Beyond: Two Souls (Game-Review)

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Mehr als deutlich ist die Weiterentwicklung spürbar, die das Team des Entwicklerhauses QuanticDream bei der Inszenierung seiner Spiele verzeichnen kann. Wer „Heavy Rain“ gespielt hat, wird bei „Beyond: Two Souls“ schnell merken, dass zwar vieles bekannt ist, Wesentliches aber stark verbessert wurde. Wie „Heavy Rain“ ist auch „Beyond“ als interaktiver Film konzipiert, bei dem der Spieler ins Geschehen eingreift und dazu beiträgt, dass die Handlung ihren Lauf nimmt.

Immer wieder stehen kleine Entscheidungen an, die den Plot auf individuelle Weise abändern, was das gut acht Stunden lange Spiel/Film-Erlebnis noch persönlicher macht. Im Mittelpunkt steht Jodie, deren Biographie mittels Flashbacks erzählt wird und der Kern des Spiels ausmacht. Jodie ist ein „besonderes Mädchen“, und zwar, weil sie in Verbindung zu einem Poltergeist steht, den sie „Aiden“ nennt und der ihr in ausweglosen Situationen aus der Patsche hilft. Aiden entpuppt sich in manchen Episoden als Retter, in anderen aber auch als Fluch. Gerade die für Jodie prägenden Erlebnisse sind oft überschattet davon, dass sie eben nicht „normal“ ist und die Präsenz Aidens nicht einfach ausschalten kann.

Der Spieler steuert beide Figuren, allerdings auf unterschiedliche Weise. Während sich Jodie weitgehend wie die Charaktere in „Heavy Rain“ kontrollieren lässt (also recht klassisch: linker Stick bewegen, rechter Stick Kamera), bewegt sich Aiden anhand vorgegebener leuchtender Punkte durch den Raum. Für den Geist sind Wände und Böden kein Hindernis, und seine Fähigkeiten ranken vom Verrücken von Gegenständen bis hin zum Besessen-Machen feindseliger Personen. Als besonderes Gimmick haben die Entwickler eine iPhone- und Android-App programmiert, mit der sich Aiden lenken lässt, wenn man vom PS3-Controller gerade ein wenig genug haben sollte oder auf Abwechslung aus ist.

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Wie bei einem „echten“ steht und fällt die Qualität dieses „interaktiven“ Films mit dem Niveau der Schauspieler. Und hier lässt sich sagen, dass Ellen Page es meisterhaft verstanden hat, ihrer Figur Leben einzuhauchen. Die verwendete Motion Capture Technologie hat ebenfalls ein Level erreicht, das sehr erstaunlich ist – und es erlaubt, Gesichtsausdrücke in höchst differenzierter Weise wiederzugeben. Ellen Page trägt maßgeblich dazu bei, dass man „Beyond: Two Souls“ als spannend erlebt, weil sie die zahlreichen Facetten ihrer Rolle glaubhaft umsetzt. Der Spieler kann sich mit ihr identifizieren, obwohl Teile des Plots von Übernatürlichem nur so strotzen und die Entwicklung vom kleinen verwundbaren Mädchen hin zur späteren Geheimagentin eine drastische ist. Willem Dafoe macht seine Sache ebenfalls gut, wirkt aber „routinierter“. Die Rolle ist ein wenig undankbar, weil sie den Wissenschaftler Nathan primär als Zuarbeiter vorsieht, der die Besonderheiten Jodies hervorkehrt und für den Zuseher sichtbar macht.

Dass der Spieler die Handlung beeinflussen kann, ist ein zweischneidiges Schwert. Im Vergleich zu „Heavy Rain“ ist die Tragweite der Entscheidungen weniger umfassend. Speziell im zweiten Spieldurchgang wird offenkundig, dass der Ausgang oft derselbe ist, egal, wie der Spieler Jodie oder Aiden hat handeln lässt. Sehr wohl unterschiedlich fällt hingegen das Ende aus (kein Sorge, no Spoilers here!). Angeblich soll es 23 unterschiedliche finale Konstellationen geben, die wir nicht alle testen konnten. Im Verlauf des Spiels herrscht dafür ein wenig mehr „Gleichmacherei“, was aber auch einen Vorteil hat: Ultrakurze Spielzeiten, weil der Held des Spiels gestorben wäre, bleiben bei „Beyond: Two Souls“ außen vor.

In technischer Hinsicht macht das Spiel das Alter der PS3 offenkundig. Zwar haben wenige Spiele so gut ausgesehen und so detailreiche Umgebungen auf den Fernseher gezaubert. Bei etwas schnelleren Kamerafahrten ist das Ruckeln jedoch nicht zu leugnen. Der Faszination, die „Beyond“ ausübt, tut das keinen Abbruch. Aber die Ahnung, dass der Titel wohl bald für die PS4 neu aufgelegt wird, dämmert beim Spielen schon leise herauf. Wir sind gespannt!

Unbedingt erwähnen müssen wir noch die Musik, denn diese ist sehr schön geworden und passt perfekt zur Optik: Irgendwie zeitlos, trotzdem modern und mit innovativ umgesetzten Anleihen bei klassischer Orchestrierung, trägt der Score viel dazu bei, dass die Bilder groß, aber nie überlebensgroß wirken. Sehr gelungen.

Ist „Beyond: Two Souls“ jetzt eine Empfehlung wert oder nicht? Das hängt sehr vom Spieler-Typ ab: Wer es eher gemütlich liebt und den Titel wie eine interaktive Fernseh-Serie allabendlich ein Stück weiter spielt, der sollte an „Beyond“ viel Freude haben. Für die „Wir-wollen-die-totale-Action“-Fraktion heißt es hingegen „Finger weg, Langeweile-Gefahr“, was wohl niemanden erstaunen wird.

„Beyond: Two Souls“ bekommt 8,5/10 Empfehlungspunkte, ist aber nix für Actionverliebte. Gut, dass dies hier ein Blog für Filmfans ist! 🙂


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