Tokyo Dark – Remembrance – (Game-Review)

Inspektorin Ito kämpft mit der Vergangenheit. Ihr Partner (in beiderlei Bedeutungen) ist verschwunden und wird vermisst. Aber jetzt wurde das Signal seines Mobiltelefons entdeckt und Ito ist auf dem Weg, herauszufinden, wo es ist und was passiert ist.

Dabei holt sie ihre eigene Vergangenheit ein, denn vor nicht allzu langer Zeit hat sie eine junge Frau erschossen. Es war keine Notwehr. Es gab keinen Grund dazu. Etwas hat Ito dazu getrieben. Die junge Frau hatte ein Mädchen als Geisel und suchte nach einer Maske. Sie sprach von „Der Dunkelheit“ und „das sie sie sehen kann“ und weiteres wirres Zeug.

Dumm nur, dass Ito knapp davor eine Maske von einer Bewohnerin im Dorf in die Hand gedrückt bekommen hat. Und es scheint, als würde es sich um die Maske handeln, von welcher die Frau gesprochen hat. Und diese Maske, nun, sie scheint ein Eigenleben zu besitzen …

Es ist schwer, genau zu beschreiben, was „Tokyo Dark Remembrance“ tatsächlich ist, denn es ist weder Fisch noch Fleisch. Man könnte sagen, es handelt sich um ein Point & Click Adventure, aber das trifft es nicht, denn es gibt eigentlich nur ganz, ganz wenige Rätsel und auch kein Inventar. Ist es also eine Visual Novel? Nein, denn ihr bewegt Ito mit dem Stick durch die Gegend, findet wichtige Punkte in den Locations, klickt sie an und entscheidet euch für eine Aktion. Also quasi zu viel Interaktion für eine Visual Novel.

Stattdessen ist „Tokyo Dark Remembrance“ etwas in der Mitte. Das klingt ein bisschen langweilig, hat aber durchaus seinen Reiz. Dieser Reiz liegt an mehreren Faktoren: Zum Einen ist die Atmosphäre düster und unheimlich und man will wissen, wie es weitergeht. Damit meine ich weniger die Story um die Maske, die ist relativ klar und lässt auch kein (funktionierendes) Klischee aus, nein, ich meine die Story von Ito, denn ihr Schicksal liegt in eurer Hand. Und das liegt an einem ziemlich einfachen, aber coolen System. Dem SPIN-System.

SPIN steht für vier Eigenschaften, die Ito bzw. ihr im Auge behalten müsst: S für Sanity (geistige Gesundheit), P für Professionalism (also Professionalität), I für Investigation (Ermittlung) und N für Neurosis (Neurose). Je nachdem, welche Dinge ihr entdeckt, welche Fragen ihr stellt oder welche Aktionen ihr ausführt, ändern sich diese Werte und das wiederum wirkt sich auf das Verhalten von Ito und das Ende des Spiels aus. Und da gibt es ein paar, die sich wirklich unterscheiden.

Als Beispiel: Ihr müsst zu einem Schrein, weil ihr dort jemanden treffen sollt. Am Weg dahin sehr ihr in einem Bach etwas liegen, aber ihr könnt es nicht erreichen. Bambus wächst daneben, aber ihr habt nichts außer eurer Pistole dabei. Ihr könnt also den Bambus mit der Pistole „abschneiden“ und damit das Ding aus dem Wasser fischen. Das bringt auch allerdings zwei Dinge: Ihr bekommt Pluspunkte für die Ermittlung. Und ihr bekommt Minuspunkte bei der Professionalität. Oder ihr lasst es bleiben und lauft weiter zum Schrein. Klingt simpel und ist es auch, aber ein Abwägen eurer Handlungen ist wichtig. Es ist auch insofern wichtig, weil ihr auch nie genau wisst, was ihr herausfindet und ob euch die neuen Erkenntnis weiter in Richtung Wahnsinn treiben. Andererseits: Findet ihr nichts heraus, dann nimmt euer Ermittlungswert ab. Eine potentielle Zeugin will nur mit euch reden, wenn ihr einen Drink mit ihr einnehmt. Also gilt die Entscheidung: Informationen oder Professionalität. Und so weiter.

Es gibt also zwei Ebenen, auf denen eure Entscheidungen wichtig sind: Handlungen in der Spielwelt (siehe weiter oben „Bambus“) oder euer Verhalten bzw. eure Antworten in Gesprächen. Und ihr landet relativ rasch bei allem im Minusbereich. Ohne jetzt zu sehr spoilern zu wollen: Es gibt ein Ende, in welchem die Maske zerstört wird (ihr werdet euch danach allerdings fragen, ob das wirklich eine gute Idee war). Und es gibt ein Ende, in welchem ihr plötzlich die „Wahrheit“ seht, nämlich, dass euch der Mord an dem Mädchen ins Irrenhaus gebracht hat und die nette Nachbarin, die sich so sorgsam um euch kümmert niemand anders als eure Krankenschwester ist. Das kam völlig unerwartet für mich und war angenehm irre.
Und keine Sorge: Es gibt noch einige Enden mehr, also halten sich die Spoiler in Grenzen.

Das Spiel hat leider nur eine japanische Tonspur, aber die Texte sind in sehr gutem Englisch (ich weiß nicht, ob es auch deutsche Texte gibt). Alles ist eigentlich gut geschrieben und die Figuren offenbaren nach und nach was Sache ist. Eure Taten haben spürbare Auswirkungen und mir ging es zB beim „Wahnsinn-Ende“ so, dass ich mich durch meine Taten in meinen Aktionen dermaßen eingeschränkt hatte, dass ich immer wieder zu völlig deplatzierten Lösungen greifen „musste“. Einen Kollegen mit der Waffe bedrohen zum Beispiel oder ähnliches.

Grafisch im Durchschnitt, aber stimmig und auch an die Standbilder bei den Dialogen gewöhnt man sich. Wichtige Sequenzen werden im Anime-Stil als Zwischensequenzen gezeigt und die sind teilweise wirklich richtig, richtig gut gelungen. Alles in allem: Das Spiel ist bei einem Durchlauf relativ kurz, aber ich empfehle allen, es mehrmal zu spielen und verschiedene Möglichkeiten auszuprobieren, denn – wie schon erwähnt – die Unterschiede der Ende sind nicht nur im Detail, sondern riesig. Und die Atmosphäre ist ziemlich cool.

„Tokyo Dark Remembrance“ bekommt von mir 7,5 von 10 möglichen, als düsterer, atmosphärischer Happen für Zwischendurch gut funktionierende, Punkte.


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