Alice: Madness returns (Game Review)

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Wir erinnern uns: Es gab da mal ein kleines Mädchen, namens Alice Liddell, das viel lieber das Wunderland in ihrem Kopf besuchte, als sich in der Wirklichkeit herumzutreiben. Vor vielen Jahren passierte dann das Unglück: Das Elternhaus von Alice ist niedergebrannt und ihre gesamte Familie kam dabei ums Leben. Das Alice einen psychischen Knacks davon getragen hat ist kein Wunder. Unter großer Anstrengung gelang es ihr, sich selbst davor zu schützen in den Wahnsinn abzugleiten. Was die Sache erschwerte, war die Tatsache, dass sich Alice große Selbstvorwürfe machte, da der Ausbruch des Feuers ihre Schuld war. Aber letztlich gelang es ihr, sich ihre geistige Gesundheit – großteils – zu bewahren.

Viele Jahre später: Alice ist aus der Anstalt für psychisch belastete Menschen entlassen worden und lebt in einem Waisenhaus. Sie hat Albträume. Die Schuldgefühle lasten noch immer schwer auf ihr. Dr. Angus Bumby, Leiter des Waisenhauses, versucht Alice zu helfen, indem er ihr unter Hypnose dazu verhilft, ihre Erinnerungen zu löschen. Aber etwas in ihr wehrt sich dagegen, etwas lässt sie nicht zur Ruhe kommen … und dann sind da noch diese Erinnerungen an jene Nacht, als das Feuer ausbrach: Eine Gestalt, die aus dem Haus gehuscht ist … kann es möglich sein, dass Alice überhaupt keine Schuld trifft? Dass jemand ihre Familie ermorden WOLLTE?

Ja, das erste Alice-Spiel vom Designer American McGee hatte es damals in sich. Seltsame Levelstrukturen, schräge Charaktere, eine „Gothic-Version“ von Alice und ein düsteres, beklemmendes Wunderland. Im Grunde genommen handelte es sich um ein simples „Jump and Run“-Spiel mit herrlich schrägen Charakteren und einem faszinierendem Setting. Was kann man da von einem (mehr als 10 Jahre später erscheinendem) Nachfolger erwarten?

Zuerst einmal möchte ich anmerken, dass die großen Kritikpunkte, welche in der „Fachpresse“ so oft zitiert werden, wieder einmal nur ein Teil der Wahrheit sind, weshalb ich kurz schildern möchte, warum – ja, ihr habt es erkannt – Alice: Madness returns ein fantastisches Spielerlebnis ist:

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Die teilweise schlechte/schlichte Grafik war immer wieder ein Kritikpunkt. Und bevor jemand laut „Konsolenanpassung!“ ruft, möchte ich erwähnen, dass ich PC-Gamer bin. Und Alice sieht hervorragend aus. Das immer wieder erwähnte „Eislevel“, dass ja, ach so schlimm aussehen soll, ist schlichtweg eines: Eine Eislandschaft. Wie gut kann eine Eislandschaft aussehen? Eigentlich nicht sehr viel besser als hier. Viele kleine grafische Spielereien (Eingefrorene Riesenfische, Vögel, die offensichtlich von einem Riesenyeti angebissen wurden) lockern das ganze Setting auf und auch wenn es im Vergleich zu den bunten Überlevels (Stichwort: Die Brücke aus Spielkarten!) detailarm wirkt, ist es eines sicher nicht: grafisch schlecht.

Sich wiederholendes Gameplay ist der zweite große Kritikpunkt. Man springt, man kämpft, man rollt in „Pinball-Manier“ herum, löst Schachrätsel, spielt 2D-scrollende Arcade-Shooter und Jump and Run (á la Mario World)-Passagen und das immer wieder mal. Aber – unter uns gefragt – liest sich abwechslungsarm?
Vergleichen wir mal: In Call Of Duty schießt man zu Fuß. Dann schießt man aus einem Flugzeug. Dann schießt man aus einem Jeep. Abwechslungsreich? Wohl kaum. Oder nehmen wir „Edna bricht aus“. Man löst Rätsel. Abwechslungsreich? Nein. Und wer würde Moorhuhn vorwerfen, dass man die ganze Zeit auf Moorhühner schießt? Darum geht es doch, oder? Eben. Und wenn es noch dazu vom Design her so abwechslungsreich ist, wie bei Alice, die in jedem der vielen Abschnitte durch neue, beeindruckende, wundervolle Levels springt, dabei noch jedes Mal anders aussieht, dann frage ich mich, was das für ein Argument sein soll. Alice: Madness returns ist das ehrlichste Spiel, dass ich seit langem gespielt habe, da es nicht vorgaukelt etwas zu sein, was es nicht ist.

Ist Alice: Madness returns das gleiche Spiel wie Teil 1 in einem neuem Setting, upgedateten, schrägen Charakteren, einer zynischen Alice, einer tollen, bedrohlichen und erwachsenen Story, hin und wieder durchbrochen von sarkastischem, schwarzem Humor? Ja. Ist es langweilig? Nein.

Es ist der perfekte zweite Teil. Mehr vom ersten, aber neu gemischt und wunderbar liebevoll gemacht. Wenn Alice durch die Gegend läuft, ihre Haare im Laufwind wehen, wenn sie springt und in der Luft noch eine Drehung macht, sprühen Schmetterlinge und Blätter aus ihrer Kleidung (die in so ziemlich jedem(!) Level anders aussieht). Das Design der Gegner („Eye-Pot“) ist wundervoll und immer wieder ertappt man sich dabei, dass das man stehen bleibt und sich verzaubert umsieht. Meistens stirbt man dann, weil eine Plattform sich auflöst oder ein Gegner angreift, aber – und das ist das Spannende daran – es stört nicht. Dann spielt man den Abschnitt eben nochmals, denn die Speicherpunkte sind fair gesetzt und es ist sowieso ein Genuss durch das Wunderland zu laufen.

Wie man an den beiden Bildern sehen kann ist das Spiel absolut stilsicher im Design und schafft es wunderschöne Welten genauso wie düstere Abgründe darzustellen.

Man merkt es schon – ich bin hellauf begeistert und habe viele, viele Stunden mit Alice Liddell im Wunderland verbracht und jede einzige Sekunde davon genossen. Ich habe erfahren, was in der Nacht als ihre Familie starb wirklich passiert ist. Und ich kann nur sagen: Es ist ein erwachsenes Spiel. Und das Ende eines der besten, dass ich bis dato bei einem Spiel erlebt habe. Politisch korrekt? Nein. Als Spieler absolut befriedigend? Aber hallo.

Was ebenfalls oftmals kritisiert wurde ist der hohe Schwierigkeitsgrad. Ich gebe zu, manche Sprungeinlagen, verlangen exaktes Timing und einen genauen Blick und für manch eine Passage habe ich sicher zwanzig Versuche gebraucht. Meistens, um danach zu bemerken, dass es einen einfacheren Weg gegeben hätte. Aber Frust kam nie auf. Dazu hat es mir zu viel Spaß gemacht. Gleiches gilt für die Kämpfe mit den abgedrehten Waffen (Pfeffermühlengewehr, Teebeutelkanone, etc). Jeder Gegner hat einen Schwachpunkt und einfaches Durchlaufen und im Vorbei gehen alles niederballern funktioniert nicht. Taktik ist gefragt. Die Herausforderung ist dabei nicht etwa, wie ich welchen Gegner erledigen kann, das ist meist offensichtlich, sondern viel mehr in welcher Reihenfolge(!) ich das tun muss. Zuerst die Gnome, dann die Eyepots? Oder vorher noch die Schraubenfliegen? Oder zuerst die Nester, weil die immer neue Fliegen ausspucken, die mich ansonsten lahm legen? Herrlich. Herausfordernd. Wundervoll.

Alice: Madness returns bekommt von mir 9,5 von 10 dem Wahnsinn und Vergessen trotzende Empfehlungspunkte


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