Bully – die Ehrenrunde aka Canis Canem Edit (Game-Review)

Jimmy Hopkins hat es nicht wirklich leicht. Seine Mutter hat sich einen neuen Mann geangelt, der offensichtlich primär an kleidungsfreier Zeit mit ihr interessiert ist und nicht mal tertiär an ihrem Sohn. Sie widerum hängt weit mehr an seinem Geld … äh, großzügigem Charakter, als an ihrem Sohn, der ohnehin nur Probleme macht und schon von diversen Schulen geflogen ist.

Also wird Jimmy schnurstracks ins Internat gebracht und er muss sich fortan auf der Bullworth Academy mit allerlei irren Mitschüler*innen, Professor*innen, dem Rektor und der Köchin herumschlagen. All die Schülergangs und sein „Freund“ Gary jetzt mal noch gar nicht mitgerechnet, denn dieser will unbedingt die Schule beherrschen … Das fängt schon mal nicht gut an. Und wir sind immer noch am ersten Tag.

Eigentlich könnte man „Bully – die Ehrenrunde“ oder „Canis Canem Edit“, wie das Spiel in seinem Originalnamen heißt, einfach mit den Worten: „GTA im Schulsetting“ beschreiben und die Sache wäre für alle klar und aus. Aber das trifft es leider nicht ganz, denn – wie ich an anderer Stelle bereits mehrfach erwähnt habe – bin ich absolut kein Fan von der GTA-Reihe. „Bully“ allerdings … „Bully“ liebe ich quasi.

Das liegt an der Art und Weise, wie Rockstar die Schule, alle dort angestellten Lehrer und die üblichen Schülergruppen/-bandenklischees einerseits liebevoll auf die Schaufel nehmen, andererseits überzeichnen und es trotzdem schaffen, aufzuzeigen, dass alle eigentlich nur eines wollen: Freunde haben und irgendwo dazu gehören.

Die Dialoge sind über einen riesengroßen Zeitraum einfach nur ein Hammer. Die Klischees der einzelnen Personen und deren Sicht auf sich selbst sind zum Brüllen komisch, was natürlich auch an den grandiosen Sprecher*innen liegt, die sich zu 100% ins Zeug werfen.

Die Spielwelt öffnet sich nach und nach. Sobald man die Bullworth Academy kennt, dauert es ein wenig, bis man in das angrenzende Örtchen hinaus darf und auch dort gibt es eine ganze Menge zu tun. Die Nebenaufgaben belaufen sich dabei auf allerlei grundverschiedene Aktivitäten, wie Fahrradrennen, Boxen, Rasenmähen, Gegenstände sammeln, Zeitung austragen, und noch vieles mehr.

Daneben gibt noch zwei Mal am Tag Unterrichtsfächer wie Englisch, Sport, Chemie oder ähnliches, die Jimmy zwar schwänzen kann, bei deren Teilnahme und positivem Abschluss allerdings Boni im Sinne von „mehr Gesundheit“ oder die Fähigkeit sich zum Beispiel Stinkbomben selbst zu basteln, winken. Die ersten Stunden sind mehr oder weniger einfach, aber gerade mit der Zeit werden die Aufgaben schon halbwegs ansprechend – egal, ob es sich dabei nun um Quicktime-Events handelt oder um Wissensfragen (gerade die Englisch-Stunden waren später aufgrund von gefühlt 1000 Millionen Slang-Ausdrücken höllisch schwer zu meistern), die man unter Zeitdruck lösen muss.

Jimmy selbst kann optisch angepasst werden und er kann auch wie seine großen GTA-Brüder auf ein ganzes Arsenal an Waffen zurückgreifen, das halt freilich weit weniger tödlich ist. Zum Glück. Hier haben wir Baseballschläger, Steinschleuder, faule Eier und Stinkbomben. Also genau das, wonach das Schüler*innen-Herz sich sehnt.

Die Story selbst ist in mehrere Akte angelegt und in jedem davon ist das Feindbild klar vorgegeben, da Jimmy sich mehr oder weniger mit jeder einzelnen Gang anlegt (oder diese mit ihm). Das bedeutet, dass anfangs noch realtiv oft im Schulhof auf Jimmy hingehackt wird, während er später – je mehr Respekt er bei mehreren Gruppen hat – eigentlich von allen geachtet und gut … nun, zumindest nicht schlecht behandelt wird.

Jimmy-Boy ist dabei ziemlich in der Mitte zwischen einem (dem im Titel erwähnten) Bully und einem eigentlich im Grunde netten Kerl, der nur seine Ruhe haben will. Dadurch, dass er aber nicht der hellste Kopf ist (so ehrlich muss man sein) glaubt er halt oft auch den falschen Leuten und da er Probleme lieber mit der Faust als mit dem Kopf löst, wird er halt auch immer wieder mal ausgenutzt.

Wirklich schwer ist das Spiel nicht und man kommt zügig durch. Für mich waren die Nebenaktivitäten zum großen Teil nett, aber ich habe sie links liegen lassen, weil Bully einach am meisten Spaß macht, wenn die total überzeichnenten Charaktere (ich nehme nur die Schulköchin als Beispiel, für die man ein Rendez-vous organisieren mit ihrem Verehrer organisiert, der allerdings nichts davon weiß. Der Volksmund würde es wohl „kidnapping“ nennen) in Dialogen interagieren und der absolut trockene Humor am allerbesten zur Geltung kommt.

Ob man diese Form von Ironie lustig findet ist wohl allen selbst vorbehalten, ich jedenfalls hatte mit allen Klischees meinen Spaß und bin mehrfalls fast vom Sessel gefallen vor lachen. Auch die Antworten, die Jimmy hin und wieder gibt, sind wirlich super und zeichnen das Bild eines Außenseiters, der einfach nicht versteht, warum alle um ihn herum so tief in der Patsche stecken und der im Grunde auch der Meinung ist, dass ihn das alles eh nichts angeht.

Zumindest nicht bis ihn nicht jemand mit treuem Dackelblick anguckt und ganz lieb „Bitte, Jimmy. Du bist der Beste!“ sagt. Oder ihm Geld bietet. Oder ein neues Fahrrad. Jetzt wo ich so drüber nachdenke … verdammter Egomane. Aber hey – das ist wie in „Game of Thrones“: Alle anderen sind noch schlimmer.

„Bully – die Ehrenrunde“ bzw. „Canis Canem Edit“ ist mittlerweile auch für die PS4 erhältlich, allerdings nur portiert und in keiner Weise irgendwie überarbeitet. Was ich zum Teil schade finde, weil optisch wäre einiges machbar und gerade die Steuerung (zum Beispiel beim Radfahren, ein Grund warum ich diverse Side-Activities einfach ignoriert habe) hat mich mehrmals fast zum Nervenzusammenbruch gebracht.

„Bully – die Ehrenrunde“ bekommt von mir 8,5, in den Nebenaktivitäten schwächelnde, aber in der Hauptstory glänzende, Punkte.

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