Luckiest Girl Alive aka Ich. Bin. So. Glücklich. (Filmkritik)

Ani FaNelli (Mila Kunis) hat alles: Einen hübschen, reichen Verlobten (Finn Wittrock), der für Black Rock arbeitet. Sie werden bald heiraten. Sie hat einen Job als Redakteurin (für ein Billigmagazin und sie schreibt Artikel darüber, die man besseren oralen Sex hat), aber dank ihrer Vorgesetzten die tatsächliche Chance auf einen Wechsel in die New York Times.

Nur eines stört: Ein Filmemacher will eine Dokumentation über ein School Shooting drehen, welches Ani überlebt hat. Einer der anderen Überlebenden namens Dean, der aufgrund der Schießerei im Rollstuhl landete, hat damals behautet, dass sie daran beteiligt gewesen sei. Jetzt hat sie die Chance diese Info richtig zu stellen.

Denn Dean ist kein Unbekannter. Ihn und Ani verbindet eine Party-Nacht am College …

Das erste Mal bin ich auf diesen Film aufmerksam geworden als ich gelesen habe, dass sich das Publikum über diesen Film aufgeregt hat, weil es unbedingt notwendig zu sein scheint, dass man davor eine Trigger-Warnung reingibt. Der Film enthalte heftige Bilder und Darstellungen. Ja, das stimmt. Es wird eine Vergewaltigung gezeigt. Oder eigentlich zwei. Dazu weiter unten mehr. Zuerst: Ich verstehe, warum Mike Baker, der Regisseur, die Szene so im Film zeigt, denn es ist wichtig zu sehen, was passiert ist, zu sehen, wie verzweifelt Ani ist und zu sehen, wie sie versucht den Jungen wegzustossen, aber so betrunken ist, dass ihre schwache Bewegung von dem Jungen als Liebkosung missverstanden wird. Aber er bleibt nicht der einzige. Und bei denen danach, da kann sie sich zwar auch nicht wehren, aber sie schreit „Warte“ und „Stop“, macht also absolut klar, was sie nicht will. Den Rest kann man sich denken.

Tatsächlich ist das starker Tobak, aber für die Hauptfigur Ani sind das wichtige Szenen, weil sie den gesamten Film begründen müssen. Und der Hintergrund des Schulmassakers spielt auch hinein bzw. umgedreht: Die Vergewaltigungen spielen in das Massaker hinein. Das ist auch der große Twist im Film. Wer ist oder sind die Täter beim Shooting? War Ani involviert und was ist passiert? Sobald man diese Informationen hat ist alles sonnenklar. Man bekannt sie allerdings eh erst knapp vor Ende des Films.

Dass man bis dahin dabei bleibt hat drei Gründe:
Zuerst die schauspielerische Leistung von Chiara Aurelia, welche die junge Ani spielt. Diese Dame gibt einfach alles und jede Emotion ist glaubwürdig. Das macht ja die oben erwähnten Szenen so bedrückend.
Der zweite Grund ist die Innere Stimme von Ani. Die Frau ist einfach beinhart abgebrüht und ihre Gedanken sind meistens sarkastisch wie nur möglich. Das macht sie nicht sympathisch, aber es macht sie unterhaltsam.
Und der dritte Grund: Ich glaube nicht, dass Mila Kunis schon jemals so sexy war. Eine toughe Frau, die selbstbewusst auftritt und wirklich unglaubliche Sexiness ausstrahlt.

Jetzt kann man sagen, dass ist irre, dass ich sowas bei einem Film schreibe, in welchem es ja eigentlich darum geht, dass eine Vergewaltigung das ganze Leben der Betroffenen zerstört hat und es Jahre dauern kann, das aufzuarbeiten, wenn das überhaupt möglich sein sollte. Aber genau das ist es ja, was ich meine: Ani hat ihre Erfahrung durch extreme Kälte und Toughness, sowie berechnender Sexiness kompensiert. Selbst ihr Ehemann ist eigentlich nur ein Häkchen auf ihrer Liste, um sich selbst Glaubwürdigkeit in der öffentlichen Meinung zu verschaffen (was sie eigentlich per Definition unglaubwürdig macht, meiner Ansicht nach). Das ist mal ein Zugang zu dem Thema, den man nicht so oft sieht.

Aber ganz ehrlich: Es spielt keine Rolle.

Das Anliegen des Films in Ehren, die technische Umsetzung in Ehren und die Idee dahinter in Ehren, … aber: Nein. Das hier ist die Hollywood-Version einer Aufarbeitung. Das hier ist die Power-Fantasy einer Frau, die das erlebt hat und sich wünschte, so wäre es ausgegangen. Ist es aber nicht. Die Autorin des Buches „Luckiest Girl Alive“ hat nach der Veröffentlichung verkündet, dass sie Teile ihrer Biografie literarisch verarbeiten musste, um damit klarzukommen. Was ihr gutes Recht ist. Ich kenne das Buch nicht (laut Internet viel besser als der Filme). Nur hat sie halt auch das Drehbuch für den Film geschrieben, was meiner Ansicht nach allerdings schiefging.

Sehe ich den Film als von diesen harten Themen distanzierter, dann kann ich ihn als Thriller sehen, und ja, dann passt es, dann ist er stimmig und ich würde sogar sagen, er ist wirklich gut und spannend. Das würde aber heißen, dass ich Szenen wie oben und ein School-Shooting einfach nur der Spannung halber in einen Film einbaue. Kann man machen. Sollte man sich davor allerdings gut überlegen. Und dann ist es nicht notwendig, diese Szenen so zu … zelebrieren. Bitte nicht falsch verstehen, hier wird nichts verherrlicht, aber es für einen Thriller müsste es nicht so direkt und intensiv gezeigt werden, weil die Spannung ja woanders herkommen würde.

Tatsächlich geht es bei „Luckiest Girl Alive“ (Sarkasmus, irgendwer?) um den Weg von Ani, die alles tut, um ihre arme Herkunft hinter sich zu lassen und in die Elite aufzusteigen, damit sie auch was zu sagen hat. Und wer hier auf irgendeine Message hofft, der oder die wird ebenfalls leer ausgehen. Es gibt Ansätze. Aber nichts davon wird tiefergehend weiterverfolgt.

Tatsächlich ist es die Geschichte einer Frau aus der Unterschicht, der Schlimmes passiert ist und die sich allen Begebenheiten zum Trotz nach oben kämpft. Schade halt, dass man sie so unsympathisch machen musste.

Wollt ihr eine Szene wissen, die alles über den Film aussagt? Am Ende wird Ani von einer Reporterin angesprochen, die darauf hinweist, dass der Typ, den sie der Vergewaltigung angeklagt hat, sich für strengere Waffengesetze eingesetzt hat (ja, er ging in die Politik, was habt ihr bei so einem Film erwartet?). Der konkrete Vorwurf war, sie hätte die Vergewaltigung für sich behalten sollen, weil der Typ jetzt Gutes tut und sie unterstellt Ani, damit nur an die Öffentlichkeit gegangen zu sein, damit sie berühmt wird.

So weit, so legitim. Ist ja eine mögliche Sicht auf die Dinge.
Anis Antwort? „Wie war nochmal ihr Name?“
Als ihr gegenüber ihr antworten will, unterbricht Ani sie schroff und sagt: „Ach, vergessen Sie das, es ist egal, dann ich werde Sie für immer in Erinnerung behalten als die Dame, der ich hier und heute gesagt habe: F*** you!“ Dann dreht sie sich um und geht. Ihre Innere Stimme sagt ihr: Verdammt, Mädel. Du musst daran arbeiten, solche Aussagen cooler rüberzubringen.

Lest das nochmals. Dann vergesst die Frage nach dem (scheinbar) moralischen Dilemma. Vergesst, die beschissene Antwort von Ani, denn die kann man sich (wenn man will) damit erklären, dass Ani lange genug mit sich gekämpft hat und jetzt endlich zu ihrer Entscheidung stehen kann, ganz egal, was irgendjemand anders ihr einreden will. Empowerment, sozusagen. Aber was ich wirklich nicht gut fand war der Nachsatz: „Girl, you have to work on your delivery“. Das sind die Gedanken einer präpotenten Tussi. Nicht mehr und nicht weniger. Und das ist das Ende es Films. Das ist das Ergebnis von Anis Entwicklung, die wir als Zuseher:innen scheinbar gut finden und feiern sollen: Sie ist in der High Society angekommen und gehört jetzt zur versnobten Elite. Sie ist jetzt tatsächlich in allen Belangen, eine von „denen“.

Man verstehe mich nicht falsch: Ich finde es gut, dass Ani als selbstbewusste Frau dargestellt wird, dass die Macher:innen nicht den typischen „armes Opfer, dass sich selbst nicht helfen kann“-Weg gewählt haben. Aber zumindest das Präpotente hätte man sich sparen können. Man kann auch stark und selbstbestimmt sein, ohne sich wie ein A*******h zu benehmen.

Mila Kunis wurde für ihre Darstellung übrigens extrem gepriesen. Die hat meiner Ansicht nach bis auf eine Szene nicht viel zu tun. Echt nicht. Ohne die Darstellung von Chiara Aurelia wäre dieser Film wirklich eher schwach.

Das Tragische an dem Film für mich ist, dass ich mir am Ende des Films dachte „Cool“ und ich musste grinsen. Das war es. Kein Gedanke, an das was passiert ist. Kein Gedanke an die Themen, die angesprochen wurden. Kein Gedanke daran, was die Frau alles durchgemacht hat. Nein. Ich dachte mir „Cool“. Wie bei jedem anderen x-beliebigen Thriller.

Und das ist das Problem, welches ich mit dem Film habe. Ich kann es nicht besser beschreiben als so: Wenn ein Film mit solchen Szenen und solch einer Handlung mich am Ende dazu bringt, dass ich mir denke „cool“, ohne das irgendetwas nachwirkt, dann ist er zu oberflächlich inszeniert. Bitte richtig verstehen: Ich brauche keinen Arthouse-Film nach welchem ich fünf Tage depressiv bin und mich dafür schäme ein Mann zu sein. Nein, danke. Aber einen Film mit solchen Themen und Hintergründen und Szenen zu haben, und zwei Tage später denke ich nicht mal mehr dran? Hätte ich nicht für möglich gehalten.

Und ich finde es auch nicht gut. Da ist man irgendwo am Weg falsch abgebogen, sorry.

„Luckiest Girl Alive“ bekommt von mir 5 von 10 möglichen, drei davon für die jeweils oben angeführten Gründe, Punkte.


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