-doofen Monsterfilm bei einem Budget von knappen 15 bis 18 Millionen Euro. Da schalten andere Filmemacher:innen noch nicht mal die Kamera dafür ein.

Wow, sag ich nur. Wow.

„Godzilla Minus One“ bekommt von mir 9 von 10, seine Geschichte genau so erzählende, wie sie erzählt werden sollte, Punkte.


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