Resident Evil 6 (Game-Review)

Und alles beginnt mit einem Paukenschlag der sich gewaschen hat – nicht genug, dass Tatchi unter Zombiebefall leidet, Leon S. Kennedy und seine Partnerin Helena werden von einer Explosion gegen einen Wagen geschleudert und sehen benommen mit an, wie eine Horde Untoter auf sie zustolpert. Diese werden gleich darauf von MG-Beschuss aus einem Helikopter weggefegt, der die beiden scheinbar schützen will. Mit Leons Hilfe kommt Helena wieder auf die Füsse, und die beiden hetzten weiter durch die von Zombies verseuchte Stadt. Sekunden später stürzt ein Flugzeug über ihren Köpfen ab, ein Helikopter kracht in einen Tanklastwagen und die beiden entkommen nur durch einen gehetzten Sprung zu einem anderen Hubschrauber der Druck- und Flammenwelle.

Aber die Erleichertung hält nicht an – die Piloten wurden vom Virus infiziert und verwandeln sich ebenfalls in Zombies – während Leon den Hubschrauber steuert (und knapp an einem Zug entlangschrammt) kümmert sich Helena umd die beiden Angreifer. Aber zu spät – der Hubschrauber stürzt ab, die beiden kommen gerade noch mit dem Leben davon und finden sich auf einem Glasdach wieder – unter ihnen Hunderte Mutierter. Dann – das Glasdach beginnt zu bersten, die beiden können gerade noch springen – und stehen in einem Stadion, dass einer Gladiatorenarena gleicht. Zerstörte Autos, Tote, Blut … was ist nur geschehen? Ein Moment der Ruhe bis Helena und Leon herumfahren, die Waffen im Anschlag. Leon kneift die Augen zusammen, legt an. „Back for more?“, fragt er den bis jetzt unbekannten Angreifer.

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Ja, so rasant ist der Einstieg ins neue Resident Evil – vorbei die Zeiten der gruselilgen Survival-Stimmung, vorbei die gähnend leeren Gänge, frei bekundbare, alte Herrenhäuser und/oder Polizeistationen mit zu wenig Munition. Resident Evil im Jahr 2012 steht vor allem für eines: Action. Action. Action. Und das in großem Umfang und mit großen Ambitionen. Ganze vier Kampagnen sind im Paket enthalten, drei davon gleich von Anfang an anwählbar und die vierte wird erst freigschaltet, sobald die anderen drei durchgespielt wurden, in Summe seid ihr also gut und gerne mal so um die zwanzig Stunden mit dem Spiel beschäftigt. Vorausgesetzt, ihr trödelt nicht herum.

Warum gleich vier Kampagnen? Nun ja, hier kommen die großen Ambitionen ins Spiel, denn Capcom wollte offensichtlich allen Spielern etwas bieten und hat deshalb die Storyline so angelegt, dass es sich zwar um EINE große Geschichte handelt, aber jeder nur einen Teil davon erlebt – ob sich die einzelnen Teile wirklich unterschiedlich spielen, sehen wir uns gleich näher an:

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Am besten für alle ist es wohl mit der Kampagne von Serienliebling Leon S. Kennedy zu beginnen, da zum einen die Story der Leon-Kampagne eng mit der „großen“ zusammenhängt und zum anderen ist die Kampagne ein Versuch Fans des alten Resident Evil 4 wieder mit der Marke zu versöhnen.

Gerade die ersten Abschnitte auf dem Uni-Gelände, in unterirdischen Bunkeranlagen oder in Katakomben sind sehr düster und old-schoolig, gespickt mit ein paar Rätseln (sofern man es so nennen mag), die meist darauf hinauslaufen, dass Person A (Leon) einen Knopf drücken, oder eine Kurbel bedienen muss, damit Person B (Helena) durch eine Tür oder einen Gang weiterkommt. Oder umgekehrt. Alles in allem ist der Anspruch der Rästel dünn und sehr einfach, dafür sehr auf Koop ausgelegt. Die Stimmung, die sich während der Kampagne ausbreitet ist trotzdem toll – Leon ist einfach ein durchdachter Charakter, mit dem man gerne mitfiebert. Vor allem seine „komplizierte Beziehung“ zu einer gewissen Ada Wong macht die Sache noch einen Tick spannender. Von den irren Bossgegner mal ganz abgesehen: ob ihr jetzt gegen eine Frau kämpft aus deren Rücken übergroße Tentakelarme wachsen, einen mutierten Killerhaifisch oder eine … äh … mutierte … äh … Riesenmotte, Resident Evil spielt hier alle Trümpfe aus.

Und schlägt euch auch mit ein paar unerwarteten Story-Twists so richtig in die Magengegend. Ich bin mehrere Male mit nach unten geklappten Kiefern vor dem Bildschirm gesessen und konnte fast nicht glauben, was da gerade passiert ist.

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Von allen Kampagnen wird die von Chris wohl den schwersten Stand haben – er hat zwar ein paar der emotionalsten Momente im Spiel spendiert bekommen, aber nichtsdestotrotz kommt er wie ein raschsüchtiger Vollarsch rüber, der letztlich auch schon Mal sein Team opfert, wenn er dafür seine persönliche Rache bekommt (keine Angst, das war kein Spoiler).

Diese Kampagne spielt sich wie ein Klon von Call Of Duty: Modern Warfare 3, nur anstatt der bösen Terroristen sitzen hier Mutanten hinter den MGs und Gewehren (was anfangs lächerlich wirkt, aber man gewöhnt sich dran), die bei Beschuss schon Mal weiter mutieren (schießt man einem den „menschlichen“ Kopf weg, wächst ein insketioides Teil nach, oder chitinpanzer schützen die verletzten Stellen, usw). Auch die Farbgebung ist heller und es explodieren am laufenden Band irgendwelche Dinge – von Mutanten mit Panzern(!) mal gar nicht erst zu reden.

Sogar eine Rückblende á la Call Of Duty gibt es, die an einen vergangenen verpatzten Einsatz erinnert und Chris‘ Alkoholsucht und Amnesie erklären soll (und sich tatsächlich wie ein x-beliebiger Militärshooter anfühlt). Naja, wers braucht. Fühlt sich geklaut an, spielt sich geklaut. Gegen turmhohe Mutanten zu kämpfen macht man in allen anderen Spielen mittlerweile auch schon – das gibt es schon besser.

Einer der besten (geskripteten) Abschnitte ist allerdings ebenfalls in der Chris-Kampagne versteckt: Während der Jagd nach … hm, einer Person, wird euer Team nach und nach von einem unsichtbaren Gegner ausgeschaltet … das spielt sich dank verwinkelter Gänge und toller Skripte ziemlich spannend. Anspruchslos und einfach? Auch. Aber vor allem spannend.

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Die Kampagne um Serienneuling Jake ist wohl bereits bekannt – und das Jake der Retter der Welt sein könnte, weil er der Sohn von Albert Wesker ist und sein Blut der Schlüssel zu einem Antivirus. Allerdings ist Jake alles andere als ein herzensguter Mensch und er will eine Menge Kohle für seine Mitarbeit sehen – immerhin verdient er sich als Söldner sein Geld ziemlich schwer. Die aus Racoon City bekannte Sherry Birkin ist mittlerweile Agent geworden und hat Jake aufgespürt – jetzt soll sie ihn zurückbringen, um ein Antivirus herzustellen. Nur dumm, dass auch die Gegenseite von Jake weiß.

Hier geht die Sache ein wenig eigene Wege und bleibt Resident Evil dennoch treu – regelmäßig werden Sherry und Jake entwaffnet oder müssen schleichen, um keine Wachen auf sich aufmerksam zu machen, gleichzeitig werden die beiden von einem an Nemesis (Resident Evil 3, anyone?) gejagt, der(oder das) scheinbar einfach nicht totzukriegen ist. Was an sich eine coole Idee und eine nette Hommage an Teil 3 wäre, würden nicht in allen(!) Kampagnen Gegner auftauchen, die nicht nur einmal wieder aufstehen, sondern teilweise vier bis fünf Male gekillt werden müssen, bis auch wirklich Sense ist.

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Und wenn diese drei Storylines durchgespielt wurden, dann hat man ein wenig mehr Überblick über die ganze Story – und die vierte und letzte Kampagne wird freigeschaltet – Vorhang auf für Ada Wong.

Die einzige Kampagne, die auch nicht als Koop spielbar ist, denn – erraten – Ada Wong ist Einzelkämpferin. Hier erst wird deutlich, wer Drahtzieher hinter der ganzen Geschichte ist und was überhaupt passiert ist – wobei ich sagen muss, dass die „Story“ der vierten Kampagne für mich die schwächste ist, da gerade gegen Ende hin, vieles einfach nur so „nebenbei“ geschieht ohne tatsächliche Höhepunkte setzen zu können und sich ein paar Logiklöcher auftürmen. Abgesehen davon, dass alle, die auch nur ein klein wenig die anderen Kampagnen verfolgen, ohnehin schon wissen, was gespielt wird.

Das größte Plus dieser Kampagne ist schlichtweg die Figur der Ada Wong, die einfach niemand aus der Ruhe bringen kann und die immer einen Plan hat. Neben Fräulein Wong kann sogar James Bond einpacken, ganz im Ernst. Sind in der ersten Hälfte von Adas Episode noch klar Rästel im Vordergrund (und davon ein Teil sogar wirklich gut!), dann wird es später – ähnlich wie bei Leons Kampagne, deren Wege sich des Öfteren kreuzen – immer actionreicher und trotzdem langweiliger, weil die Überraschungen immer weniger werden. Was klarerweise auch daran liegt, dass man aufgrund der bereits gespielten Kampagnen viel an Vorwissen hat, was als nächstes passieren wird. Ganz abgesehen davon, dass Ada den langweiligsten Bossgegner hat (wenn auch die „coolste“ Art ihn auszuknipsen).

Alles in allem ist Resident Evil 6 also in vielen Bereichen eindeutig großartig geworden (Umfang, Storypräsentation, Bedienung, grafisch tolle Gesichter und Hauptcharaktere, perfekte englsche(!) Synchrosprecher), in anderen lässt es allerdings zu wünschen übrig (Story an sich, Skriptfeuerwerk, Schlauchlevels, matschige Texturen, lange Ladepausen).

Die Steuerung ist anfangs ein wenig gewöhnungsbedürftig, zumindest für Serienveteranen, denn seit diesem Teil dürft ihr euch während dem Schießen auch bewegen. Nicht nur das, auch können die Charaktere sich in der Gegend herumwerfen, über den Boden rollen und sprinten. Deshalb spielt sich Resi 6 also eine ganze Ecke mehr wie Teil 5 als die Vorgänger. Der wohlige Grusel ist dem actionreichen Brachialhorror (sofern das noch Horror ist) gewichen und wenn die Charaktere nicht mit dabei wären, die man schon kennt – es wäre kein Resident Evil mehr.

Davon abgesehen macht die ganze Sache ziemlich Laune, denn das Gameplay ist flott, die Inszenierung super und die Story treibt einen voran – wer allerdings kein Storyspieler ist, der oder die könnte mit Resi 6 seine/ihr Probleme haben, denn Shooter gibt es weit Bessere und Horror ist hier nicht mehr drin. An sich unterscheiden sich die einzelnen Kampagnen vom Spielgefühl her wenig – Chris ist mehr Militär, Jake hat mehr Fahrzeugsequenzen, Leon und Ada dafür zwei, drei Rätsel – herzlich wenig.

Müsste ich die Kampagnen nach ihrem Unterhaltungswert für mich reihen, wäre Leons Kampagne an erster Stelle, dann lange nichts. Zweiter Platz wäre Jakes, dann die von Chris und leider (aufgrund der Überraschungsarmut) Ada auf dem vierten Platz. Leon an erster Stelle ist aber auch darin begründet, dass ich viele Sequenzen eben zum ersten Mal bei seiner Kampagne gesehen habe – und so effektiv ein Biowaffenanschlag auch gezeigt wird, so richtig ergriffen und entsetzt ist man nur beim ersten Mal (dafür weiß man später, wenn man als Chris spielt, was da auf dem Spiel steht – das bekommt man in der anderen Kampagne sehr klar und deutlich vor Augen geführt …).

Aber – unter uns gesagt – allein für 25 Stunden Spielspaß und 4 Kampagnen gebührt Capcom schon Respekt – mir war in den 25 Stunden Resi 6 weit seltener langweilig (in Summe rund 30 Minuten) als bei Modern Warfare 3 (und das dauert gerade Mal vier bis fünf Stunden!) – so gesehen ist alles Meckern an „zu langgezogen, pi pa po“ nur Meckern auf hohem Niveau. Klar, wer Survival-Horror haben will, sollte zu den alten Resident Evil-Teilen oder (ebenfalls den alten) Silent Hill-Teilen greifen. Resident Evil 6 ist Action pur. Wer damit klar kommt, wird viel Spaß mit dem Game haben.

„Resident Evil 6 (PS3 – Version)“ bekommt von mir 8,5 die Welt an drei Fronten gleichzeitig vor einer Biowaffenkatastrophe rettende Punkte


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