The Last Of Us Part II (Game-Review)

Ellie und Joel leben in Jackson. Beide leben ihr eigenes Leben und beide sind mehr oder weniger zufrieden, auch wenn ihre Beziehung nicht gerade von Wärme gekennzeichnet ist. Dafür ist Ellie mittlerweile zur jungen Frau herangereift und das bedeutet natürlich, dass sich erste Zeichen von Verliebtheit/Liebe bemerkbar machen.

Hier kommt Dina ins Spiel, die sich für Ellie interessiert. Die beiden kommen sich zögerlich näher, Ellie mit vorlauten Wortmeldungen, die jedoch meist eine große Unsicherheit überspielen.

Dann passiert es. Eine Gruppe von Fremden nähert sich Jackson und was dann passiert, bringt Ellie dazu, sich auf den Weg zu machen um Rache zu nehmen und alle, die daran beteiligt waren umzubringen.

Ich denke, wenn jemand mittlerweile etwas über „The Last Of Us Part II“ liest, dann kann man davon ausgehen, dass bekannt ist, dass wir hier kein Das-Leben-ist-schön-Spiel vor uns haben. Und das trifft es auch ziemlich genau. Und die Kritiken reichen ja mittlerweile von „Meisterwerk des Jahrzehnts“ bis hin zu „Totalausfall des Jahrhunderts“. Ja, Naughty Dog haben uns mit „The Last Of Us Part II“ viele Dinge beigebracht. Viele davon haben jedoch nichts mit dem Spiel an sich zu tun.

Lektion 1: Der lauteste Teil der Gaming-Community besteht aus Vollidioten (hier darf man getrost die männliche Form verwenden), die doch tatsächlich die Synchronsprecher von Videospielcharakteren mit Mord an ihnen (und ihren Kindern!) drohen. Wäre das nicht so abstoßend und erschreckend, dann wäre die Ironie im Kontext mit dem Spiel ja auch irgendwie nett. So ist es nur abstoßend.

Lektion 2: Naughty Dog hat unterschätzt, dass sich die Wut über den Tod eines beliebten Charakters (und derer gibt es viele im Spiel) nicht auf die so genannten Antagonisten im Spiel entlädt, was ja eigentlich im Sinne der Erfinder wäre, sondern auf die Macher*innen des Werks.

Lektion 3: Manchmal sollten Teile der Spielergesellschaft einfach mal die Fresse halten und sich selbst fragen, was sie eigentlich für Äußerungen von sich geben. Da gibt es vom Hass auf Homosexuelle bis hin zu wüstesten Beschimpfungen durch die Bank alles. Niemand zwingt euch das Spiel zu kaufen und wenn diese Teile der Spielerschaft wirklich alt genug sein sollten, um das Spiel legal zu spielen (über 18 Jahre alt), dann sag ich mal: Gute Nacht, Welt, wenn das deine schönen neuen Bürger (und -innen) sind.

Und jetzt zum Spiel. Ich werde Spoiler vermeiden, bleibe deshalb vielleicht ein wenig vage an manchen Stellen, aber das ist kein Problem, weil meine Kritikpunkte allesamt nichts mit den Wendungen der Story (gibt es keine) zu tun haben. Vielleicht zum besseren Verständnis: Das Spiel ist in meinen Augen in drei Teile geteilt. Handlungsstrang A, Handlungsstrang B und den letzten Akt, den ich Handlungstrang AB nennen werde, weil ja, wie in guten Geschichten üblich, alles innerhalb der Story zusammenläuft.

Stichwort Story: Die ist banal und altbekannt. Ellie will Rache und mordet sich durch die (in ihren Augen) Bösewichte. Punkt. Mehr ist da mal grundsätzlich nicht drin. Bevor mich jetzt jemand oberflächlich schimpft: Handlungsstrang A ist voll von großartigen Charaktermomenten und Gesprächen zwischen zwei Personen (eine davon Ellie), die wirklich schön zu erleben sind. Auch was Ellies Rachefeldzug mit ihr macht wird großartig portraitiert, wie ich finde. Da geht es um Blicke, um kleine Momente, um Gesten. Um intime Momente zwischen zwei Personen und der langsamen Erkenntnis, was man da gerade aus sich selbst macht. Das funktioniert großartig und ist definitiv grandios geschrieben.

Handlungsstrang B: Dass es diesen Handlungsstrang gibt ist mir auf einer Meta-Ebene 11 von 10 Punkten wert, weil es für mich eine „Endlich ist mal jemand auf diese Idee gekommen, der/die auch die Kohle hat das umzusetzen“-Situation darstellt. Leider dauert er für mich viel zu lange und hat viel zu wenig Überschneidungen mit Handlungsstrang A. In A passieren Dinge, die sich auf B hätten auswirken sollen oder sogar müssen. Aber – nein, nix, nada. Da sind viele, ganz viele Chancen verspielt worden. Stattdessen fokussiert man sich zu sehr auf einen – meiner Ansicht nach – Nebenschauplatz und zieht diesen auch noch um mindestens fünf Stunden zu sehr in die Länge. Ich kann gar nicht mehr sagen, wie oft ich mir schon beim Betreten einer neuen Location dachte: Und welcher Umweg wird mir jetzt wieder aufs Auge gedrückt? Und tja, in 99% der Fälle war es auch so. Na dann.

Und das Ende der ganzen Sache soll ja hochdramatisch und für manche gar fast traumatisierend sein: Für mich war es okay. Ich bin zu einem gewissen Grad froh, dass es so endet, wie es endet, denn ich bin einer von denen, die tatsächlich alle Charaktere (zumindest jene, die charakaterisiert werden) mochte. Tja. Schimpft mich einen Verräter. Mir doch egal.

Zum Gameplay: Das ist weit geschmeidiger als im Vorgänger, was daran liegt, dass Ellie auch um einiges agiler ist als es Joel je war. Und das passt auch. Enge Durchgänge oder unter Autos durchrobben? Alles kein Problem. Das Waffenarsenal, welches man mit sich herumträgt wächst stetig und – ich hab mal was von Realismusanspruch gehört – ist klassiche Computerspielkost. Tatsächlich spielt man Panzer auf zwei Beinen, die sich lautlos bewegen und im Gras liegend nicht gesehen werden. *räusper* Lassen wir das mal außen vor, dann macht die Sache richtig Spaß. Das Stealth-Gameplay vor allem ist wirklich toll und wer mit Pfeil und Bogen und Messer eine gesamte Location leerfegt, der oder die hat wohl durchaus ein Hochgefühl dabei.

Was im Vorfeld immer wieder thematisiert wurde: Alle Gegner im Spiel haben Namen, Freunde, Bekannte, sogar die Hunde haben Namen und ihre Herrchen trauern um sie und ihr werdet ja so viel Mitleid mit ihnen allen haben. Nein. Werdet ihr nicht. Nach zehn Stunden Spielzeit werdet ihr gefühlte 200 Menschen und Tiere (ja, und Tiere. Es gibt ja scheinbar Leute, die kein Problem damit haben in Videospielen Menschen mit Messern abzuschlachten, aber wehe, ja WEHE, einem virutellen Hund passiert was) um die Ecke gebracht haben. Und ja, die hatten alle Namen. Und nein, ihr werdet euch an keinen einzigen (Mensch oder Hund) davon erinnern. Mit einer Ausnahme. Aber der/die wird ja auch extra dafür in die Story eingeführt.

Vielleicht klingt das jetzt eiskalt von mir, aber hey – erinnert sich von euch noch jemand an „No One Lives Forever 2: A Spy In H.A.R.M.’s Way“? Nein? Ich schon. Da hat man mit der Agentin Cate Archer in bester Manier die Bösewicht-Truppe H.A.R.M. bekämpft. Und das war 2002! Das war das erste (und bis jetzt letzte) Spiel, bei dem ich mir tatsächlich die Mühe gemacht habe und niemanden um die Ecke bringen wollte. Jede einzelne, verdammte Wache hat ein Gespräch mit jemanden geführt in dem es um ihre Kinder ging oder den Geburtstag seiner Frau und so weiter. Die sahen zwar grafisch alle gleich aus damals, aber Himmel, das fühlte sich wie richtige Leute an. Das war wirklich unheimlich.

Bei „The Last Of Us Part II“ habe ich nie (abgesehen von den vom Spiel definierten Charakteren) Menschen gesehen, sondern Spielmechaniken. Vor allem auch deshalb, weil die Tode dieser Figuren genau keine(!), richtig, überhaupt keine(!), Auswirkungen auf irgendetwas haben. Meine Spielfigur kann also 20 Menschen und drei Hunde brutal töten ohne mit der Wimper zu zucken, aber in der nächsten Sequenz kriegt sie Gewissensbisse, weil xy ja vielleicht doch Vergebung verdient hat. Echt jetzt? Und die Dutzend Leute davor? Dieses Problem hat auch „The Last Of Us Part II“ für mich nicht gelöst, im Gegenteil fiel es mir noch viel mehr auf, weil so viel Fokus im Vorfeld (zumindest von der Presse) darauf gelegt wurde. Ich hatte mir irgendwie erwartet, dass von der GEschichte her irgendwann der Moment kommt, in dem man mit der Tatsache konfrontiert wird, dass man 1.349 Menschen umbringt, um eine einzige Person zu rächen, diese 1.349 Menschen aber auch alle Freunde, Partner*innen und vllt sogar Kinder hatten. Wenn man sich jetzt mal überlegt, wie viele Rachefeldzüge da theoretisch losgetreten werden, hui … aber hallo. Allerdings ist das völlig egal. Also werden auch diese Figuren zu Kanonenfutter degradiert und das konterkariert die Story für mich komplett.

Das klingt jetzt alles ziemlich kritisch und fast so, als hätte mir das Spiel nicht gefallen. Das stimmt nicht. Teil A fand ich großartig, inklusive kleiner, überschaubarer Open-World am Anfang. Teil B war großartig ob der Idee, lief sich dann für jedoch aufgrund der Überlänge leider emotional tot. Irgendwann wollte ich einfach nur noch damit fertigwerden – obwohl ich die Charaktere mochte. Teil AB war am Anfang toll, dann jedoch Standardware und am Ende, nun, das Finale war (nicht ob Inhalt, nicht ob Bedeutung, sondern ob Inszenierung im Spiel) leider unterdurchschnittlich (wobei, doch – auch ob Inhalt). Schade. Die abschließenden/anschließenden Cutscenes waren dann wieder super und haben den Überlebenden genau das gebracht, was zu erwarten war und was sie zum Teil auch schlichtweg verdient haben.

KLEINER SPOILER KLEINER SPOILER KLEINER SPOILER
In diversen Interviews haben die Macher*innen Druckmann und Gross (also die Autor*innen) des Spiels darauf hingwiesen, dass sie wollten, dass Ellie „ein guter Mensch“ bleibt. Deshalb endet das Spiel wie es endet. Ich frage mich noch immer, wieso sie ein guter Mensch ist, wenn sie eine (oder zwei, wenn man fair zählt) am Leben lässt, gleichzeitig aber andere im Dutzend tötet.
KLEINER SPOILER ENDE KLEINER SPOILER ENDE KLEINER SPOILER ENDE

Die Erzählstruktur hätte meiner Ansicht nach teilweise übrigens nochmals einer Revision bedurft. Gerade die Flashbacks am Ende hätten an anderer Stelle meiner Meinung nach weit mehr Wirkung entfaltet und berauben sich – nochmals: Meines Empfindens nach! – selbst ihrer möglichen emotionalen Wirkung und Bedeutung, die man sehr simpel hätte einbauen können.

Was also nun? „Meisterwerk“ oder „Totalausfall“? Das hängt stark davon ab, was ihr erwartet. Für mich war es eine spannende, zu sehr in die Länge gezogene Geschichte, die mit gutem und spaßigen Gameplay und einem coolen Twist in der Mitte zu überraschen weiß, sich jedoch in seinem Pacing mehrmals im Schritt vertut, um die Wirkung zu erzielen, die es erzählen möchte und die schlichtweg in Summe im Mitteil viel zu lang geraten ist.

Ist es mutig? Ja. Ist es das emotionalste Spielerlebnis, welches euch zu innerer Reflektion zwingt, das ihr jemals hattet? Vermutlich nicht (denkt nicht mal dran, es zu spielen, wenn ihr den ersten Teil verpasst habt).

Ich kann euch aus dem Stehgreif mindestens fünf Spiele aufzählen, die mich mehr berührt haben (inklusive „Mass Effect 3“ und „The Last Of Us Part I„). Ihr braucht nur mal auf diesem Blog „Gänsehaut-Momente“ suchen und ihr werdet finden, was ich meine. Es gibt vier Stellen im Spiel, die für mich eventuell für diese Kategorie infrage kommen würden und drei davon passieren in Teil A. Allerdings habe ich in keiner einzigen davon irgendwelche Gedanken über die zyklische Natur von Gewalt gehabt. Was ja auch irgendwie angeblich Thema des Spiels ist.

Allerdings: Grafisch und an Detailverliebtheit in seinen Umgebungen ist „The Last Of Us Part II“ einfach ein Wahnsinn. Sowas habe ich zuvor noch nicht gesehen. Außer in „Uncharted 4“ vielleicht. Oder in „Horizon: Zero Dawn“. Oder „The Witcher 3„. Hm. Ich bin wohl zu verwöhnt.

„The Last Of Us Part II“ bekommt von mir 8,5 von 10 möglichen, spielerisch mehr und verbessertes vom Gleichen wie im Vorgänger und storytechnisch einer super Idee suboptimal umgesetzte, Punkte.


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