Remember Me (Game-Review)

Remember-Me-Nilin

Wir schreiben das Jahr 2084. In der Stadt Neo Paris hat die Firma Memorize ein Gehirnimplantat mit dem Namen Sensation Engine (Sensen) entwickelt, mit dem es fast der gesamten Bevölkerung möglich ist, fröhliche Erinnerungen hinauf zuladen und zu teilen im Netz, oder schlechte Erinnerungen einfach zu löschen. Diese Erfindung gibt Memorize eine unglaubliche Macht über die Einwohner, was sie schließlich zum Aufbau eines perfekten Überwachungsstaates ausnutzen.

Sensen zieht aber noch weitere negative Nebenwirkungen mit sich, denn einige von Erinnerungen abhängige Menschen, die zu viele Gedanken aufgesaugt haben, hat ihr Implantat zu einer degenerierten, sub-menschlichen Form mutieren lassen. Diese verlorenen Wesen hausen als Ausgestossene im Untergrund von Neo-Paris. Bühne frei für Memory-Hunter Nilin, die als beste Kämpferin der Untergrund-Rebellentruppe namens Errorist, das korrupte Machtregime stürzen will.

In einer Zeit, in der sämtliche Game-Franchises so lange gemolken werden, bis auch die treuesten Fans kopfschüttelnd das Weite suchen, ist eine völlig neue Idee zu präsentieren, nicht nur sehr willkommen, sondern auch ziemlich mutig. Der Dank hierfür gebührt dem 2008 gegründeten, französischen Studio Dontnod Entertainment und der uns wohl allen bekannten Firma Capcom (Resident Evil 6, Devil May Cry). Spiele Regisseur Jean-Max Moris wurde hierbei inspiriert von den sozialen Netzwerken der heutigen Zeit (Facebook, Twitter oder Tumblr) und den Möglichkeiten, wie der Gedankenaustausch sich in der Zukunft weiter entwickeln könnte.

Ebenso interessant wie die Grundidee, ist die Wahl der Hauptprotagonistin. Nilin (sympathisch und glaubwürdig gesprochen von Kezia Burrows, die weit überlegene englische Sprachfassung lege ich hiermit allen der Sprache mächtigen ans Herz) ist eine junge Dame, die sich weder als Mädchen in Not, noch als toughe Sexbombe präsentiert. Sie ist zwar die Beste in dem was sie tut, wirkt dabei aber nie unnahbar. Außerdem steht mit ihr endlich wieder mal eine Figur mit alternativem kulturellen Background im Rampenlicht. Erwähnenswert ist ebenso die Musik von Olivier Deriviere, die bei den Kämpfen unheimlich pusht und im gesamten Abenteuer Nilin´s Zerrissenheit gekonnt widerspiegelt.

Remember-Me

Wenn man nach der kurzen Einleitungssequenz zum ersten Mal vor der Kulisse von Neo-Paris steht, eröffnet sich dem Spieler sofort eine der größten Stärken von „Remember Me“, denn visuell wird hier einiges geboten. Schöne Texturen, eine tadellos ausgeleuchtete Kulisse und viele individuelle Details, wie etwa die Art, wie Schriftzüge (z.b. von angebotenen Waren bei Märkten) als Hologramme in Augenhöhe vor Gebäuden schweben. Auch die Charaktermodelle wissen zu gefallen, besonders Nilin sticht dabei positiv heraus. Beeindruckend weil einfallsreich wirkt das Design der Umgebungen bei den Bosskämpfen und besonders in den Zwischensequenzen, in denen Nilin quasi in ihrer eigenen Gedankenwelt spazieren geht.

In dieser Dystopie/Utopie (entscheidet selbst) ist der Mix von alten Gebäuden und moderner Architektur sehr stimmig, von völlig verfallen bis kitschig hübsch ist alles dabei. Menschen laufen auf den Straßen, tratschen, trinken Kaffe und erfüllen das Szenario mit Leben. Interaktion mit ihnen ist aber bis auf die dafür vorgesehenen Personen nicht möglich, auch die Missionen an sich verlaufen sehr linear, es gibt somit kaum Möglichkeiten, auf Erkundungstour zu gehen.

Einen Großteil der Reise verbringt Nilin damit, bei den zahlreichen Kletterpassagen, ziemlich sportlich zu wirken. Durch „Sensen“ ist die Gefahr in den Abgrund zu hüpfen oder nicht weiter zu wissen auf ein Minimum reduziert, denn der weitere Weg wird mittels Anzeige (Richtungspfeilen) sehr genau angegeben. Der fehlenden Herausforderung halte ich hier die (fast) völlig ausgeschlossenen Frustrationsmomente beim „Nicht weiter wissen“ entgegen und die Tatsache, dass so die sowieso schon sehr dynamische Geschichte, noch weiter an Geschwindigkeit gewinnt.

Zwischen den Klettereien führt der Weg auch über breitere Areale und erwartungsgemäß fallen hier Gegner in nicht enden wollender Zahl über unsere Heldin her. Da Nilin zwar ausgezeichnet ausweichen kann, aber kontern nicht zu ihren Fähigkeiten zählt, ist hier ständiges in Bewegung bleiben angesagt. Kreatives Austoben ist hier dafür bei der Gestaltung der Kombos möglich. Erfahrungspunkte können als sogenannte Impressionen eingesetzt werden und die individuellen Schlagkombinationen, sind auch im weiteren Spielverlauf ständig veränderbar.

Remember-Me-Memory

Erster Knopf Kraftschlag, zweiter Regeneration, dritter schnellere Wiederauffüllung des Fokus für Spezialattacken, von denen Nilin gleichzeitig mit ihren wiederkehrenden Erinnerungen, immer mehr erlernt. Die oft eher ähnlich ablaufenden Kämpfe bekommen so eine sehr willkommene Auflockerung spendiert. Hauptfeinde und Zwischenbosse versetzt man die finalen Schläge übrigens mittels kurzen und eher einfachen Quicktime-Events, was optisch sehr stylish umgesetzt wird.

Die innovativsten Bereiche des Gameplays lassen den Spieler die Macht erleben, die Nilin als Gedanken-Remixerin über Menschen hat. Vier mal im Spiel ist es notwendig, Erinnerungen bestimmter Schlüsselfiguren nach dem „Trial and Error“ Prinzip neu anzuordnen. Bestimmte Gegenstände müssen hier so verändert werden, dass am Ende der gewünschte Effekt eintritt (ein geöffneter Sicherheitsgurt da, ein Getränk falsch abgestellt dort, schon nimmt das Chaos seinen Lauf). So werden Feinde blitzschnell zu wertvollen Verbündeten.

Für die Sammler unter uns haben die Erroristen überall holographische Bildschirme aufgestellt, die Verstecke von Bonuspaketen preisgeben. So wächst bereits nach kurzer Zeit z.b. die Gesundheits- oder Fokusleiste um einen weiteren Punkt an. Als Extras warten im Menü durch Trophäen freischaltbare Designs und 3D-Modelle der Charaktere. Schwierigkeitsgrade stehen drei zur Verfügung, auf leicht dürften auch Gelegenheitsspieler keine all zu großen Probleme mit dem Durchspielen haben.

Insgesamt ist dies also ein Spiel, bei dem die Grundidee (ist es besser mit schlechten Erinnerungen zu leben, weil sie uns erst zu ganzen Menschen machen, oder gewinnt das Leben an Qualität, wenn man sie einfach auslöscht, diese Frage kann doch zu einigen heftigen Diskussionen führen), die Optik und die Musik völlig überzeugen können und das Gameplay mit dieser Perfektion nicht ganz mithalten kann. Mich persönlich hat Neo-Paris innerhalb der 9-10 Stunden andauernden Spielzeit sehr gut unterhalten und ich wollte unbedingt wissen, wie Nilin´s Reise zu Ende gehen wird. Oder ist es doch erst der Anfang? Wie lautet die hier gerade von mir erlernte Verabschiedung doch so schön: „Remember you soon“!

„Remember Me“ bekommt von mir 8,5/10 nur mit allen eigenen Erinnerungen, den Menschen als gesundes und vollständiges Lebewesen sehende Empfehlungspunkte.

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