Resurrection (Filmkritik)

Margaret (Rebecca Hall) ist erfolgreiche, alleinerziehende Mutter einer großartigen 17jährigen Tochter. Sie hat einen gut bezahlten und verantwortungsvollen Posten. Sie ist Vorbild für ihre Kollegin(nen) und sie hat auch immer wieder – für sie – bedeutungslosen Sex, bei welchem sie sich ihre Partner aussucht. Kurz: Sie hat alles, was eine erfolgreiche Frau scheinbar braucht.

Und dann taucht eines Tages David (Tim Roth) auf und Margaret verliert fast von einer Sekunde auf die andere ihre stolze, erfolgreiche und Macht versprühende Aura. Sie bekommt eine Panikattacke und flieht aus einem Vortrag, verbietet ihrer Tochter allein unterwegs zu sein und besorgt sich sogar eine Waffe. Alles nur, weil sie diesen Mann gesehen hat, der nicht mal mit ihr Kontakt aufnahm.

Aber ihre Reaktion hat einen guten Grund, denn David ist nicht irgendjemand. David ist jemand, der ihr Leben eine Zeitlang kontrolliert hat und er ist viel mehr als das …

In der allerersten Szene des Films sieht man eine junge Frau sitzen, die ihrem Gegenüber erzählt, wie schlecht sie von ihrem Freund behandelt wird. Die Frau, der sie das erzählt, gibt aus dem OFF Tipps, wie sie damit umgehen und diesen Idioten loswerden soll. Dann ein wenig später schneidet die Kamera auf Margaret, die von Rebecca Hall gespielt wird. Da sitzt sie. Erfolgreich. Anbetungswürdig. Erhaben. Am Zenit angelangt. Alles erreicht, was man bzw. frau erreichen kann.

Tja, Regisseur und Drehbuchautor Andrew Semans nimmt sich Zeit, um den Zuseher:innen zu zeigen, wie sehr Margaret im Leben steht und wie sehr sie auf der Gewinner:innenseite steht. Viele kleine Szenen, die das sehr deutlich machen. Dabei ist vor allem eines ersichtlich: Margaret ist immer positiv. Sie ist weder überheblich, noch hasst sie Männer, noch ist sie bösartig zu jemanden. Tatsächlich denke ich, dass sie als Person gezeigt wird, mit der man grundsätzlich gern Zeit verbringen würde. Sie hat alles unter Kontrolle, aber auf eine an sich sympathische Art und Weise.

Deshalb ist es auch so schräg und irritierend, als sie einfach nur durch den Anblick des Profils eines Mannes, den sie erkennt, so aus der Bahn geworfen wird, dass sie eine richtige Panikattacke hat, herumstolpert und eines mit Sicherheit nicht mehr hat: Die Kontrolle. Es dauert seine Zeit, bis Margaret sich so weit öffnet (wenn ich das mal so nennen darf), dass sie jemanden erzählt, was passiert ist und was sie mit diesem Mann verbindet.

Und wenn man das mal gehört hat, dann wird vieles klar. Es handelt sich hier nicht um eine „normale“ Missbrauchsgeschichte (wie schlimm ist es eigentlich, wenn man so einen Satz schreiben kann und alle, die ihn lesen, wissen sofort was gemeint ist?), sondern diese Geschichte geht noch weiter und ja, überschreitet Grenzen. Allerdings „nur“ erzählt, was ich in diesem Fall sehr gutheiße, und mit der Kamera fix auf das Gesicht, welches im Halbschatten verborgen liegt, von Rebecca Hall gerichtet.

Was passiert im Film? Das ist schwer zu sagen ohne irgendwie groß zu spoilern, aber was ich sagen kann: Der Film ist extrem mit Metaphern gefüllt. Spätestens als David und Margaret das erste Mal reden, nachdem man als Zuseher:in weiß, was los gewesen ist und wenn David sagt, er habe ihr „etwas“ zurückgebracht, da wird es abartig und je nachdem, ob ihr auf ihr bis zum Ende durchhaltet und die Metapher ernst nehmen könnt oder sie wortwörtlich nehmt, wird euch der Film gefallen oder eben nicht.

Denn gegen Ende hin geht die Bildsprache quasi in der Metapher auf und spätestens dann findet man es endgültig richtig dumm oder richtig bedrückend. Hängt, wie gesagt, davon ab, ob man „an Bord“ ist oder nicht.

Dazu kommt, dass der Film sich wirklich, wirklich viel Zeit nimmt, um zwei Dinge zu beleuchten: Einerseits Schuldgefühle. Speziell die einer Mutter. Anfangs zwar perfekt verdrängt und abgeschlossen, reißen diese durch den Trigger der Präsenz des Verursachers wieder auf. Oder anders gesagt: Eigentlich waren sie nie verheilt. Man hat nur nicht mehr hingesehen und schon rein aus Gewohnheit regelmäßig den Verband gewechselt, sich einredend, dass die Wund ja quasi eh schon verheilt ist und man nur zur Sicherheit nochmals einen Verband drüber gibt.

Und andererseits: Was Ko-Abhängigkeit ist. Und wie Schuldgefühle genau dafür genutzt werden können, jemanden hörig zu machen. Sicher, der Teil, wie es zu dieser Abhängigkeit gekommen ist, wird im Film schlichtweg (wenn auch sehr eindringlich) erzählt, das sieht man (zum Glück) nicht. Was der Film aber sehr gut zeigt, ist wie rasch diese Co-Abhängigkeit wieder aufbrechen und man in alte Muster verfallen kan. Und auch wie sehr man sich im Kampf dagegen selbst psychisch völlig aufreiben kann.

Die Dinge, die David (absolut unheimlich gut gespielt von Tim Roth) sagt, klingen in den Ohren von uns Zuseher:innen doch in Wahrheit völlig absurd. Wenn man so ein Gespräch auf der Straße hört, dann würde man sich aus Reflex fragen, warum diese Frau mit dem völlig eingerauchten, alten Hippie da spricht, der ja scheinbar nichts sagen kann, was Sinn ergibt. Aber das ist ja das Geheimnis hinter der Manipulation, hinter der Co-Abhängigkeit: Sie hängt so fest im Kopf drin, dass es auf logischer Ebene keinen Sinn ergeben muss. Es reicht, wenn sie emotional richtig … nennen wir es mal „reinhaut“. Dann wirkt jedes Wort schmerzvoller als eine tatsächliche Ohrfeige. Denn die gibt man sich selbst im Inneren. Deshalb, so denke ich, hat man hier auch etwas gewählt, bei dem allesamt die Schuldgefühle sofort nachvollziehen können und gleichzeitig Aussagen von David, bei denen man auch weiß, dass das quasi technisch gar nicht möglich ist. Das soll diese Absurdität hervorheben und damit verdeutlichen, wie tief das Opfer bzw. in diesem Fall Margaret, da drin hängt, dass selbst solche wahnwitzigen Aussagen reichen, um erneuten Gehorsam auszulösen.

Ein Film, über den man und frau sicher super diskutieren können, und vor allem einer bei dem ihr den Reifegrad eurer Gesprächspartner:innen testen könnt. Ich sage es mal so: Ich denke jede Frau versteht die Reaktionen von Margaret sofort. Wenn nicht, dann gratuliere, dein Leben war wirklich (statistisch gesehen) außergewöhnlich harmonisch und schön. Viele Männer – leider auch in meinem Umfeld – haben sich über das „übertriebene hysterische Verhalten“ von Margaret lustig gemacht. Manche Aussagen wie „Die soll sich einkriegen“ oder „Der tut ihr doch gar nichts“ bis hin zu „Ja, sicher war das schlimm, aber da muss man doch mal auch abschließen damit, nicht?“ war alles dabei. Sowas tut dann schon ein wenig weh. Ich habe ja übrigens bewusst von meinem „Umfeld“ gesprochen und nicht von meinem Freundeskreis.

Wie dem auch sei: Ein langsamer, (be)drückender, sicher in seiner Umsetzung vor allem im Charakter von David grenzwertig und vielleicht auch seine Metapher(n) ein wenig überstrapazierend, aber dafür – wenn man/frau abgeholt worden sind – ein verdammt spannendes und schauspielerisch wie auch visuell absolut beeindruckendes Stück Film. Auf jeden Fall aber ein wichtiger Film, den ihr euch ansehen solltet. Selbst, wenn es nur darum geht, danach miteinander über Trauma, Co-Abhängigkeiten, Schuldgefühle und Manipulation derselben zu diskutieren.

„Resurrection“ bekommt von mir 7,5 von 10 möglichen, mich tatsächlich gut abgeholt habende, Punkte.


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