Harry Brown (Filmkritik)

Harry Brown (Michael Caine) ist ein im Süden von London lebender Pensionist.
Die Jugendkriminalität in seiner Wohngegend steigt ständig, daher nimmt Harry täglich einen weiten Umweg in Kauf, um seine schwer kranke Frau im Krankenhaus besuchen zu können, ohne in einer berüchtigten Unterführung auf agressive Banden zu treffen.

Als Harry´s Frau schliesslich verstirbt und kurz darauf sein bester und einziger Freund Leonard (David Bradley, er spielte Argus Filch in den Harry Potter Filmen) in der gefürchteten Unterführung von Jugendlichen ermordet wird, besinnt sich Harry auf seine schlummernden aber noch lange nicht verschwundenen Fähigkeiten als Marine. Harry wird das tun, was die Polizei seit Jahren schon versucht, es aber noch nicht einmal ansatzweise geschafft hat: die umliegenden Wohnsiedlungen in einen für Normalbürger sicheren Ort zu verwandeln.

Harry-Brown

Harry Brown ist ein aktueller Vertreter aus dem Selbstjustiz-Thrillergenre.
Sehr gut gefallen hat mir der eindeutig zu erkennende, europäische Look und das völlige Fehlen von unangebrachtem Hollywoodglanz. Gleich die Eröffnungssequenz zieht einen sofort in den Film hinein. Zwei von Drogen zugedröhnte Teenager rasen auf einem Motorrad durch den Park, schiessen dabei zum Spass auf eine Mutter, die gerade ihr Baby im Kinderwagen vor sich herschiebt und krachen dann bei der darauffolgenden übereilten Flucht in einen vorbeifahrenden LKW.

Schon hier kann man als Zuseher eine gewisse Freude nicht verbergen, wenn die zwei kleinen Monster ihre gerechte Strafe sofort bekommen niemanden mehr etwas zu Leide tun können. Eine Gewisse Trauer darüber, wie so junge Menschen emotional völlig eiskalt werden konnten, empfindet man aber trotzdem und schon meldet sich auch schon das schlechte Gewissen über die vorher erlebte Schadenfreude.

Und genau darum geht es ja auch bei Filmen mit Selbstjustizthemen. Entweder es ist ein hirnloser Actionfilm, bei dem der Held reihenweise Leute umlegt uund man bei jedem davon jubelt, es gibt aber auch Dramen, bei denen der „Gute“ am Ende selber zum „Bösewicht“ mutiert oder zumindestens nicht mehr von ihm zu unterscheiden ist.

Bei Harry Brown fällt die Einteilung der Sympathiepunkte nicht wirklich schwer, was nicht zuletzt an der tollen Darstellung des immer großartigen Michael Caine liegt. Beim Abstieg in die örtliche Drogenszene kann man den Schrecken und den Ekel vor den menschlichen Abgründen seines Umfelds in jeder Sekunde von seinem Gesicht ablesen, beim Töten fühlt Harry keinerlei Freude, höchstens ohnmächtige Wut funkelt aus seinen angesichts der rohen Gewalt immer noch ungläubigen Augen.

Wieder einmal eine souverän coole „Ein Mann Show“ von Caine, der aus seiner Rolle mimisch alles herausholt, was machbar und vor allem glaubwürdig ist. Ihm zur Seite steht eine zurückhaltende, sehr feinfühlig agierende Emily Mortimer als Polizistin, Liam Cunningham und Ian Glen zeigen ihr zwielichtiges Talent in kleinen Nebenrollen.

Der authentische Look, die sehr guten Schauspieler, die unmittelbar ohne Glanz filmende Kamera und die emotional spannende Filmmusik runden das positive Gesamtergebnis angenehm ab, ohne dabei mit allzu lästigen Moralfragen den Betrachter zu quälen.

Insgesamt also sicher einer der besten Vertreter dieses Genres, bei dem man auf Grund der echt realistischen Machart wirklich daran glaubt, dass es in den Nebenstrassen und Unterführungen London´s echt so abläuft.
Ich glaube aber trotzdem, dass der Film in erster Linie unterhalten möchte und nicht zum stundenlangen Diskutieren über Jugendkriminalität und Selbstjustiz anregen will.
Würde ich das nämlich nicht annehmen, müsste ich den Film nicht zuletzt auf Grund seines Endes um einiges schlechter bewerten.

Harry Brown bekommt von mir 7,5/10 den realen Schrecken von Nebenan verbreitende Empfehlungspunkte.


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