
Der Tag ist wie jeder andere in Ebisugaoka. Die Eltern streiten. Es geht um Hinakos Zukunft. Das Mädchen verlässt das Haus und marschiert zum üblichen Treffpunkt, um sich abzulenken. Bereits am Weg dorthin ist die Stadt menschenleer bis auf ihre drei Freunde Shu (Mann), Rinko (Frau) und Sakuko (Frau). Aber kaum angekommen, plagen Hinako Kopfschmerzen und plötzlich taucht Nebel auf. Mit dem Nebel kommen Spinnenlilien, welche die gesamte Stadt überziehen und sofort eine ihrer Freundinnen töten.
Die Überlebenden fliehen, trennen sich und kommen gerade so noch mit dem Leben davon. Außerdem tauchen in der Stadt selstsam enstellte Monster auf, die Hinako nach dem Leben trachten. Und gerade als es nicht schlimmer werden kann, kehren die Kopfschmerzen zurück, Hinako verliert das Bewusstsein und wacht an einem düsteren Ort auf, der aussieht wie ein alter japanischer Schrein.
Auch dort wird sie von Monstern bedroht, aber ein Mann mit der Maske eines Fuchses hilft ihr und er scheint zu wissen, was hier los ist und wie Hinako wieder nach Hause kommen kann. Wären da nur nicht die Warnungen ihrer alten Spielzeugpuppe, die ihr immer wieder eintrichtert, dass sie dem Fuchsmann nicht trauen darf …
Um es vorweg zu sagen: „Silent Hill f“ ist für mich das ambivalenteste Spiel seit langem. Ist es gut? Kommt drauf an, worauf ihr Wert legt. Ist es schlecht? Kommt drauf an, wie geduldig ihr seid. Das klingt jetzt kryptisch und unschlüssig und genau so fühlt es sich auch an für mich. Ich würde es gern uneingeschränkt empfehlen (Story-Inszenierung, Art-Design, Atmosphäre), kann es aber nicht (Kampfsystem und tatsächlich: Design-Entscheidungen bzgl. Gameplay).
Aber der Reihe nach. Fangen wir mit den positiven Dingen an: Das Art-Design ist schlichtweg großartig. Die Idee mit den Lilien, das Design der Monster und wie diese Silent-Hill-typisch mit Hinakos Psyche zusammenhängen – das ist alles großartig und da gibt es für mich auch nichts dran zu rütteln. Auch die Inszenierung des Horrors funktioniert für mich quasi perfekt – von der Optik und dem Sounddesign her. Das ist alles wirklich richtig klasse und macht definitiv Lust auf mehr. Allein die Vogelscheuchen und wie sie später eingesetzt werden – Hammer. Respekt!
Und dann fangen für mich schon die Probleme an, denn an dieser Stelle würde ein großes ABER folgen. Nur, dass es kein ABER ist. Es ist ein UND. Hier stehen wirklich Plus und Minus gleichwertig gegenüber, ohne das – für mich – das eine das andere schmälern oder ausmerzen kann.
Ich fange mal beim Gameplay an, bevor ich zur Story, deren Präsentation und diversen Design-Entscheidungen komme: Das Gameplay ist im Grunde simpel: Herumlaufen, an bestimmten Stellen zum Klettern Knopf drücken, Monster verhauen oder flüchten, sich darum kümmern, dass die Waffen nicht zerbrechen, an Schreinen Gesundheit und andere Dinge hochleveln und dabei auf einem klaren, linearen Pfad von A nach B zu kommen, immer und in jedem Abschnitt mit einem klaren Ziel vor Augen. So weit – so gut.
Nur: Die Umgebung ist tot. Und ich meine damit nicht menschenleer, sondern tot. Das ist alles zu 100% als Kulisse zu erkennen. Auf Screenshots wirkt das Ganze absolut detailverliebt und ja, dass ist es auch – nur gibt es NULL Interaktion. Weder kippen Flaschen um, noch bewegt sich irgendwas im Wind, noch ist dort sonst irgendwas auch nur irgendwie „echt“. Liegt vielleicht daran, dass ich vor kurzem erst „Assassin’s Creed Shadows“ gespielt habe, in dem man sich sogar seinen Weg querfeldein durch Bambus holzen kann, wenn man denn will – aber hier: Wenn es nicht mit X zur Interaktion markiert ist, dann vergiß es.

Dazu kommen die Wege und extrem künstlichen Blockaden: Wenn ihr zB auf den Wegen durch Reisfelder läuft, dann ist dieser Weg eine Spur höher als die Felder. Dann steht da ein Karren im Weg. Hinako kann nicht außen herumlaufen. Weil … Gründe. Oder zwischen zwei Sträuchern durch, die einen Meter auseinanderstehen. Außen rum auf einem klar vorgegebenen Weg? Ja. Aber durch? Nein. Sinnfrei. Das finde ich bei einem AA-Titel wie zum Beispiel „Scars Above“ völlig in Ordnung, aber bei einem „Silent Hill“ erwarte ich mir im Jahr 2025 eigentlich was anderes. Vor allem hat mich diese Tatsache immer wieder aus der Immersion geschmissen, weil das Spiel mich einfach auf technischer Seite her Dinge nicht hat machen lassen, die völlig logisch wären. Zurück zum Beispiel Reisfeld: Die Bösen Mannequins, die Hinako auflauern, die können vom Reisfeld zu mir raufspringen. Aber ich kann nicht runter? Echt jetzt? Naja. Ist halt so.
Dazu kommt, dass die Kämpfe anfangs für mich eine Qual waren – nicht, weil ich ausweichen und kontern muss und dabei auf die geistige Gesundheit (werte Gaming-Magazine: „Sanity“ heißt nicht Verstand, sondern geistige Gesundheit bzw. Vernunft!) und Hinakos Ausdauer achten muss – das ist kein Thema, das lernt man, das passt. Was nicht passt, ist die Spielfigur in so enge Gassen zu stecken, dass Angriffe oder ausweichen nicht möglich sind. Ja, mag sein, dass es das Ziel ist, die Spieler:innen zum Fliehen zu bewegen, weil Story und Spannung und so – dann gebt uns halt zu diesem Zeitpunkt einfach noch keine Waffe in die Hand. Diese Lösung hier ist irgendwie … so lala. Ich war tatsächlich mehrmals kurz davor das Spiel abzubrechen, schlichtweg, weil das Kampfsystem bzw. eigentlich: Die Austragungsorte der Kämpfe so mies waren, dass ich nicht aufgrund eines Fehlers von mir, sondern aufgrundn eines Fehlers im Design quasi keine Chance hatte. Das finde ich frustig und müsste nicht sein.
Damit komme ich zur Story: Die hat mir wirklich gut gefallen, zumal es für mich weniger – wie oft propagiert wird – um die Rolle der Frau und Geschlechterrollen im Jahr 1960 in Japan geht (juckt mit das wirklich?), sondern um Hinako als Person, die für sich eine schwerwiegende Entscheidung treffen muss und schwerstens(!) mit sich hadert. Mit ihr als Person (nicht Symbol) mitzufühlen wird einem wirklich leicht gemacht zumal die Dinge, zu denen sie gezwungen wird (oder für die sie sich entscheidet), wirklich heftig sind. Es gibt hier ein paar Szenen, die ich niemals so hätte kommen sehen und ich war völlig fasziniert, was hier wie und warum passiert. Das ist alles wirklich extrem gut gemacht und cool umgesetzt und die Inszenierung ist ein Hammer. Gänsehaut hoch 10. Wirklich grandios.
Natürlich kann man sich relativ rasch zusammenreimen was passiert, was wirklich los ist und was alles an Symbolen herumläuft – „Silent Hill f“ ist vieles, aber nicht subtil. Monster, die aus vielen Köpfen bestehen und Gift spucken? Enstellte männliche Dämonen ohne Gesicht, die Hinako anspringen und wenn sie sie erwischen zu Boden drücken und sabbernd ihr Gesicht ablecken? Mannequins mit Traummaßen, entstellt und ohne Gesicht? Hm. Wie gesagt: Subtil ist hier nicht das Gebot der Stunde gewesen. Zumindest nicht bei den Monstern.
Dafür sind die Beziehungen zwischen den Figuren vielschichtiger. Warum zum Beispiel nennt Sakuko Hinako immer „Verräterin“? Warum behautpet Rinko Shu gegenüber, dass Hinako „tot“ sei, wo sie doch neben ihnen steht? Und warum ist Shu so verdammt … verständnisvoll? Das alles wird nach und nach gelöst und kommt durch Dialoge und Tagebucheinträge und Notizen, die man nach und nach findet ans Tageslicht und in letzter Konsequenz ist es eine tief menschliche, tragische, nachvollziehbare und persönliche Geschichte, die mich wirklich berührt hat – bis dann das Ende kam. Das war vermutlich als „WTF?“-Moment geplant und soll animieren, das Spiel im New Game+ zu starten, denn darin (und im New Game++ auch nochmals) ändern sich Dialoge, man findet mehr Notizen und Infos (die man im ersten Durchgang überhaupt nicht finden kann) und außerdem kann man nach dem ersten Durchspielen unter bestimmten Voraussetzungen vier neue Enden (eines davon ein Jux: Das UFO-Ende) freispielen, welche zwar nicht die Geschichte (die bleibt im Kern gleich), aber doch die Beziehungen unter den Figuren ausloten, erhellen und teilweise in einen neuen, stark veränderten Kontext setzen.

So sieht hat man zum Beispiel am Anfang des ersten Durchgangs den Eindruck, dass Hinakos Vater einfach ein dummer Säufer ist, dem seine Familie egal ist. Nun … wie gesagt: Der erste Eindruck. Aber da steckt einiges mehr dahinter. Gleiches bei Rinko, die anfangs wie eine eifersüchtige Rivalin dargestellt wird, nur um später, nun – auch einen anderen Eindruck zu hinterlassen. Sie ist zum Beispiel die erste, die darauf hinweist, dass Hinakos Stimme völlig anders klingt, wenn sie mit Shu spricht (dann redet Hinako mit hörbar tieferer, männlicherer Stimme) als wenn sie mit ihren Freundinnen spricht. Da sind viele kleine, coole Details drin.
Auch gibt es Räume, die im ersten Durchlauf versperrt sind und die man später betreten kann, ebenfalls voller neuer Erkenntnisse. Alles eine coole Sache und eigentlich eine richtig coole Idee (die Genialität eines „Nier: Automata“ wird nie erreicht. Nicht mal die von „Nier: Replicant„). Nur … das Spiel sagt mir NICHTS. Naja, ich kann im Menü lesen, dass es Voraussetzungen gibt, die ich erfüllen muss für Ende X oder Y. Schön. Das bedeutet allerdings nur, dass ich weiß, ich muss erneut(!) jeden Millimeter im Spiel absuchen, um Details und Dinge zu finden, die es im ersten Durchlauf nicht gab. Und im dritten Durchlauf nochmals, und zwar nach Dingen, die es weder im erten noch im zweiten gab. Und sorry – Nein. Einfach NEIN.
Damit kommen wir zum – neben der grundsätzlichen Story, Inszenierung und dem Art- und Sound-Design – zum größten Pluspunkt: Die Karte. „Silent Hill f“ bietet die beste, hilfreichste und wohl schönste Karte, die ich seit langem in einem Spiel gesehen habe. Absolut. Die ist sowas von mit Liebe gestaltet – erneut: Art-Design: 1A -, dass muss man schon gesehen haben. Und noch besser: Hinako zeichnet permanent neue Dinge ein – wenn sie zB etwas Interessantes sieht oder wenn ein Weg versperrt ist oder wenn wieder ein Durchgang frei ist. Das ist richtig hilfreich und wirklich großartig. Im ersten Durchgang.
Im zweiten – ist es 1:1 wie im ersten. Es gibt halt ein paar interessante Orte mehr und ich muss immerzu auf der Karte nachsehen, ob jetzt wo ein Durchgang möglich ist oder nicht – allerdings, und das ist der für mich mühsame Teil, markiert mir das Spiel nicht, ob der Ort im ersten Durchlauf auch schon zugänglich war oder neu ist. Sicher – jetzt kann man mir vorwerfen, dass ich ein fauler Hund bin und ich soll selbst suchen und das Suchen ist ja das Spannende an der Sache und die Freude was Neues zu entdecken ist ja DER große Erfolgsmoment. Sicher. Für euch vielleicht. Mein Alltag ist voll genug von Dingen, die ich mir merken muss, in meinem Hirn ist kein Platz dafür, ob in Kapitel 1 von X die Tür Nummer 27 im ersten Durchlauf offen oder geschlossen war. Sorry. Nein. Da denke ich an die „Resident Evil-Remakes“ mit den Karten, im Sinne von „da gibt es noch was zu finden“ oder „da ist noch was zu tun“-Farbmarkierung und denke mir: Ja, genau das hätte es gebraucht. Im zweiten Durchgang(!). Wenn man schon ganze Storystränge erst im New Game+ einbauen kann, dann wäre das doch ein Klacks gewesen und hätte meiner Meinung nach dem Spiel nichts an Spannung genommen.
Und tja, deshalb ist für mich „Silent Hill f“ ein ambivalentes Spiel: Ich würde es gern richtig, richtig mögen, weil ich die Figuren, das Art-Design, die Bezüge zur japanischen Folklore, die Inszenierung und die Nutzung von symbolhaften Aktionen und alles zusammen mag: Ja, das ist richtig, richtig großartig.
Wenn ich dafür aber drei Mal durch die gleichen engen, von Monstern heimgesuchten Straßen laufen und Häuser durchsuchen muss, ohne zu wissen, wo es etwas Neues gibt … nein, danke. Selbst nachdem ich mich an das Kampfsystem gewöhnt hatte (oder die Stats so hochgepusht, dass die Monster nur kurze Ablenkungen anstatt einem furcheinflössenden Problem waren), war mir das dann einfach zu langweilig. Ein Haus. Fünf Interaktionspunkte. Drei davon leer. Ein Heilkraut. Ein Eisenrohr als Waffe. Nächstes Haus. Vier Interaktionspunkte (im gesamten Haus verteilt!). Zwei davon leer. Eine Schokolade. Eine Opfergabe für den Schrein. Nächstes Haus. Und so weiter und so fort. *gähn* Nein. Einfach Nein.
„Silent Hill f“ bekommt von mir 7 von 10 möglichen, an seinen eigenen Design-Entscheidungen leider zum Teil scheiternde und seine eigentlich grandiose Atomsphäre und tolle Story damit – für mich – kaputtmachende, Punkte.

