Owen Whistler (Kevin Bacon) ist der Leiter eines Umerziehungslagers. Und gerade ist wieder ein Bus von auffälligen Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen gekommen. Das Auffällige an ihnen ist ihre sexuelle Orientierung (homosexuell oder bisexuell) und ihre Kleidungswahl. Manche sind Drag-Queens, andere sind transgender und ähnliches.
Das Ziel des Lagers ist es, die jungen Erwachsenen zu „wertvollen“ Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen. Völlig ohne Druck und ohne religiösen Bla-Bla. Meint zumindest Owen.
Aber dann beginnt jemand, Leute zu ermorden …
Ich fange diese Kritik wohl am besten damit an, wie die IMDB (International Movie DataBase) die Handlung dieses Films (Stand 21.11.2022, eben nochmals gegengecheckt) zusammenfasst:
„LGBTQIA+ Empowerment-Geschichte, die in einem schwulen Konversionslager spielt.“
Ja, das ist die Zusammenfassung der Geschichte. Und wer bei den Buchstaben LGBTQIA+ schon mal abspringt, der oder die tut gut daran, denn der Film dreht sich natürlich um diese Charaktere und ja, er hat eine klare Agenda, nämlich diese, dass jeder Mensch okay ist, wie er ist, solange er niemand anderem dabei wehtut. Und sorry, ihr Anti-Woker, aber diese Message unterschreibe ich und mir ist es auch egal, wer mir diese Message vermittelt, ob diese Person ein Mann oder eine Frau ist, oder irgendwas anderes sein will. Völlig egal. Und, Nein, ich bin nicht woke. Ich bin aber auch nicht das Gegenteil. Hauptsache der Film ist gut.
Tja, und da fängt jetzt das eigentliche Problem an. Bitte lest den Satz der Handlungszusammenfassung nochmals. Merkt ihr es? Richtig. Es sollte heißen, „…, die in einem Konversionslager für Schwule spielt“. Und lassen wir mal zur Seite, dass es nicht nur um Schwule geht, weil das hier nebensächlich ist. Im Satz der Zusammenfassung (und wer die IMDB kennt, der oder die weiß, dass die Macher des Films die Seite ziemlich sicher selbst eingerichtet haben) steht, dass das Konversionslager schwul ist. Das ist eine völlig andere (und komplett unsinnige, sinnfreie und tatsächlich unmögliche) Beschreibung einer Situation.
Und das ist bei diesem Film hier ähnlich. Der Film weiß einfach nicht, was er sein will und da er als Horrorfilm vermarktet wird, wird es mich nicht wundern, wenn (bzw. sobald) er von Horrorfans völlig zerrissen und niedergemacht wird. Das liegt allerdings meiner Ansicht nach daran, dass es für knappe drei Viertel des Film kein Horrorfilm ist. Sicher, es gibt die eine oder andere unangenehme Szene, ja, aber die könnte auch aus einem x-beliebigen Drama über Konversionslager stammen. Hier gibt es ganz, ganz lange nichts, was man nur irgendwie als Horror bezeichnen kann. Und wenn dann (die letzten 20 Minuten) der Horror anfängt, dann laufen die Morde in etwa so ab: Killer:in mit Maske. Hebt Axt hoch. Opfer schreit. Schlägt mit Axt (aus dem Bild raus ins OFF) zu. Blut spritzt auf ein Bild an der Wand oder so ähnlich. Genau. Jetzt könnt ihr euch in etwa vorstellen wie groß die Freude bei Horrorfans sein wird, wenn die sehen, wie handzahm die Sache dann gegen Ende ist.
Irgendwie hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass da ein wirklich gutes Drama in dem Film drinsteckt, welches aber vom Horror-Versuch verhindert wird. Und auf der anderen Seite steckt ein guter Horrorfilm hier drin, aber die drei Viertel Teenie-Drama und Sexualorientierung und (ja, ich sage es) Klischees, die hier geboten werden, verhindern den Horrorfilm.
Also quasi weder Fisch noch Fleisch. Oder besser passend: Weder Mann noch Frau. Mag das im echten Leben im Jahr 2022 funktionieren, so funktioniert dieser Film hier in Summe leider nicht.
Was ich allerdings anmerken möchte: Kevin Bacon ist großartig, nur retten kann er leider nichts.
Spannend an der ganzen Sache fand ich, wie bewusst provokant der Film streckenweise dann doch wieder ist. So bekommt man die (zu erwartende) Frau-mit-Frau-Sexszene geliefert. Aber gleich darauf bekommt man auch die Mann-mit-Mann-Sexszene geliefert und tja, was soll ich sagen: Das ist was, womit viele noch immer nicht gut umgehen können. Wobei es in diesem Fall bis zu einem gewissen Grad sogar wichtig für die Handlung war. Wäre der Film bei seinem Horror (wenn er dann anfängt) auch so konsequent, dann wäre schon viel gewonnen. Aber so …
Das Drehbuch ist sogar, wie ich fand, grundsätzlich spannend und die Charaktere (Klischee hin oder her) zumindest so sympathisch, dass man jetzt niemand wünscht ihn oder sie oder was es sonst noch so gibt, möge so rasch wie möglich der Screen-Tod ereilen. Aber dann gibt es knapp in der Mitte einen Dialog … „He doesn’t know who he’s hunting this time.“ … der einfach … das ist sowas von deplatziert und peinlich. Vor allem, da es bis zu diesem Zeitpunkt nichts gibt, was diese Aussage auch nur irgendwie rechtfertigt. Und – offen gesprochen – auch danach kommt nichts.
Das Irre daran? Das Drehbuch stammt vom gleichen Mann, der folgende Filme geschrieben hat: „Skyfall„, „Ringo“, „Aviator“, „Last Samurai“, „Gladiator“ und „Sweeney Todd“. Hier hat er auch noch die Regie übernommen. Zum ersten Mal. Und die ist okay. Aber das war es auch schon.
Hat mir der Film gefallen? Ja. Und Nein. Jein. Irgendwie passend, oder? 😉
„They/Them“ bekommt von mir 5,5 von 10 möglichen, es sich und auch sonst niemanden leicht machende, Punkte.