Jonathan Harker (Bruno Ganz) reist nach Transylvanien, um Graf Dracula (Klaus Kinski) ein Haus zu verkaufen. Der Weg zum Schloss ist jedoch beschwerlich und wie es aussieht wollen ihn auch alle davon abhalten. Alle raten ihm ab hinzugehen. Niemand leiht ihm ein Pferd und der Kutscher behauptet keine Kutsche zu haben. Macht er sich halt allein auf den Weg.
Im Schloss angekommen lernt er den Grafen kennen, der allein zu leben scheint und ein sehr, sehr seltsames Gehabe an den Tag legt. Als er ein Bild von Jonathans Frau Lucy (Isabella Adjani) sieht, da ist ihm klar – er kauft das Haus, egal zu welchem Preis. Zu seinem Entsetzen muss Jonathan feststellen, dass er einen Deal mit einem Vampir gemacht hat, der es jetzt auf seine Frau abgesehen hat.
Also macht sich Dracula auf den Weg und bringt die Pest sich …
Wenn Klaus Kinski und Werner Herzog aufeinandertrafen, dann passierten meistens zwei Dinge: Krach und Kinomagie. Das kann man, denke ich, so sagen. Ohne jetzt auf Details einzugehen – die kann ja jede:r selbst nachlesen – gibt es die Geschichte, dass Herzog Kinski in den Drehpausen regelmäßig zum Durchdrehen brachte, ihn sozusagen so lange provozierte, bis er explodierte und in eine seiner bekannten (und gefürchteten) Tiraden ausbrach, die er dann lange genug auf Flamme hielt, dass sich der Schauspieler auspowerte … und dann begann er mit dem Dreh. Damit seine Interpretation des „Nosferatu“ ein wenig entspannter rüberkommt als Kinski es sonst tut.
Und es wirkt. És wirkt tatsächlich. Keine Ahnung, ob die Geschichte so stimmt, aber wenn nicht, dann ist sie gut erfunden. Und Kinski wirkt hier wirklich schaumgebremst – allerdings in positiver Hinsicht. Das gilt übrigens im Grunde für den gesamten Film. Der ist langsam. Wirklich richtig langsam. Er hat eine großartige Atomsphäre, keine Frage, aber – Himmel – ist der Film langsam.
Um es gleich vorweg zu sagen: Dies hier ist der schlechtere der „Nosferatu“-Filme von einem modernen Kino-Auge aus gesehen. Weil er so schrecklich langsam ist. Es ist sogar so, dass Dracula, wenn er sich dann in Lucy verbeisst (übrigens wurden die Namen vertauscht – im Buch war Mina noch Jonathans Frau), seine Hände so langsam hebt und seinen Kopf so langsam senkt, dass die gute Lucy wohl in dieser Zeitspanne aus dem Bett klettern, Kaffeebohnen reiben, sich einen Kaffee brühen, warten bis er ein wenig abgehkühlt ist und sich dann locker wieder entspannt ins Bett zurücklegen hätte können, ohne dass sie keinen Platz mehr untern den Fängen des Grafen gehabt hätte. Ja, so langsam ist er.
Und trotzdem (oder gerade deswegen) hat der Film eine unheimlich morbide Faszination und er behandelt auch weit mehr, das was um die Story von Lucy, Jonathan und Dracula passiert – nämlich die Pest. Selten so viele Ratten auf einem Haufen gesehen (außer digitale in „Innocence: A Plaque Tale„) und was man so hört und liest, wurden die nicht gerade gut behandelt. Ja, es sind Ratten, kann jetzt sagen, aber dass man sie mit potentiell für sie tödlicher weißer Farbe anmalt und sie dann zugrunde gehen sieht, muss ja jetzt wohl nicht sein.
Jedenfalls nutzt Herzog das Drumherum um zu zeigen, wie die Pest um sich greift. Da gibt es grandiose, morbide Bilder von gefühlt hunderten Särgen, die auf den Hauptplatz getragen werden und später dann – da wird ein wildes Fest gefeiert. Warum? Weil sowieso alle an der Pest sterben werden, warum also nicht die letzten Tage genießen. Lucy wird sogar zu einem „letzten Abendmahl“ eingeladen, auf dem Hauptplatz, während dahinter sich die Ratten um die Särge balgen. Schräg. Aber effektiv.
Und auch die Geschichte zwischen Jonathan, Lucy und Dracula wurde geändert. Dracula ist nämlich tatsächlich seines Daseins müde. Jahrhundertelang allein, er will Liebe, zumindest einmal mag er sie noch fühlen. Und er denkt, Lucy könnte diejenige sein. Aber Lucy ist Jonathan treu und ihr Glaube wird sie schützen.
Als sie dann aber den Verfall ihres Mannes mitansehen muss, sieht, wie die Pest um sich greift und nicht einmal der gute Van Helsing der Meinung ist, dass hier etwas Ungewöhnliches geschieht (das ist alles durch Wissenschaft zu erklären – wir wissen nur noch nicht, wie!), da bringt sie das letzte Opfer und stellt Dracula eine Falle.
Wie, höre ich euch fragen, kann das sein, dass sie Dracula stellt? War das nicht Graf Orlock? Nein. Denn Herzog war clever genug abzuwarten, bis das Copyright an Bram Stokers Buch ausgelaufen ist, deshalb sind alle Namen (eine Ausnahme, siehe oben) wie in seinem Buch. Was eigentlich eh nur billig und recht ist.
Das heißt, dass dieser Film hier mehr oder weniger ein Remake des „Nosferatu„-Films von Murnau ist und gleichzeitig eine Verfilmung des Buches „Dracula“ von Bram Stoker. Und Kinskis Nosferatu ist wirklich … eigen. Er ist furchteinflössend, aber gleichzeitig hat man die gesamte Zeit lang Mitleid mit ihm, weil er permanent die Schwere der Welt ausstrahlt. Er trägt die Last der Jahrhunderte auf seinen Schultern, ist nur noch zu Emotion fähig, wenn er Blut sieht oder schmeckt und jedwede Konversation oder Interaktion scheint zu sagen: „Ich mache das jetzt nur, weil ich muss. Weil ich Anstand habe und Manieren. Denn wir beiden wissen, wie das hier endet: Ich sauge dich aus.“ Und nicht mal als Drohnung, sondern als Tatsache. Also ehrlich: Das mussm an schon gesehen haben (also, nein, muss man nicht, aber um zu begreifen, was ich meine, muss man es wohl selbst gesehen haben).
Soll heißen: Kinski ist ein Hammer hier. Das gilt auch für Bruno Ganz, der Jonathan Harker super spielt und der hier ein völlig eigenes und weitaus schrägeres, bedrohlicheres Ende bekommt als im Buch. Herzog war also durchaus so frei, sich selbst Spielraum zu verschaffen, wenn es um die Interpretation seiner Inspirationen ging.
Alles in allem in beeindruckender Film, der – und das liest sich jetzt paradox – so nah an der heutigen Technik ist (Farbe, Ton, Musik), dass dadurch leider völlig verliert, denn einen Film würde man seit 30 Jahren schätze ich mal, nicht mehr so machen und es ist tatsächlich teilweise langatmig und mühsam, sich den Film anzusehen. Irrsinnig lange Kameraeinstellungen von Dingen, die man gerne von der Nähe gesehen hätte und so weiter. Nicht falsch verstehen – ich bin Fan von „Columbo“, ich halte lange Kameraeinstellungen schon aus und finde sie auch gut, aber hier übertreibt man es meiner Ansicht nach ein wenig.
Wie dem auch sei: Atomsphärisch ist der Film ein Hammer und für die damalige Zeit ein kleines Meisterwerk. Für die heutige Zeit? Ja, er ist okay. Thematisch, schauspielerisch und von der Atomsphäre her immer noch top. Aber vom Filmfluss und dem Schnitt her halt zu 100% ein Kind seiner Zeit. Fast wie Nosferatu, quasi, trägt der Film die Schwere der Welt auf seinen Schultern.
„Nosfertau (1979)“ bekommt von mir 8 von 10 möglichen, immer noch – unter bestimmten Voraussetzungen und Vorwissen- sehenswerte Punkte.