Control (Game-Review)

Es hat etwas Düsters und Ungewisses als Jessie Faden das Haus betritt. Es ist das „Älteste Haus“. Der Ort an dem all die Dinge existieren, von denen die normale Bevölkerung nicht wissen darf, dass sie exisitieren. Tatsächlich ist es sogar so, dass normaler Bürger:innen das Haus einfach „übersehen“. Nur Jessie nicht. Denn Jessie hat einen Gast in ihrem Kopf, eine Art Geist oder übernatürliches Wesen, welches eine Verbindung zu dem Haus hat und ihr seinen Anblick ermöglicht.

Aber sie hat auch einen Plan: Denn Jessie sucht ihren Bruder. Nachdem in ihrer Kindheit seltsame Ereignisse in ihrer Heimatgemeinde passiert sind, ist ihr Bruder fort und es wurde versucht alles zu vertuschen. Es wurde sogar versucht ihr einzureden, dass sie überhaupt keinen Bruder hat. Und jetzt ist Jessie hier. An dem Ort, den es nicht geben darf.

Und durch eine Verkettung von Umständen, ist sie kurz darauf nicht nur an dem Ort an dem sie nicht sein darf, sondern die die „Service Weapon“, die letzte Verteidigunglinie gegen das Übernatürliche, hat sie als neue Direktorin auserwählt, nachdem ihr Vorgänger, nun, nennen wir es „unter außergewöhnlichen Umständen, die vielleicht oder vielleicht auch nicht mit Jessie zu tun haben“, verstarb.

So weit – so schnell und überraschend. Aber auch dafür gibt es einen Grund, denn das „Älteste Haus“ wird abgeriegelt. Niemand darf mehr rein und schon gar nicht raus. Eine Invasion hat begonnen. Wesen aus einer anderen Dimension sind in das Haus eingedrungen, verwandeln Menschen in Marionetten und physikalische Gesetze in etwas, was man eher Richtlinien nennen könnte. Und da steht Jessie nun. Allein. Also neue Direktorin eines Jobs, von dem sie bis vor kurzem nicht wusste, dass es ihn gibt und mit einer Aufgabe, die sie nie haben wollte – allein, weil sie ihren Bruder finden will. Den es vielleicht gar nicht gibt.

Ja, Remedy sind Entwickler, die ich (und viele andere) schon lange im Auge haben. Für mich hat das mit „Max Payne“ begonnen, sich mit „Max Payne 2“ gesteigert und die Begeisterung ist seitdem nicht mehr abgerissen. Das liegt einerseits an den wirklich gut durchdachten Gameplay-Elementen, die Remedy einfach drauf hat, aber viel mehr an der Atmosphäre und den teilweise völlig irren aber in ihrem Kontext absolut nachvollziehbaren Geschichten. Dass da das Gameplay hin und wieder ein wenig hinten anstehen muss hat vor ein paar Jahren „Alan Wake“ bewiesen, dessen zweiter Teil ja gerade veröffentlicht wurde („Quantum Break“ habe ich auslassen müssen, weil ich keine X-Box habe. Und ja, ich freue mich über und auf die Remakes der beiden Max Payne-Teile).

Auch „Control“ hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, wie ich zugeben muss, aber ich habe lange Zeit schon gewusst, dass es gut sein soll, aber irgendwie konnte mich mit der Thematik und der Idee, dass sich die gesamte Story in diesem einen Haus abspielt nicht viel anfangen können. Dummkopf, der ich bin. Ich hätte einfach auf Sam Lake (Autor der Geschichten) und sein Team vertrauen sollen, dass die schon wissen was sie tun. Denn „Control“, nun, das hat es hinter der scheinbar langweiligen und banalen Fassade dann doch in sich.

Und zwar auf mehreren Ebenen.

Die eine – offensichtliche Ebene – ist die Grafik mitsamt der dazugehörigen Physik. Ohne große Spoiler kann ich ja durchaus schreiben, dass Jessie im Verlauf der Geschichte übernatürliche Kräfte erhält. Das beginnt beim Schweben über weitere Strecken, wirklich hohe Sprünge und der Fähigkeit der Telekinese bis zum Beeinflussen von Gedanken ihrer Feinde.

Klingt nach Standard, könnte man jetzt sagen, und ja, das ist es auch bis zu einem gewissen Teil. Aber wie gut hier nach ein wenig Eingewöhnun die (Vorsicht Wortspiel!) Kontrolle über diese Fähigkeit und damit eure Umwelt habt, nun, das ist ein ganz anderes Kaliber.

Keine Munition in der Waffe? Macht nix: Reißt einfach ein Stück Beton aus einer Säule und schleudert dieses auf Feinde. Oder reißt Teile des Bodens an euch, damit dieser vor euch schwebend ein Schutzschild bildet. Schnappt euch einen kleinen Gegner und werft ihn auf einen anderen. Nehmt einen Feuerlöscher, der herumsteht, schmeißt ihn in die Runde und jagt ihn in die Luft – oder auch einen Gabelstabler. Warum mit Kleinkram aufhalten? All das ist auch nicht neu, aber auf eine Art und Weise umgesetzt, die richtig, richtig Laune macht. Steht ihr nach einem harten Feuergefecht als letzte in einem Großraumbüro, während neben euch die kaputten rauchenden Bildschirme, die ihr eben noch durch die Gegend geschossen habt, herumliegen, während Staub von den Wänden bröselt – aus denen ihr eben Teile rausgerissen habt, um sie als Schutzschild zu nutzen – während die Papierblätter, die davor noch in Akten gelegen sind rund um euch herum zu Boden flattern, denn habt ihr ein richtiges Triumphgefühl. Die Ruhe nach dem Sturm. Ja, es fühlt sich so gut an.

Das wird auch bis zum Ende nicht langweilig, glaubt mir, denn die direkte Kontrolle, das Wechseln zwischen der Waffe (die als Pistole, Shotgun, MG und andere Versionen verwendet werden kann) und den Fähigkeiten wie im Flug wechselt und immerzu die perfekte Kontrolle über eure Bewegungen und damit eure Gegner habt – das fühlt sich richtig gut an ohne dabei zu unterfordern.

Und natürlich auch die Story, die durch Akten und Tonbänder vertieft wird, ist wirklich cool geworden. Vor allem die Welt, die Remedy hier aufgebaut hat mit allen ihren „Objects of Power“ oder den „Anomalien“ (AWEs – Alterd World Events), über die man lesen kann bis zu den teilweise großartigen Nebenfiguren – der Vorgänger von Jessie, Wissenschaftler:innen und ja, auch der Hausmeister – das passt alles zusammen und schafft eine Atmosphäre, die positiv an die ersten noch guten Akte X-Fälle erinnert. Ja, so gut fühlt sich das an und so spannend ist es.

Dass man es dazu auch noch schafft und durchzieht eine Art „verbundeses Universum“ zu schaffen und zB „Alan Wake“ einzubauen, ist dann noch das Tüpflechen auf dem I. Auch Jessie ist ein faszinierender Charakter, vor allem das Wesen in ihrem Kopf, die Frage um ihren Bruder oder warum gerade sie vom „Board“ (eine absolut schräge und geniale Idee, wer oder was das ist und dargestellt wird) als Chefin auserkoren wurde … großartig. Die Verbindung von schrägen Elemente, wie dem roten Telefon, welches euch ermöglicht mit Toten Kontakt aufzunehmen und so viele weitere Dinge (die nicht immer geltenden Regeln der Physik zum Beispiel) fügen sich zu einem großen Ganzen zusammen, das einfach super harmoniert. Ganz großes Kino. Und das Remedy auch Meister im Inszenieren von denkwürdigen Szenen sind haben sie nicht erst mit „Alan Wake 2“ bewiesen, sondern bereits hier. Ich sage nur „Ashtray“-Maze. Auch die Verbindung mit ihrer (man kann es nicht anders sagen) Haus-und-Hof-Band „Poets Of The Fall“ (Titelsong von „Max Payne 2“), die hier unter dem Namen „Old Gods Of Asgaard“ dabei sind … das sind absolute Highlights und Gänsehaut-Momente.

Die Einbindung von immer wieder kleineren Rätsel im phsyikalischen Sinne und die Schritt für Schritt sich verdichtende Story mitsamt ihren Nebenschauplätzen … was hier an Ideen drinsteckt macht einfach Spaß.

So viel Spaß, dass ich auch beide DLCs empfehlen kann. „The Foundation“ erweitert die Story, die Herkunft und das „Sein“ des „Boards“ und der DLC „AWE“ ist ein Verbindungsglied zu „Alan Wake“ (welches ich auch empfehlen kann, auch wenn das Gameplay für die Kämpfe dort nicht 1A ist). Ist „The Foundation“ mehr Shooter und Acionteinlage, so ist „AWE“ mehr mit Rätseln verdichtet, die mit der „Dunkelheit“ („Alan Wake“-Kenner:innen sind klar im Vorteil) zu tun haben.

Immer fordernd, nie überfordernd und vor allem atomsphärisch wirklich großartig. Dass Courtney Hope, die als Synchronsprecherin und optisches Vorbild für Jessie dient, außerdem kein Durchschnittsgesicht hat, sondern sehr markankte Gesichtszüge, die sie nicht zur typischen Schönheit machen inklusive ihrer großartigen Leistung in der (englischen) Sprechrolle ist schon fast Nebensache. Und ja, auch der Synchronsprecher von Max Payne, James James McGaffrey ist wieder mit dabei und bringt seine geniale Stimme erneut zum Einsatz.

Alles in allem kann ich nur sagen: Ich hätte Remedy vertrauen und „Control“ viel früher eine Chance geben sollen.

„Control“ bekommt von mir 8,5 von 10 möglichen, im Ältesten Haus alles richtig machende, Punkte.


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