Erin (Hannaj Bang Bendz) ist nervös, immerhin will ihr Freund sie zu sich mit nach Hause nehmen und seinen Eltern vorstellen. Das ist insofern ziemlich fordernd für sie, denn aus sehr ungewöhnlichen Gründen muss Erin oft Medikamente nehmen: Sie wurde als vierjähriges Kind entführt und fast 17 Jahre lang gefoltert und missbraucht. Deshalb die Tabletten. Diese Erfahrung hat sie auch körperlich verändert, denn die permanente Anspannung hat dazu geführt, dass ihr Körper eine Menge an Adrenalin produziert die für andere Menschen tödlich wäre. Deshalb auch die Medikamente, die sie einnimmt, damit sie ruhig bleibt.
Dumm nur, dass sich die Familie ihres Freundes (sie sind verlobt!) sich als ziemlich schräg herausstellt. Noch schräger sogar als die erste Begegnung scheinen lässt, denn die Familie ist Teil eines alten Kults, welcher als Ziel hat durch das Trinken von Blut länger zu leben. Dazu muss das Blut rein sein und unter Schmerzen vom Opfer abgezapft werden.
Nur hat diese Familie nicht damit gerechnet, dass einerseits Erins Blut ein ganz besonderes Blut ist und andererseits haben sie keine Ahnung, wen sie sich da mit Erin ins Haus geholt haben. Denn diese ist alles andere als ein leichtes Opfer …
Über diesen Film bin ich gestolpert, weil mir YouTube den Trailer nach irgendeinem „Pitch Meeting“ (wer das nicht kennt: unbedingt ansehen!) gezeigt hat und ich mir dachte, dass das ganz okay aussieht. Und das trifft es dann auch. In keiner Welt ist „I Am Rage“ ein guter Film oder ein Film, der im Kopf hängen bleibt. Es ist aber auch kein richtig schlechter Film. Es ist eher so ein Film bei dem man sich ärgert, dass es nicht eine Spur besser ging, denn man sieht, dass alle Involvierten mit vollem Einsatz bei der Sache sind.
Die Story ist altbekannt: Abgelegenes Haus. Jagd auf Menschen. Reiche kaufen Blut und/oder Beute. Familie macht das seit Jahren. Die feschen Buben bringen Mädels heim. Die Show wird allerdings von der Tochter gesteuert. Und – Überraschung – eines Tages sucht sich die Familie die falschen Opfer aus. Punktum. Nichts davon neu.
Neu ist die Idee mit der Wut, die Erin in sich herumträgt und die sich immer wieder kurz nach draußen kämpft. Zum Beispiel gibt es eine Szene in welcher ihr ein Streich gespielt wird und Sarah (Antonia Whillans) sich tot stellt, Erin hingeht, sich besorgt über sie beugt und Sarah die Augen aufreisst und „Buh!“ ruft. Was bei Erin als Reaktion hervorruft, dass sie ihr mit voller Faust eine reindonnert, noch bevor sie weiß, was sie eigentlich macht. Solche Szenen sind super, lustig und haben mir gefallen. Wie generell der Film eine ziemlich lange Zeit richtig Spaß macht. Vor allem die ganzen Andeutungen auf Erins Vergangenheit und was das für sie, ihr Leben und die Wut in ihr bedeutet.
Mit dieser Vorahnung bzw. diesem Hintergrundwissen kommen ein paar recht spannende Momente zusammen, die man freilich in ähnlicher Form auch schon kennt. Aber sie funktionieren auch hier: Erin, festgebunden am Sessel, blickt in die Runde und sagt knochentrocken: „I will kill you all“ „Is that a threat?“ „No. It’s a fact.“ Das hat fast was von Bruce Willis in seinen besten Tagen. Und man glaubt ihr auch. Zumindest so lange es bei Andeutungen und Androhungen bleibt.
Leider kippt der Film dann relativ rasch oder besser: Wird seinen eigenen Andeutungen nicht gerecht, als dann die Action losgeht. Alles ist auf ein hartes, brutales und kaltes Action-Finale hin ausgelegt, welches dann nie kommt. Also, doch, ja, es kommt. Es passiert genau das, was wir wissen, dass passieren wird. Nur ist es … handzahm. Dabei meine ich noch nicht einmal die Dinge die passieren, die sind teilweise schon cool bzw. hätten sie cool sein können, wenn man sie besser gemacht hätte. Wenn es dann nämlich um glaubwürdige Kämpfe geht, dann stürzt der Film unweigerlich ab.
Das ist insofern schade, weil man permanent an der Grenze zum „guten Film“ dahinpendelt und immerzu in Sichtweite ist, wie gut der Film hätte werden können und in ein paar ganz seltenen Momenten, da ist er es auch. Zum Beispiel beim Zweikampf von Erin mit dem Bruder ihres Freundes an dessen Ende sie mit den Worten „I never did like you“ einen Spint auf seinen Kopf krachen lässt. Oder noch später als die Mutter der Familie vor Erin steht und sich offensichtlich rausreden will. Nur das Erin das nicht interessiert und sie die Mutter ohne großes Drama über den Haufen schießt. Mehrmals. Das sind Momente, die man emotional versteht, die man kommen sieht und die man sich sogar bis zu einem gewissen Grad wünscht. Und diese beiden hier sind sogar gut gemacht.
Wäre der Rest der Action nur nicht so … drucklos. Der Schnitt – in allen anderen Belangen wirklich gut geraten – lässt speziell bei diesen Szenen leider zu wünschen übrig. Ich weiß, fehlendes Martial Arts-Können kann auch der beste Schnitt nicht verdecken und da sind schon ganz andere Kaliber dran gescheitert. Ich werde allerdings den Verdacht nicht los, dass, wenn man hier und da eine Sekunde oder ein paar Frames früher geschnitten und ein paar coolere Soundeffekte draufgeklatscht hätte, die Sache durchaus besser rübergekommen wäre.
Wie dem auch sei: Das sind viele „Was wäre, wenn“s. Ich finde es halt schade, weil da ein an sich guter Film drunter wäre und einfach so viel stimmt, dass man an dieser letzten Hürden scheitern muss. Schauspielerisch gibt es hier nämlich nichts zu bekritteln (Antonia Whillans ist super!) und auch der Rest ist technisch wirklich gut dabei. Das Drehbuch wäre auch an sich okay (wenn auch nicht neu). Marta Svetek (primär Synchronsprecherin) als Margret ist angenehm abgehoben und man glaubt ihr, dass sie irre ist. Die Dialoge sind positiv-schlecht, in dem Sinn, dass sie nicht gut sind, aber für diese Art von Film quasi perfekt. Und Hannaj Bang Bendz ist wirklich gut in der Rolle. Ob es nun die Blicke sind, ihre Körperhaltung oder – nochmals, weil es so ist – ihre Blicke. Das passt schon alles. Nur halt bei den Kämpfen, da passt es dann nicht mehr. Das tut mir insofern doppelt leid, weil die gute Dame, also sie Schauspielerin, sympathisch wirkt und sie im echten Leben übrigens einen Kurzfilm mit dem Titel „Salvaje“ geschrieben, produziert, gedreht und geschnitten hat, der – Nerds, seid jetzt stark! – von X-23 handelt, die sie natürlich selbst spielt (was ich mir gut vorstellen kann). Genau. Wenn das mal nicht per se sympathisch macht, was denn dann? Da steckt Herzblut drin, sowas macht man nicht aus Kalkül.
Deshalb: Schade, wirklich schade, denn wer so lange so kompetent auf ein Finale zusteuert, welches den ganzen Film lang aufgebaut wird, der oder die sollte dann auch liefern können. Hit and miss, wie man so schön sagt. Übrigens finde ich den Titel „I Am Rage“ richtig cool.
„I Am Rage“ bekommt 5,5 von 10 möglichen, leider beim für diese Art Film am wichtigsten Punkt – nämlich der Action im Finale – scheiternde, Punkte.