Ambar (Cristina Rodlo) ist eine undokumentierte Migrantin in den USA. Sie hat einen Job, einen falschen Ausweis und allerlei Probleme. Sie verliert ihre Wohnmöglichkeit und muss mehr oder weniger gegen ihren Willen in eine billige Absteige ziehen. Irgendwas ist von Anfang an komisch in diesem Haus – das merkt sie bereits bei der ersten Begegnung mit dem Vermieter Red (Marc Menchaca), auch wenn dieser halbwegs okay wirkt. Aber sein Bruder Becker (David Figlioli) ist, nun, … sehr seltsam.
Immerhin ist sie nicht die einzige hier im Haus und es ist zumindest eine Bleibe. Auch wenn sie immer wieder schlechte Träume hat, denkt, sie würde in der Ferne eine Frau weinen hören und sie immer wieder eine Art „Steinbox“ sieht, die sich bedrohlich öffnet, bleibt sie – denn was wäre die Alternative?
Und dann passieren wirklich schlimme Dinge …
„No One Gets Out Alive“ basiert auf einem Roman von Adam Nevill, der auch das Buch zu „The Ritual“ geschrieben hat. Ich gestehe noch nie was von dem Herren gehört zu haben, geschweige denn, was von ihm gelesen zu haben – aber ich hab mir jetzt zwei Bücher von ihm besorgt. Laut Kritiker:innen sind die Bücher besser als die Filme und ich fand die Filme ja schon ziemlich gut. Bin ich mal gespannt.
Jedenfalls wurde dieser Film hier von Santiago Menghini inszeniert und das Drehbuch – basierend auf dem Buch von Nevill eben – von Jon Croker und Fernanda Coppel adaptiert. Der Film beginnt wie die meisten Horrorfilme mit einem gruseligen Einstieg und tada – dann sind wir schon bei Ambar. Der Subtext des Films – wie erleben Migranten in den USA ihren Alltag – ist von Anfang an klar. Der Film beginnt schon mit einem Telefonat einer Migrantin mit ihrer Mutter. Und auch Ambar hat einige Probleme.
Es gibt zum Beispiel eine Szene im Film in welcher Ambar von ihrem Verwandten Beto, gespielt von David Barrera, zum Essen eingeladen wird und dessen Frau hat Bedenken. Verwandt? Ja, weitschichtig. Was will die hier? Sicher nur Geld und einen Gefallen? Also auch innerhalb der Community ist es nicht immer leicht. Ambar wird auch – als sie sich illegal einen neuen Pass besorgen will – Geld geklaut und der Pass bleibt auch auf der Strecke. Ebenfalls von der eigenen Community. Alles also schwierig für sie.
Als dann das Drama im Haus seinen Lauf nimmt wird es immer enger für Ambar, denn auch sie hütet ein Geheimnis, welches sie wirklich belastet: Ihre Mutter ist gestorben. Das letzte was sie von ihr gehört hat ist eine Nachricht am Telefon, die sie sich immer wieder anhört, um ihr Gewissen „zu beruhigen“. Mehr zu verraten wäre ein Spoiler, aber wie üblich spielt das am Ende eine große Rolle.
Teilweise ist der Film wirklich brutal, wenn er auch nicht richtig schlimm grafisch wird. Es gibt zum Beispiel eine Szene in welcher ein Mann totgeschlagen wird und die Szene wird durch ein Guckloch in der Tür beobachtet. Man sieht also nicht viel, aber die Geräusche sind schlimm und als dann langsam unter der Tür Blut durchzufließen beginnt, ist man im Bilde was passiert ist. Und die Schläge hören nicht auf. Dann rutscht noch ein Zahn unter der Tür durch und so weiter. Das ist heftig und fühlt sich sehr heftig an.
Natürlich dreht sich viel um die Box und wenn man dann realisiert, was da drin ist und warum passiert was passiert, da muss man schon kurz mal schlucken. Und das Ende bzw. was Ambar am Ende passiert (ich sage nicht, dass sie überlebt, ich sage aber auch nicht, dass sie stirbt), dass hat mir schon einen Knoten im Magen verursacht. Einerseits aufgrund der Bedeutung innerhalb des Filmuniversums. Und andererseits auf der Meta-Ebene, was der Film damit über die Migranten aussagen will und was die „Coping-Strategie“ darstellt.
Auch als Horrorfilm allein funktioniert der Film für mich ebenfalls sehr gut. Schauspielerisch gibt es keine Mängel. Cristina Rodlo trägt den Film gut auf ihren Schultern und die Support-Charaktere machen ihren Job gut. Vor allem die Interaktionen mit Red fühlen sich echt und glaubwürdig an. Und Becker bzw. David Figlioli ist schon eine Präsenz. Es reicht, wenn er einfach im Bild steht und streng guckt, schon rückt man einen Meter zurück und hofft, dass er einen nicht direkt ansieht.
Was natürlich – wie üblich mittlerweile – bei Filmen dieser Art ein wenig schade ist, ist, dass er primär in dunklen, verhangenen und düsteren Zimmern und Umgebungen spielt. Das mag zur Stimmung passen, gibt dem Film aber keine eigene Note. Was man zum Monster am Ende nicht sagen kann – das habe ich so noch nie zuvor gesehen und auch wenn das CGI streckenweise nicht ganz überzeugt, so ist das Monster auf jeden Fall vom Design her sehr außergewöhnlich. Man kann aber auch laut auflachen wenn man es sieht. Ich fand es cool, aber das ist natürlich wirklich zu einhundert Prozent Geschmacksache.
„No One Gets Out Alive“ bekommt von mir 7,5 von 10, auf einer Meta-Ebene als auch Horrorfilm-Ebene funktionierende, Punkte.