Pearl (Mia Goth) lebt auf einem Bauernhof irgendwo in den USA. Ihre Eltern sind deutsche Migranten und sie haben sich hier ein Leben aufgebaut. Aber Peral will mehr. Peral will tanzen. Pearl will ein Star werden. Was sie daran hindert, sind in erster Linie ihre Eltern und nun, auch ein bisschen ihre eigene seltsame Art.
Die Mutter arbeitet am Hof, aber die meisten Tätigkeiten muss Pearl machen. Vor allem, sich um den im Rollstuhl sitzenden Vater kümmern, der eigentlich nicht mehr viel mehr tun kann als sitzen und schauen. Eine große Belastung für die gesamte Familie.
Aber ihre Zukunft sieht – in ihren Augen zumindest – besser aus, denn es gibt ein Casting im Dorf. Tänzerinnen werden gesucht und es ist völlig klar, dass Pearl diejenige ist, die gewinnen wird. Erneut: In ihren Augen.
Es hilft auch nicht, dass Pearls Ehemann in den Krieg gezogen ist und nicht klar ist, ob und wenn ja, wann er wieder zurückkommt. Aber Pearl will nicht auf ihr Glück warten. Sie will es sich holen. Um jeden Preis …
Die Vorgeschichte von „Pearl“, die ja mehr oder weniger die Hauptrolle in Ti Wests „X“ gespielt hat, wurde voarb bereits als super abgestempelt, denn Pearl ist ja ein faszinierender Charakter. Wurde mir gesagt. Tatsächlich hatte ich nach dem Ansehen von „X“ weder die Meinung, sie sei irgendwie besonders, vom Alter abgesehen, noch war ich nachhaltig beeindruckt. Ja, der Film war spannend und vor allem sehr gut gemacht, aber in meinen Augen auch kein Überdrüber-Meisterwerk. Und die „Komplexität“ der Figur Pearl wurde häufig diskutiert. Tatsächlich finde und fand ich die Figur nicht besonders komplex. Es ist halt ihre Motivation, die am Ende für die Überrachung sorgt. Mehr nicht.
Und scheinbar hat sich Ti West gemeinsam mit Mia Goth gedacht, dass die Figur so toll und interessant ist, dass man ihre Vorgeschichte erzählen muss und diese gleich mitgedreht.
Was ist es also geworden? Nun, für mich ein tatsächlich optisch astreiner Film mit kräftigen Farben und schönen Bildern, einer naiven und ein bisschen blauäugigen Hauptfigur, die von einem schöneren Leben träumt und deshalb über Leichen geht. Nicht immer absichtlich, aber es ist, nun, nachhaltig.
Ich kann nur wiederholen: Optisch ist Pearl eine Augenweide mit kräftigen Farben, einem schönen Setting, schönen Aufnahmen und wirklich gut gefilmt. Die Experimente in den Schnitten vom Vorgänger sind quasi auch passé. Also ein netter Film für einen Abend, den man sich ansehen kann, bei dem man aber auch nichts versäumt, wenn man ihn nicht sieht, denn über lange Zeit spielt sich die Sache ab wie ein kleines Bauernhof-Drama.
Ja, klar passieren dann Sachen, die für manche Beteiligte nicht angenehm sind. Und ja klar, wenn dann Blut spritzt, dann auch heftig und brutal, immerhin reden wir hier von einem Horrorfilm. Aber für viele wird wohl die Story um Pearl eher zu langatmig geraten sein und in erster Linie finde ich, ist dieser Film für Ti West und Mia Goth das, was Kill Bill für Tarantino und Thurman ist: Ein Zeichen, dass da Funken zwischen beiden sprühen, aber man halt statt was anderem einen Film macht.
Highlight ist sicher der lange Monolog am Ende des Films, den Pearl hält und wo sie sich und ihre Motivationen und Enttäuschungen ihrer besten Freundin darlegt. Die halt dann damit so überhaupt nicht umzugehen weiß, was eh wie zu erwarten war, auf eine bestimmte Weise endet.
Man verstehe mich nicht falsch: Der Film ist nicht schlecht und visuell gut gemacht. Man ist auch nie gelangweilt und es ist schon spannend zu sehen, wie die gute Dame Schritt für Schritt zu einer Serienkillerin wird und eigentlich durchdreht, aber am Ende des Films hat sie ein Alter, nun … der Sprung zu der Person in „X“ ist halt schon noch ein großer und meiner Ansicht nach fehlen da noch ein paar Schritte bis man hinkommt. Bzw. hat „Pearl“ auf sich allein gestellt ein grandioses Ende. Wirklich cool und wirklich ambivalent und schon halbwegs krank. Nicht blutig und brutal, aber doch … krank. Und passend, weil es den Geisteszustand von ihr sehr gut wiederspiegelt. Vor allem die letzte Aufnahme (ein breites Grinsen, das immer wieder kurz ins Verzweifelte kippt, um dann wieder von Mia Goth zu einem „happy face“ zurecht gerückt zu werden, während rundherum der Abspann eingeblendet wird) ist einfach großartig.
Auch sich allein gestellt also ein Film, den ich durchaus empfehlen kann, auch wenn man die Figur Pearl … naja, sie hat von Anfang an ein bisschen was Abstossendes. Ich könnte aber nicht sagen, was es ist. Es ist einfach die Art wie sie spricht, sich bewegt und … nein, ich kann es an nichts festmachen. Und das spicht ja doch sehr für Mia Goth. Auch im finalen Monolog war es so, dass ich mir nicht dachte: „Du armes Mädchen“, sondern „die spinnt doch“. Was sicher Absicht war (Mia Goth hat am Drehbuch mitgeschrieben) und auch passt. Meine Reaktion war in etwa so, wie die von Pearls gegenüber.
Wie dem auch sei: In Kombinatin mit „X“ lässt „Pearl“ meiner Ansicht nach aber zu wünschen übrig, weil das Ende einfach so viele neue Fragen aufwirft, die natürlich nicht beantwortet werden. Aber vielleicht gibt es ja einen dritten Teil, der die Lücke schließt, denn ja, ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich mir einen weiteren Teil anschauen würde.
Insofern muss ich mir zum Teil vielleicht sogar selbst widersprechen, denn welcher Weg nun vom Ende dieses Teils zum Anfang von „X“ führt, nun … das würde mich schon interessieren. Allerdings weniger wegen Pearl, sondern mehr aufgrund der Fragen, warum ihr Mann im Alter bei ihr ist und was genau alles passiert ist, damit die Frau am Ende immer noch frei rumläuft.
„Pearl“ bekommt von mir 7 von 10 möglichen, interessante Fragen über den Fortgang der Story aufwerfende, Punkte.