Polite Society (Filmkritik)

Ria (Priya Kansara) und ihre Schwester Lena (Ritu Arya) sind ein Herz und eine Seele. Die eine ist Künstlerin, die andere geht noch zur Schule. Beide wohnen Zuhause. Dann aber verliebt sich Lena in einen reichen, schicken Kerl, der auch einen Narren an ihr gefressen hat – sie wirft ihre Kunst hin und will indische Traditionen pflegen. Eine Hausfrau werden. Sich integrieren.

Ria, die selbst Stuntfrau werden will, kann damit überhaupt nicht leben und versucht zu beweisen, dass Lenas Liebster ein abgekartetes Spiel spielt. Sie spioniert ihm nach, deckt Geheimnisse auf und stellt immer wieder fest, dass jedes Geheimnis ihn nur noch weiter in die Arme von Lena treibt.

Es ist zum Haare ausreißen – zumal in Rias Kopf ohnehin fast alle Konflikte auf Martial Arts Art und Weise gelöst werden.

Aber es nagt an ihr: Da muss noch was verborgen sein. Etwas Dunkles. Und vor allem die Schwiegermutter in spe nagt gewaltig an ihren Nerven …

„Polite Society“ ist eine absolut wilde Mischung, die man vermutlich auf keine Art und Weise beschreiben kann, die dem Film einerseits gerecht wird und andererseits Lust darauf macht, ihn auch zu sehen. Denn … das dürfte hier nicht funktionieren. Das kann gar nicht funktionieren. Der Humor, die völlig absurden Momente, die peinlichen Fehltritte von Ria, ihre Freundinnen – das alles darf eigentlich nicht funktionieren. Als Beispiel nur die Martial Arts-Kämpfe, die klar in Rias Kopf passieren, aber dargestellt werden, als würden sie echt geschehen. Das wird nie geklärt und nie näher ausgeführt, das wird einfach so präsentiert, dass zB in einer Szene plötzlich alle in der Küche ihr Arbeitsgerät fallen lassen und sich Ria wie Bruce Lee zu seinen besten Zeiten durch die Typen keilert. Mit kleinem Faux-Pas am Ende.

Nein, das muss man gesehen haben, damit man glaubt, dass das wirklich funktionieren kann.

Es ist eine Liebesgeschichte zwischen zwei Schwestern. Der Kampf einer Schwester um ihre (unrealistischen) Träume und der anderen mit der Akzeptanz, dass ihre Kunst nie reichen wird, um zu überleben und die sich damit abfindet in die Traditionen zu kippen, um ihr eigenes Versagen nicht erleben zu müssen.

Das alles garniert mit völlig irren, aber absolut liebenswerten Figuren, die zwar oftmals Mist bauen, aber doch alles immer aus einem Gefühl der Verantwortung und der Liebe tun, einem Produktionsdesign, dass beizeiten Bollywood-Bombast erreicht, ohne dessen Fremdschöm-Übertreibungen und noch dazu schaffen die Macher:innen es, richtig, richtig witzig zu sein.

Priya Kansara ist eine kleine Naturgewalt, die Dialoge geschliffen und irre und die Szenen so skurril, dass es fast nicht irrer geht. Das hier ist ein Film von dem ich gern behaupten würde, ich hätte ihn gemacht. Hab ich aber nicht.

Es dauert ein wenig bis der Film in Fahrt kommt, aber wenn man erst mal mit den Figuren warm geworden ist, die Dynamik zwischen den Schwestern sieht und der skurril-witzigen Inszenierung dieses Konflikts verfallen, da kann man (trotz des ein wenig unpassenden und dann doch irgendwie passend zum Rest des Films-Endes) durchaus sagen, dass die Zeit verflogen ist und man die meiste Zeit über ein Grinsen im Gesicht hatte.

Ich kann allen, die etwas für liebenswert-abstruse, aber niemals sich und ihre Träume aufgebende Figuren, empfindet nur sagen: Guckt euch diesen Film an. Ihr werdet ihn lieben.

Auch ansonsten gibt es wenig bis keinen Grund zur Kritik- das hier, das ist absolut stimmig ohne einen Hauch von Wokeness oder Zeigefinger, sondern wirklich toll gemacht und super geschrieben und vor allem – großartig umgesetzt.

Ich kann „Polite Society“ uneingeschränkt empfehlen. Ein Gute-Laune-Film mit viel Irrsinn, cooler Action, einem Set- und Produktionsdesign, welches man einem Film aus England normalerweise nicht zutrauen würde und das super geworden ist – Herz, was will man mehr.

„Polite Society“ bekommt von mir 8,5 von 10 möglichen, so gut wie alles richtig machende, Punkte.


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