Bring Her Back (Filmkritik)

Andy (Billy Barratt) und Piper (Sora Wong) haben vor Jahren ihre Mutter verloren und nun auch ihren Vater. Da beide minderjährig sind werden sie bei einer Pflegemutter untergebracht und auf Andys Bitte hin auch nicht getrennt. Denn Andy kümmert sich um seine sehbeeinträchtigte Schwester – sie kann nur Formen und Schemen erkennen. Diese Fehlfunktion der Augen führt auch dazu, dass ihre Augen die ganze Zeit umherwandern und schielen und ähnliche Dinge, was dazu führt, dass andere sich natürlich gern über sie lustig machen. Andy hat da einen Beschützerinstinkt entwickelt und die beiden halten zusammen.

Die neue Pflegemutter bei der sie landen heißt Laura (Sally Hawkins) und freut sich, die beiden aufzunehmen. Auch wenn sie klar mehr Freude mit Piper hat – denn, wie sich herausstellt hat Laura vor kurzem ihre Tochter Cathy verloren. Außerdem wohnt noch Oliver (Jonah Wren Philipps) bei ihr, ebenfalls ein Pflegekind. Aber Oliver ist seit dem Tod von Cathy verstummt und hat ein paar Eigenarten entwickelt, die dazu führen, dass er, wenn niemand außer ihm Zuhause ist, im Zimmer eingesperrt werden muss.

Andy merkt rasch, dass er das sprichwörtliche zweite Rad am Wagen ist, aber er ahnt nicht, wie sehr Laura ihn loswerden will und was sie eigentlich vorhat …

Es ist ja jetzt nicht so, dass Filmtitel nicht klar sagen sollten bzw. ein klares Bild vermitteln sollten, worum es in dem Film geht, aber „bring her back“ als Titel für diesen Film hier zu wählen ist schon sehr aufs Auge gedrückt. Spätestens wenn man von Laurs toter Tochter hört, ist klar, was Sache ist. Die Spannung, die durch ein Mysterium aufgebaut werden sollte, kann man also schon mal knicken. Das muss auch den Regisseuren Danny und Michael Philippou klargewesen sein, immerhin haben sie mit „Talk To Me“ ja bewiesen, dass sie wissen, was sie tun.

Also müssen sie einen Plan gehabt haben, der es sich leisten kann so einen „Spoiler“ in den Titel zu packen, nicht wahr?

Ja. Definitiv. Und dieser Plan ist relativ simpel: Man weiß die ganze Zeit über, was Laura vorhat. Man fragt sich nur hin und wieder, warum sie das macht, was sie gerade macht. Warum zum Beispiel eine ziemlich simple, aber einfache, Gemeinheit ihr dabei hilft, ihren Plan umzusetzen. Und ja – es gibt öfter diesen „aha“-Effekt und wenn man dann versteht, dann versteht man auch, wie absolut hinterhältig die gute Frau ist. Das wäre Thriller-Stoff. Ist hier aber nicht das Hauptthema, denn wir haben einen Horrorfilm vor uns und keinen Thriller.

Und der Horror hier kommt auf zwei Ebenen: Emotional und physisch. Die physische Seite mal zuerst: Der Film beginnt mit kurzen Ausschnitten aus einem Ritual, welches einen Kreidekreis, Besessenheit, das Aufhängen von Menschen, Beschwörungen und … nun, Essen zu tun hat. Das bekommt man aus kurzen Ausschnitten immer wieder mit, ohne das jetzt viel Hintergrund dazu geliefert wird. Das was man so hört und sieht muss man halt so akzeptieren. Und das, was man sieht, ist halbwegs brutal und verstörend. Ich sehe jetzt nicht so unbedingt richtig gern, wie Person A Stücke aus Person B rausbeißt und isst. Noch dazu wenn das Sounddesign so gelungen – und damit verstörend – ist wie hier. Das sind richtig heftige Szenen, die es meiner Ansicht nach nicht gebraucht hätte.

Außer vielleicht für den viel zititerten „Shock-Value“. Aber auch für diesen bräuchte man ihn nicht, denn da gibt es ganz andere Szenen, die mich wirklich dazu gebracht haben buchstäblich(!) die Hand vor die Augen zu halten und nur kurz zwischen den Fingern durchzugucken, ob eh schon alles vorbei ist. Ich sag nur drei Stichworte: Melone. Tischplatte. Eigene Hand. Drei Szenen und drei Mal richtig, richtig verstörend. Erneut: Sounddesign und praktische Effekte. Heftig, sag ich nur. Heftig.

Aber das kann ja nicht alles sein, oder? Nun. Hm. Doch. Großteils doch. Man bemüht sich zwar ordentlich Laura als ambivalente Figur hinzustellen, die man doch streckenweise mögen soll, aber ehrlich: Nein, das ging nicht. Es gibt Szenen in denen sie wirklich wie eine fürsorgliche Mutter da ist, aber im Kern dienen diese nur dazu Vertrauen aufzubauen, um dann mit den erhaltenen Informationen manipulieren zu können. Ist sie eine abgrundtief böse Person? Himmel, nein. Absolut nicht. Aber in ihrer Trauer halt so verzweifelt geworden, dass sie alles tun würde, um ihre Tochter wiederzubekommen.

Was uns zum Schauspiel bringt und hier die gute Nachricht: Absolut kein Ausfall. Sora Wong hat hier ihren ersten Filmauftritt und die liebenswerte Schwester hat sie in Auftreten als auch Ausstrahlung perfekt drauf. Billy Barratt darf schon mehr Emotionen zeigen und ja, er kann das. Er wirkt absolut natürlich und auch seine Angst und Verzweiflung oder seine mehr verletzlichen Momente funktioneren prächtig. Allerdings muss ich auch hier wieder anmerken, dass wir einen neuen Teilnehmer im Spiel „Wer fügt den nettesten Charakteren die schlimmsten Dinge zu“ haben. War ja irgendwie klar.

Wie dem auch sei – Sally Hawkins ist natürlich im Rampenlicht und die macht ihre Sache gut. Man merkt, dass sie keine böse Person ist, aber ihre Trauer sie zu dem treibt, was sie da macht. Das macht ihre Aktionen nicht sympathisch, nicht mal verzeihbar, aber zu einem gewissen Teil versteht man, woher die Motivation dazu kommt. Auch wenn man sie ganz, ganz lange nicht eine Sekunde zweifeln sieht an dem was sie tut. Aber das ist eine andere Sache.

Jonah Wren Philipps als Oliver ist wirklich furchteinflößend. Weniger wegen dem was er anderen antut, sondern viel mehr wegen dem was er generell tut. Er ist einfach völlig unberechenbar und manche Szenen (erneut: Melone) werden nicht so aufgelöst, wie ihr es erwartet. Ich war völlig von der Rolle und war kurz vorm Erbrechen. Ich mein das völlig ernst. Heftig.

Auf dieser Front also alles paletti. Auch das Ende des Films ist für mich stimmig, weil es einen letzten Rests Menschlichkeit offen lässt, der dem restlichen Film fast zur Gänze fehlt. Das hier ist kein Film mit Witzen oder dummen Sprüchen zwischendurch. Er beginnt schlimm und wird schlimmer. Zwischendurch wird es mal ein wenig „lang“, aber wenn dann das Finale losgeht, dann holt die Spannungskurve wieder alles auf, was zwischenzeitlich verlorenging.

Ist „Bring Her Back“ also ein toller Film?

Nein. Also die schauspielerischen Leistungen und die Effekte: Hammer. Das Drehbuch ist eher so „meh“, wie man neudeutsch sagt. Ich finde hier nichts an der Story was man nicht schon woanders so oder so ähnlich gesehen hätte. Von den drei oben erwähnten Szenen abgesehen. Die habe ich so wirklich noch nie gesehen. Aber von der Story her, von dem was der Film uns sagen will (wenn er das überhaupt will), dann ging es daneben. Was ist die Message hier? Verzweifelte, tieftraufige Mesnchen sind zu allem fähig? Guten, rücksichtsvollen Menschen passieren die schlimmsten Dinge? Vertrau niemand, der nett zu dir ist? Was? Ich finde nichts.

Wem das egal ist, der oder die wird hier sicher gut unterhalten, wenn man/frau auch im Vorfeld wissen sollte, dass es fast unmöglich ist und positiver Stimmung und gut gelaunt aus dem Film zu kommen. Wenn ja, dann läuft in eurer Psyche was gewaltig schief und ihr solltet euch Hilfe holen. Ernsthaft.

„Bring Her Back“ bekommt von mir 6,5 von 10 möglichen, eine alte Geschichte hart und kompromisslos erzählende, Punkte. Wer auf heftige Szenen steht und keinen Anspruch auf eine „neue“ Story hat, kann gut und gern sicher 1,5 Punkte draufschlagen.


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