Resident Evil 4 (2023 Game Review)

Leon S. Kennedy hat die Ereignisse in Raccoon City überlebt und hat seinen Job als einfacher Polizist aufgegeben. Die Vorkommnisse haben allerdings Spuren bei ihm hinterlassen und sind mit ein Grund, weshalb er mittlerweile ein Spezialagent für ganz bestimmte und heikle Fälle ist. So wie der aktuelle Fall. Irgendwo im spanischen Hinterland sitzt er in einem Polizeiauto und wird zu einem Ort gefahren, an dem man sein Ziel vermutet: Die Tochter des Präsidenten der USA.

Dort angekommen stellt sich rasch heraus, dass die Entführer der Dame namens Ashley mehr sind als nur ein Haufen, nun, Entführer. Die Bewohner:innen verhalten sich seltsam und recht bald geht es um Mutationen, Viren und Experimente. Und auch die Geschichte des Dorfs, in dem Leon landet, ist düster, dreckig, gemein und … bedrohlich …

Wie schnell man vergisst. Ich habe Resident Evil 4 in mehreren Versionen bereits durchgespielt gehabt, so das letzte Mal in der HD-Remake-Version vor gut vier Jahren. Nicht das erste Mal und – wie sich 2023 gezeigt hat – auch nicht das letzte Mal. Ich bin jetzt keiner von denen, die sich ein Remake von diesem Teil herbeigesehnt haben, was auch daran liegt, dass es gefühlt für jedes System (vermutlich gibt es Taschenrechner für die es einen Port gibt) umgesetzt wurde und irgendwann muss man sich halt schon mal fragen, wozu immer wieder alles aufwärmen.

Auf der anderen Seite … es ist „Resident Evil 4“. Ein Spiel, welches alles was danach kam, sei es Franchise-intern oder generell in der Spielelandschaft, geprägt hat. Da darf man schon mal ein bisschen stolz drauf sein und auch zusehen, dass neue Generationen mit diesem Ding bekannt werden. Allerdings besetht dann halt die Gefahr, dass die heutige Zielgruppe, die das Original nicht kennt, absolut keinen Plan hat, warum das damals so toll war. Schlichtweg deswegen, weil viele der Neuerungen von damals heutzutage Standard sind.

Kann also ein Remake in dieser Form irgendeine Art Begeisterung auslösen? Ich meine bei den Remakes von Tei 2 und Teil 3 ist es zumindest so, dass die Perspektive gewechselt hat und so weiter. Das alles ist hier tatsächlich nicht der Fall. So nah am Original war noch kein Remake von Capcom. Großes Risiko, also?

Tatsächlich habe ich bei meinem gut 12 Stunden dauernden Durchlauf eines festgestellt: Der Erfolg von Resident Evil 4 lässt sich nicht auf die neu eingeführten Gameplay-Mechaniken reduzieren. Die gibt es heutzutage (selbst mit den Anpassungen im Remake) in anderen Spielen genauso.

Was dieses Spiel hier so besonders macht ist der Aufbau, das Level-Design, die Abwechslung von Abschnitt zu Abschnitt und das es schlichtweg keinen – ich wiederhole: keinen! – Leerlauf gibt. Es dauert absolut nicht lange und man ist gefangen in einem Strudel aus „Nur noch diesen Teil der Karte. Nur noch diese Aufgabe. Nur noch diese eine Leiter. Nur noch bis zu diesem Ausgang“ und ehe man sich versieht sind mehrere Stunden vergangen. Es ist tatsächlich das „Nur noch diesen Absatz“-Phänomen, das man aus Büchern kennt, was in meinen Augen den Erfolg ausmacht. Dann dieses Pacing, diesen Rythmus im Spielgefühl … das schaffen nur ganz, ganz wenige Spiele.

Der Ablauf der Levels (oder wie sie im Remake heißen: Kapitel) ist dermaßen poliert und organisch, dass es nur so dahinfetzt und selbst ruhigere Passagen mitreissen. Das Spiel bzw. die Macher:innen haben es auch im Remake wieder geschafft, diesen unglaublichen Flow zu erzeugen, der stark auf die Story-Beats setzt, die Umgebungen, Feinde, Monster und Enthüllungen immerzu in einem konstanten Hoch hält, sodass es schwer ist, mittendrin aufzuhören, weil man immerzu wissen will, was jetzt als nächstes kommt.

Dass die Story schräg und irre ist, ist unumstritten, das war sie auch damals schon und das Franchise war ja zu keinem Zeitpunkt für seine Realitätsnähe bekannt. Bei diesem Teil hier hat man aber nochmals mehr drauf gepfiffen als bei den Vorteilen. Zumindest kommt mir das so vor. Die menschlichen Gegner, die zu teils irrsinnig grotesken Monstern mutieren sind einfach … irre. Ja, das Wort irre kommt hier und heute oft vor, aber das liegt zu 100% daran, dass es einfach auch so gut passt. Geballter Irrsinn, verpackt in eine erstaunlich stimmige Story – wenn man sich denn darauf einlässt und ihr bei der Vorstellung, dass aus einem 1 Meter 80 hohen Menschen ein 20 Meter hohes Monster herausbricht, nicht in ungläubiges Kopfschütteln verfallt, sondern euch breit grinsend Freudentränen aus den Augen wischen müsst. Dann seid ihr hier nämlich sowas von richtig.

Zum Gameplay: Ja, es gibt einen Haufen an Verbesserungen zum Original und zwar solche, die tatsächlich Verbesserungen sind. Von der Blockmechanik über die Möglichkeit zu schleichen bis hin zu einem leichteren Inventarmanagement und einer wirklich nützlichen Karte ist alles dabei, was moderne Gamer:innen und solche, die es werden wollen, mittleweile fast brauchen und gut finden.

Tatsächlich ist es faszinierend, wie Capcom es geschafft hat ein Spielgefühl zu erzeugen, dass sich anfühlt, als wäre es schon immer so gewesen. Ich habe dann mal als Versuch das HD-Remake angeworfen und war völlig sprachlos, was da alles nicht dabei war. Es fühlt sich im 2023 Remake schlichtweg so an, als wäre das alles so, wie es immer schon gehört hat. Capcom hat es hier wahrlich geschafft ein absolut in sich greifendes, stimmiges und reibungslos funktionierendes Gameplay zu implementieren, welches mich zu keiner Sekunde aus dem Spielfluss gerissen hat. Respekt, kann ich nur sagen.

Apropos Spielfluss: Es gibt Abschnitte vom Original, die gestrichen wurden, Teile, die überarbeitet wurden und – zumindest kommt mir das so vor – Teile, die neu drin sind. Auch wenn letztere nur selten vorkommen bzw. ich mir nur einmal gedacht habe: „Spannend. An diesen Teil kann ich mich jetzt so überhaupt nicht erinnern.“ Und es funktioniert, wie oben beschrieben, prächtig.

Kommen wir zu einem großen Punkt, der bei allem Lob im Rückblick doch Kritik verdient hat und diese meiner Meinung nach viel zu wenig bekommen hat: Die Charaktere. Tatsächlich blieben allesamt inkl. ihrer cool inszenierten Auftritte über weite Strecken blass. Das trifft auf die Mini-Bosse immer noch zu einem großen Teil zu, das stimmt. Trotzdem kam es mir vor, als ob sie jetzt … mehr Charakter hätten. Liegt vielleicht an der besseren, kinoreifen Inszenierung oder der bzgl. Mimik ausdrucksstärkeren Grafik, mag sein, aber tatsächlich habe ich hier mit Leon mitempfunden. Und wenn Mr. Kennedy dann einem Salazar entgegenwirft, dass er zu viel spricht und diese Aussage mit einer Kugel untermauert, dann hat mich das mehrmals zu einem zustimmenden Kopfnicken animiert. Und – noch viel wichtiger – die Nebenfiguren wurden ausgebaut. Luis, nur als Beispiel, hat eine (neue) Hintergrundgeschichte bekommen, welche das Spiel inhaltlich viel mehr an die Vorteile und Umbrella knüpft, außerdem begleitet er euch jetzt länger als KI-Partner.

Stichwort KI-Partner: Ashley. Man trifft die junge Dame ja erstaunlich bald im Spiel und das gemeinsame Entkommen hat sich früher doch hin und wieder bzw. an manchen Stellen nach richtig harter Arbeit angefühlt – aus Balancing- und Gameplay-Sicht. Hauptsächlich weil die Figur primär nervig war und die KI einfach … ich sage mal so: Würde man einer KI-Figur Suizidgedanken zutrauen, dann wäre das Ashley. Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass die KI mich manchmal absichtlich ärgern wollte indem sie Gegner absichtlich in die Arme gelaufen ist. Und zwar im Regelfall am weitest von mir entfernten Punkt der Karte. Kurzum: Die hat man gerettet, weil es der Job war, nicht weil man ihr irgendwelche Sympathien entgegenbrachte. Dazu kommt noch, dass es aus Sicht aus 2023 durchaus einige unnötige, anzügliche Bemerkungen seitens der anderen Figuren ihr gegenüber gab. Von der Möglichkeit ihr beim Raufklettern auf Leitern unter den Rock zu gucken, will ich gar nicht anfangen. Sagt allerdings mehr über die Zeit aus, in der das Spiel entstanden ist, als über das Spiel selbst. Für’s Protokoll: Das mit dem Rock geht nicht mehr, sie hat jetzt eine Hose an. Hätte man ja von Anfang an so machen können, aber wie eben geschrieben: Andere Zeiten.

Vom verbesserten Gameplay abgesehen, hat sich bei Ashley wohl am meisten getan. Sie hat Charakter, sogar ein paar wirklich starke Momente und ja, man möchte, dass ihr nichts passiert. Sie nervt nicht. Sie ist sympathisch. Sie bleibt verletzlich und teilweise hilflos, aber sie wächst über sich hinaus und das gibt der Story und der Dynamik zwischen ihr und Leon nochmals einen weiteren coolen Schub nach oben. Dank ein paar kleinerer Änderungen ist es auch nicht so, dass sie gefühlt alle paar Minuten entführt wird oder stirbt. Es gibt jetzt auch einen „Bleib nah bei mir“ oder „Halt Abstand Modus“ und die Geschichte hat – ich kann kaum glauben, dass ich die folgende Zeile tippe – durch diese Story-Änderungen bzw. Verbesserungen mehr Tiefe erhalten. Die Beziehung zwischen ihr und Leon ist glaubwürdig und schön mitzuerleben. Gerade der letzte Dialog am Schluss fasst das super zusammen: „I could have a word with my father. Make you my personal bodyguard. We are a good team.“ Leon: „No thanks, you don’t need me. You proved that you can handle yourself“. Wirkt es immer noch so, als ob sie in Leon verschossen wäre? Ja, klar. Aber einerseits: Wie auch nicht? Ich meine … Leon S. Kennedy, Leute. Und andererseits: Dieses „verschossen sein“ wirkt erwachsener und nicht mehr seltsam befremdlich. Auch weil Ashley viel erwachsener dargestellt wird, anstatt wie im Original sehr kindlich. Fand ich super.

Alles in allem kann ich nur festhalten: Alles richtig gemacht. An der Grafik und den Umgebungen gibt es nur ganz selten was auszusetzen (manche Gegenden gehen förmlich über vor Details, während andere spärlich und fast leer wirken), manche Texturen kamen mir matschig vor und andere Kleinigkeiten, die aber nicht ins Gewicht fallen und in Summe sieht alles super aus, spielt sich erstaunlich organisch, die Settings sind toll und (dachtet ihr, das war es schon?) auch mal richtig irre. Der Flow, wenn man es so nennen will, der setzt rasch ein und dann will man eigentlich gar nicht mehr aufhören, bis das Finale erreicht ist.

Randnotiz: Der Abspann-Song ist auch noch richtig gut (die Version mit Gesang).

Kritik muss ich allerdings daran üben, dass die zweite Mini-Kampagne mit Ada Wong nicht mit dabei ist. Ich hoffe, die wird nachgeliefert. An die neue Synchronsprecherin musste ich mich auch erst mal gewöhnen, aber dann passte das gut. Ihre neue Optik ist nicht 100%ig meins, aber das ist rein Geschmackssache und ich bin nunmal ein Gewohnheitstier (siehe meine Kritik bzgl. Ellie in der „The Last Of Us„-Serie).

„Resident Evil 4 (2023)“ bekommt von mir 9,5 von 10 möglichen, im Grunde auch nichts anderes als eine schlauchartige Schießbude seiende, das aber nahezu perfekt machende, Punkte.


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