Zwölf Jahre war Walter (Kevin Bacon) im Gefängnis. Nun ist er frei. Er zieht in eine kleine Wohnung, gegenüber einer Volksschule. Das ist deshalb relevant, weil Walter für Kindesmissbrauch im Gefängnis war. Seine Schwester meidet ihn, in der Arbeit muss er aufpassen nicht aufzufliegen und der für ihn zuständige Polizist, ist generell der Überzeugung, dass Walter wieder zuschlagen wird.
Die Sache wird immer schwieriger, da sich Walter plötzlich dabei wiederfindet wie er sich einem jungen Mädchen annähert und gewissen Neigungen in ihm sich regen …
Das ist ein Film, bei dem ich damals schon wusste, dass er völlig anders einschlagen würde in meinem Kopf, wenn ich Kinder hätte. Der Film wurde 2004 veröffentlicht und ging meiner Erinnerung nach völlig unter. Ich habe ihn irgendwann in einem DVD-Sale gekauft und war ziemlich sprachlos, weil der Film einfach ein paar richtig heftige Momente hat. Also „heftig“ nicht im Sinne von eklig oder „Exploitation“, aber heftig, weil … man mag Walter. Walter ist schüchtern. Walter versteht selbst nicht, was mit ihm los ist. Walter hasst Teile seiner Persönlichkeit, aber er wird diese Teile eben nicht los. Man wünscht sich, das Walter glücklich wird und – kleiner Spoiler – als in Walters Arbeit bekannt wird, dass er sehr einschlägig vorbestraft ist, da wird man ein wenig sauer auf die Frau, die ihn verpfiffen hat und hat Mitleid mit ihm.
Und nochmals: Wir reden hier von einem Mann, der ein Kind missbraucht hat.
Und da stellt man sich dann doch die Frage: Darf man den mögen? Ist der nicht ein Monster? Ist der nicht für alle Zeiten abgehakt als Monster? Ich denke, viele Menschen sehen das so. Aber … ich kann es nicht anders sagen, ich muss es wiederholen: Als Zuseher:in MAG man Walter.
Das ist jetzt mal eine Sache, die ein Film erst mal schaffen muss. Und das liegt schon mal zu einem großen Teil an Kevin Bacon, der einfach die schauspielerische Leistung seines Lebens abliefert. Jede Sekunde sieht man ihm die Reue an, man sieht ihm an, wie er gegen den Drang ankämpft, wie er ihm nachgibt, dann bemerkt, was los ist und so weiter. Bacon ist hier einfach ein Wahnsinn. Und alle Rundherum sind ebenfalls ein Hammer. Ziemlich großartiges Casting.
Der Film wurde nach einem Theaterstück von Steven Fechter adaptiert und Nicole Kassel hat das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Und ich denke, dies ist einer dieser Filme, der tatsächlich so gut ist, wie er ist, weil hier eine Frau die Hand am Steuer hatte. Ja, wir haben ein paar Klischees drin und ein paar sehr starke … Zufälle, aber die gesamte Geschichte wird absolut einfühlsam (dieses Wort ist eigentlich ein Wahnsinn in diesem Kontext, aber ihr wisst, was ich meine) erzählt und nichts wir ausgeschlachtet.
Und jetzt nochmals zurück. Mittlerweile habe ich Kinder. Und wenn ich Szene sehe, in denen Walter Freundschaft mit einem Mädchen schließt, dass im Park sitzt (mit einer unerwarteten Auflösung, die vielleicht konstruiert ist, aber trotzdem emotional ziemlich heftig) oder wie er eine Gruppe junger Mädchen im Einkaufszentrum verfolgt, dann wird mir richtig, richtig übel. Weil es dann keine Rolle mehr spielt, ob er einen Zwang hat oder nicht. Weil meine Perspektive niemals die von Walter sein kann. Das ist mir mit Kindern nicht mehr möglich.
Und trotzdem(!) mag ich Walter. Er tut mir leid. Ich wünschte, ich könnte ihm helfen. Ich wünsche ihm, dass er es schafft über sich selbst zu siegen. All das funktioniert immer noch – und das spricht doch stark für den Film. Auch wenn ich bestimmte Szenen noch schwerer aushalte als ich sie damals schon fast nicht ausgehalten hatte.
Als dann noch dazu kommt, dass tatsächlich ein Mann bei der Volksschule (neben der Walter ja wohnt, er sieht vom Fenster hin quasi auf den Hof) Kinder anspricht und ihnen Süßigkeiten anbietet und so weiter, glaubt der zuständige Polizist, dass es Walter war. Was extrem konstruiert ist, aber bei der Spannung halt noch eine Schaufel drauflegt.
Wer mit dem Namen „The Woodsman“ nichts anfangen kann: Der Holzfäller ist jener Charakter bei Rotkäppchen, welcher dem bösen Wolf den Bauch aufschneidet und Rotkäppchen und die Großmutter unversehrt rausholt. Und Walter wäre gern der Holzfäller, der den Wolf in sich tötet und dem Kind Unversehrtheit zurückbringen möchte Hölle, er arbeitet sogar in einem Holzwerk … nur falls das wem zu subtil war.
PS: Der deutsche Titel: „Der Dämon in mir“ ist einfach Mist.
„The Woodsman“ bekommt von mir 9,5 von 10, heftigen, schwer verdaulichen, aber emotional mitreissenden, Punkten.